"Dafne’s Diaries" ‒ so lautet der Titel der aktuellen Ausstellung im Weißen Häusle, in der Zeichnungen von Tanja Wörner zu sehen sind. Foto: Maute Foto: Schwarzwälder Bote

Kunst: Ausstellung von Tanja Wörner im Weißen Häusle mit vielfältig zu deutenden Werken

Hechingen. Der Mythos des Unbändigen, des expressiv Eruptiven: In den Zeichnungen von Tanja Wörner bricht er sich brodelnd Bahn, drängt sich energetisch an die Oberfläche. Seit Sonntag sind ihre Werke im Weißen Häusle zu sehen.

Es ist der Moment, in dem sich etwas, das lange in den Tiefen verborgen war, den Weg nach außen bahnt. Gleich einem Lavastrom fließt es über eine Fläche und hinterlässt dort seine Spuren. Mal schiebt sich eine Art Abbild über die Fließstruktur. Mal fließt Farbe über eine abbildliche Zone. "Nachgerade kamasutrisch", so brachte es der Kunsthistoriker Clemens Ottnad zum Ausdruck, "verschlingt sich Linie um Linie."

Was ist es, das auf der Bewusstseinsebene unmittelbar an Bedeutung gewinnt und sich als dynamisches Deutungsmuster in das Gedächtnis des Betrachters brennt, dessen Augen unwillkürlich versuchen, den verschlungenen Pfaden zu folgen und das "undurchdringliche Liniengespinst" zu durchdringen? Ist es ein noch unbewusstes, noch unerlöstes Gefühl? Eine Art Traumbild, das als Rätsel vor uns tritt?

Ob es, wie es der Experte als eine von vielen Möglichkeiten in den Raum stellte, ein Einblick in die "viel beschworenen inneren Landschaften" ist oder etwa eine "geomorphologische Einsicht ins Erdinnere", bleibt offen. Um es mit Goethe zu sagen: "Die Geheimnisse der Lebenspfade darf und kann man nicht offenbaren." Man vertraut sie allenfalls einem Tagebuch an.

Beim Stichwort Tagebuch schließt sich der Kreis zur aktuellen Ausstellung von Tanja Wörner, die in Balingen geboren wurde und an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart Kunst und Kunstgeschichte studierte. Denn der Titel der Werkschau ‒ "Dafne’s Diaries" ‒ erhält das aufrecht, was im Kopf des Rezipienten ein ganzes Gedankenkarussell in Gang setzt: Das Geheimnisvolle, letztlich Undurchdringliche, aus einem nicht intendierten Geschehen Hervorgegangene.

Die Künstlerin lässt das fließen, was fließen möchte, bändigt es lediglich, indem sie Farbe bisweilen sparsamer und zurückhaltender einsetzt und ihren Zeichnungen teilweise eine symmetrische Struktur gibt.

Wie und auf welche Art das Ganze seinen künstlerischen Niederschlag findet, ist nicht zuletzt auch eine Frage des Materials. Neben festen Papieren, auf denen die Farbe als geschmeidige, ineinander übergehende Fließstruktur erscheint, arbeitet Tanja Wörner auch mit grundierten Holzplatten, die ihrer Bearbeitungen, so Ottnad, mehr Widerstand entgegenbringen.

Wie eine Tätowierung ist der Strich in die Platte geritzt, hat sich die Farbe wie das Blut in der Blutbahn ihren Weg gebahnt, die Einkerbungen gefüllt, sich ausgebreitet. Als eine Art gut funktionierendes Nerv-Muskel-Zusammenspiel sorgt sie für die Funktionsfähigkeit des künstlerischen Bewegungssystems und offenbart sich als "feinstofflicher Körper der Imagination", der sich zwar jeglicher Klassifikation widersetzt, jedoch nicht dem Gedankenspiel.

Die Werke auf sich wirken ließen am Sonntag zahlreiche Ausstellungsbesucher, die die stellvertretende Vorsitzende des Kunstvereins, Sabine Wilhelm-Stötzer, herzlich willkommen hieß.

Weitere Informationen: Die Ausstellung "Dafne’s Diaries" von Tanja Wörner ist noch bis zum 15. Juli, jeweils samstags und sonntags von 14 bis 17 Uhr im Weißen Häusle zu sehen.