Pflege: Silvia Schimon-Sauter erzählt von ihrer Berufung: der Altenpflege / "Man bekommt viel zurück"

Altenpfleger werden? "Für mich hat es nie etwas anderes gegeben", sagt Silvia Schimon-Sauter. Seit 30 Jahren arbeitet sie im Haus St. Elisabteth in Hechingen. Das ist ihr ganzes Berufsleben. Den Job tauschen? Für sie ausgeschlossen.

Hechingen. Es gibt wenige Branchen, in denen Fachkräfte so dringend gesucht werden, wie die Pflege. Im Haus St. Elisabeth und am Standort in Haigerloch sind derzeit noch fünf Stellen offen. Silvia Schimon-Sauter arbeitet schon gut 30 Jahre als Altenpflegerin, demnächst will sie in die Pflegeleitung aufsteigen. Wie viel Durchhaltevermögen braucht man, um so lange in diesem Job zu bleiben? "Einzelhandelskauffrau wäre nie meine Erfüllung gewesen", platzt es aus ihr heraus. Seit einem Schulpraktikum ist für sie klar: "Das ist einfach ein ganz toller Beruf. Man kriegt viel zurück. Die Senioren merken, dass jemand da ist und sich Zeit für sie nimmt." Die "kleinen Momente" seien es, die sie "aufsaugt und gut tun". Das kann ein Lächeln sein, eine Berührung oder ein schlichtes "Danke".

Schimon-Sauter erzählt, wie sie mit den Senioren Spazieren geht, ihnen Essen macht, sie wascht und duscht. Wie viel Überwindung kostet es, einem wildfremden Menschen so nahe zu kommen? "Ich habe mich nicht überwinden müssen." Ohnehin müsse sie die Bewohner ja oft anfassen, nicht nur beim Duschen. Auch die Begleitung beim Toilettengang gehört für sie zur beruflichen Routine. "Man hat die Leute komplett ausgekleidet vor sich. Auch Senioren haben ein Schamgefühl." Und wenn jemand sagt, er will es nicht, will er es nicht. Auch das müsse man akzeptieren.

"Mensch sein in Würde", heißt der Slogan des Hauses St. Elisabeth eben nicht umsonst. Für die Bewohner nehmen sich die Mitarbeiter des Hauses Zeit. Viel Zeit sogar. Eine Aussage, auf die Heimleiter Martin Bummer viel Wert legt. Denn angesprochen auf Pflegenotstand, schlechte Bezahlung und miserable Arbeitsbedingungen geht ihm die Hutschnur hoch: "Die Probleme in der Pflege sind alle hausgemacht." Es gebe Einrichtungen, die "heute noch die Fünf-Tage-Woche nicht kennen". Bummer weiter: "Ich rege mich furchtbar auf, wenn ich höre, wie wenig die Auszubildenden verdienen." Seine Verärgerung hat einen einfachen Grund: Negative Nachrichten färben offenbar auch auf sein Haus ab – aus seiner Sicht zu unrecht.

Zwei Drittel sind Fachkräfte

Bummer: "Bei der Bezahlung können wir mit einem Industriemechatroniker mithalten." Etwas mehr als 1000 Euro brutto verdiene ein Azubi im ersten Ausbildungsjahr im Haus St. Elisabeth. Zwei Drittel der Mitarbeiter, die Senioren betreuen, seien Fachkräfte, die sich engagierten, um das "Menschsein in Würde" zu ermöglichen. Dieses Menschsein in Würde geht bis zum letzten Tag. Bummer: "Wir haben 50 bis 100 Todesfälle pro Jahr."

Auch Schimon-Sauter ist auf ihrer Station mit dem Tod häufiger konfrontiert. Eine Erfahrung, die auf Dauer depressiv macht? "Man ist froh, wenn jemand im Frieden eingeschlafen ist und es ist doch schön, wenn jemand dabei ist und die Person nicht alleine gehen muss", meint Schimon-Sauter. Der Tod ist zwar das Ende des Lebens, aber man habe doch die Gewissheit, dass der Sterbende sich nicht mehr mit Problemen konfrontiert sieht, die er zuvor hat meistern müssen. Das natürliche Sterben dauere gut zwei Wochen. Es sind 14 Tage, in denen sich die Mitarbeiter vom Sterbenden verabschieden.

Das Pflegeheim bilde eben das ganze Spektrum des Lebens ab – und dazu gehört auch Sexualität. Beide Partner müssten sich jedoch selbstbestimmt dafür entscheiden. Doch der Grat ist schmal: Schreitet etwa Demenz fort, wie selbstbestimmt ist jemand dann noch? Das Personal schreitet im Zweifel ein, sucht das Gespräch mit den betroffenen Bewohnern, teilt neue Räume zu – und als letztes Mittel steht das Gespräch mit den Angehörigen.

Schimon-Sauter geht derweil zurück in ihre Station, ab Juli will sie Pflegedienstleisterin. Zwei Jahre hat sie dafür eine Schule in Freiburg besucht. Die 50-Jährige meint: "Andere Berufe wären nie meine Zukunft."