Wegen unterlassener Hilfeleistung musste sich ein 44-Jähriger vor dem Hechinger Amtsgericht verantworten. Foto: SB_Archiv

44-Jähriger wird wegen unterlassener Hilfeleistung verurteilt. Richterin zeigt Verständnis für Situation.

Hechingen - Am Ende ist ein Mann tot, sein Bekannter steht fassungslos vor dem Hechinger Amtsgericht. Unterlassene Hilfeleistung, so lautete am Donnerstag der Vorwurf gegen einen 44-Jährigen. Aber in dieser Geschichte gab es nur Opfer.

Vor einem Jahr war der aus Kasachstan stammende Mann in einer tiefen Lebenskrise: Scheidung von der Frau, die sich in einen Kollegen verliebt hat, Arbeitsplatz weg. Abends klingelt ein Kumpel an der Haustür. Der ist noch schlimmer dran. Völlig betrunken. Alkoholiker im Endstadium.

Man trinkt ein Bier, dann geht der Kumpel wieder. Dass er im Treppenhaus stürzt, davon kriegt der 44-Jährige nichts mit. Ein Nachbar findet den Mann eine Stunde später. Beide schleifen den Bewusstlosen in die Wohnung des 44-Jährigen. Dass der Mann ein schweres Schädel-Hirn-Trauma hat, merken sie nicht. "Der ist immer wieder gestürzt", erklärt der Angeklagte vor Gericht. Er habe ihn auch früher schon immer wieder mal in hilfloser Lage auf der Straße aufgelesen. Dabei habe er oft aus Wunden geblutet. "Das war bei dem normal", so der Angeklagte weiter.

Angeklagter beteuert Unschuld: "Dachte der ist morgen wieder fit"

An diesem verhängnisvollen Abend legt er seinen Kumpel auf eine Decke auf einen Teppich in seinem Wohnzimmer. "Ich habe ihm noch ein Kopfkissen untergeschoben, dachte der ist morgen wieder nüchtern." Er habe sogar geprüft, ob sein Freund noch atmet.

Dann geht er mit seinem Nachbar noch ein Bier trinken, legt sich später ins Bett. Morgens merkt er, dass sein Besucher tot ist. "Ich bin nicht schuld, ich habe ihm doch geholfen", beteuert er vor Gericht. Ergebnis der Obduktion: Es ist nicht klar, ob der Mann durch einen Notarzt hätte gerettet werden können.

Die Richterin zeigt in der Verhandlung Verständnis. Eigentlich hätte es gar kein Verfahren geben müssen, denn der Mann hatte zunächst einen Strafbefehl über 1600 Euro erhalten. Aber gegen den legte er Widerspruch ein. Zum einen, weil er sich völlig unschuldig fühlt, aber auch deshalb, weil er überhaupt kein Geld mehr hat. Zumindest aber keinen Überblick über seine Finanzen. Seit der Scheidung ist er fast hilflos. Zwei Monate war er wegen seiner Depression in stationärer Behandlung. Seither macht er keine Briefe mehr auf, die problematisch wirken. Seine Wohnung wird bald zwangsversteigert, Einkünfte hat er nicht, nur die Hoffnung auf einen neuen Job.

Am Ende das Urteil: Die Strafe wird auf 480 Euro abgesenkt. Sie verstehe, dass er damals in einer Krisensituation gewesen sei, erklärt die Richterin, aber wenn ein Mensch nach einem Sturz aus einer Wunde am Hinterkopf blute, müsse man einfach den Notarzt rufen.