Die Zollernstadt hat bei ihrem Ost-Einsatz wohl vieles richtig gemacht. Davon kündet in Limbach-Oberfrohna heute eine "Hechinger Straße", in der sich zwei Apotheken befinden, eine Filiale der Deutschen Bank, ein Mode- und ein Fotogeschäft, ein Asia- und ein Obstladen. Fotos: Stopper Foto: Schwarzwälder Bote

Partnerstadt: Stadt hat bei Ost-Einsatz in Limbach-Oberfrohna wohl vieles richtig gemacht / Ein Besuch

Hechingen/Limbach-Oberfrohna. "Schmeiß alle raus", diesen Rat gab Norbert Roth, damals Hechinger Bürgermeister, kurz nach der Wendezeit seinem Kollegen Hans-Christian Rickauer in der ostdeutschen Partnerstadt Limbach-Oberfrohna. Gemeint waren nicht die Rathausangestellten, sondern die vielen Versicherungs- und Finanzdienstleistungsvertreter aus dem Westen, die kurz nach der Wende wie Heuschreckenschwärme im Osten einfielen und auf naive Kunden hofften. Im Rathaus von Limbach-Oberfrohna machten sie kein Geschäft.

Der Beginn einer Städtepartnerschaft

Lange ist das her mit der Wende. Bekanntlich wurde am 3. Oktober 1990 der Vertrag unterschrieben, der aus BRD und DDR wieder einen gemeinsamen Staat machte, und der in Ostdeutschland alle bekannte Ordnung auf den Kopf stellte. Auch die Kommunalverwaltungen, die damit natürlich heillos überfordert waren. In Limbach-Oberfrohna, mit etwas über 20 000 Einwohnern und Satellitenstadt von Chemnitz, war das auch so. Der neue Bürgermeister Hans-Christian Rickauer war vor der Wende evangelischer Pfarrer im Ort.

Die Zollernstadt hat bei ihrem Ost-Einsatz wohl vieles richtig gemacht. Davon kündet heute eine "Hechinger Straße", in der sich zwei Apotheken befinden, eine Filiale der Deutschen Bank, ein Mode- und ein Fotogeschäft, ein Asia- und ein Obstladen. Die Straße gehört zu den sehenswerteren Stadtvierteln. In Limbach-Oberfrohna gibt es schöne, historische Ecken wie etwa das Rathaus, eine schicke Stadthalle, allerdings fehlt ein wenig der Stadtkern, es gibt wenig Geschäfte, dafür stehen bis heute imposante Fabrikgebäude in der Stadt, aus deren Kaminen es zu DDR-Zeiten noch kräftig qualmte.

Ansonsten ist Limbach sehr ruhig, wer was erleben will oder groß einkaufen, fährt nach Chemnitz. Viele haben dort auch ihren Arbeitsplatz und pendeln. Wer in Limbach was Besonderes erleben will, muss in den Felsenkeller im Lay-Haus, und am besten fragt man nach Heinz Lay, dem umtriebigen Wirt. Er könnte die Geschichte erzählen, wie dieses Haus, das lange in Familienbesitz war, in der DDR verstaatlicht wurde, später als Ruine wieder in Familienbesitz kam, wie die Sanierung zum Beinahe-Abriss wurde und die millionenschwere Rekonstruktion eines der besten Hotels im Umkreis schuf. Und wie aus einem einstigen Bergwerkstollen unter dem Haus eine Wirtschaft wurde mit Karussell-Stammtisch und von Bergleuten freigesprengten "Knutschecken". Man kann Heinz Lay aber auch nach Hechingen fragen, und dann sprudelt es aus ihm nur so heraus. Immerhin war der stolze Felsenkeller-Wirt nach der Wende für 15 wichtige Jahre ehrenamtlicher Bürgermeisterstellvertreter.

"Hechingen und dem Norbert Roth verdanken wir viel", sagt der Mann, der eigentlich immer einen Scherz auf Lager hat, ungewöhnlich ernst. Die Stadt sei kurz davor gestanden, von gewieften West-Finanz-Vertretern über den Tisch gezogen zu werden. Andere ostdeutsche Kommunen tragen bis heute an den Folgen unvorsichtig geschlossener Verträge, der Rausschmeiß-Ratschlag aus Hechingen verhinderte in seiner Stadt das Schlimmste. Aber viel wichtiger noch: "Wir hatten einfach keine Ahnung, wie man im Westen ein Rathaus führt", erzählt er. Gesetze, Vorschriften, und vor allem: Wie man mit Geld umgeht und einen Haushalt aufstellte – nichts, kein Schimmer.

Und als Engel in der Not schwebte da aus Hechingen für viele Monate Karl Neth ein, frisch pensionierter Erster Beigeordneter der Stadt, den Norbert Roth für diesen Auftrag nicht lange überreden musste. Und Limbach-Oberfrohna hatte damit einen Fachmann erster Güte an der Seite und wohl auch einen Mensch mit Format, der im Osten ohne jegliche Wessi-Arroganz auftrat, was ihm hier bis heute hoch angerechnet wird.

Gegenseitige Besuche von Vereinen und Institutionen haben die Städtepartnerschaft auf eine breite Basis gestellt. Unterstützung aber braucht Limbach-Oberfrohna längst nicht mehr. Wer hier herumschlendert, in einem Café einkehrt, mit Einwohnern über alte Zeiten spricht, spürt nichts mehr von jener Zeit, als alles im Umbruch war, und Groll gegen den Westen, der hier mit Macht die Verhältnisse änderte, ist nicht zu vernehmen. Wohl auch ein Verdienst der Hechinger, die hier einst als echte Partner auftraten.