Seit 1928 geschützt: die weitgehend intakte Dachlandschaft der Hechinger Oberstadt. Foto: Speidel Foto: Schwarzwälder Bote

Heimatgeschichte: Seit 1928 versucht Hechingen sein Stadtbild zu bewahren

Besonders idyllisch und pittoresk erscheint Hechingen dem, der von Norden kommt. Auf halber Höhe zur Burg schmiegt sich eine kleinförmig bewegte Haus- und Dachlandschaft harmonisch in das Bild. Sie ist seit 1928 geschützt und genau so lang bedroht.

Hechingen. Mit Datum vom 31. Mai 1928 verabschiedete der damalige Gemeinderat ein Ortsstatut, das den Erhalt des Hechinger Stadtbilds sicherstellen sollte. Vorangegangen waren die Industrialisierung und ein Wildwuchs von Neubauten, von denen insbesondere die Fabrikschornsteine schon von Weitem kündeten. Die Stadtväter wollten der Entwicklung Einhalt gebieten.

Festgeschrieben wurde im neuen Ortsstatut, dass in der Innenstadt einschließlich Obertorplatz künftig alle Bauvorhaben, sowohl Umbauten als auch Neubauten, "sich den in Hechingen heimischen Bauformen im allgemeinen anpassen und die Eigenart des Orts- und Straßenbildes nicht beeinträchtigen." Baugesuchen, die den Vorgaben nicht entsprachen, sollte die baupolizeiliche Genehmigung versagt werden. Ausdrücklich verboten waren "Bauten mit flachen Dächern".

Alle Baugesuche danach hatten sich am Ortsstatut zu messen: 1937 der Abbruch des Gasthauses Krone am Kirchplatz und die Neubebauung mit zwei Geschäftshäusern, 1956 das alt gewordene Haimbsche Haus, 1958 das neue Schmitthenner-Rathaus, 1960 der Neubau am Marktplatz 6 und 1968 das Geschäftshaus in der Goldschmiedstraße mit dem Café Röcker am Marktplatz.

In den 1970er-Jahren gerieten die Ziele aus dem Blick. Das Riester-Haus auf der Westseite des Obertorplatzes 1970, das neue Pfarrhaus am Kirchplatz 1972, der Neubau anstelle der Linde-Post und das Kaufhaus Baro in der Mühlstraße 1984 waren hochmodern und gelten heute als Bausünden.

1987 rief sich die Stadt zur Räson. Sie machte sich gerade an die Sanierung des Marktplatzes. Der Gemeinderat verabschiedete eine Stadtbildsatzung mit neuen Regeln. Ähnlich wie früher im Ortsstatut sollten sich künftige Bauwerke "in städtebaulicher und baulicher Hinsicht in den Baubestand einfügen" und "insbesondere" die "Geschlossenheit und Einheitlichkeit der Dachlandschaft" wahren.

Die Stadt verliert ihr Gedächtnis

Bei der Dachgestaltung wurden ausschließlich Sattel-, Walm- oder Krüppelwalmdächer zugelassen. Ausgenommen von diesen Regeln war der Obertorplatz, dem die Stadt nach den von ihr genehmigten Neubauten kein schützenswertes Aussehen mehr zubilligen mochte. Förmlich aufgehoben worden ist das alte Ortsstatut aber nicht.

Die neue Stadtbildsatzung stand schnell auf dem Prüfstand. Als erste hatten sich 1988 Bauherr und Architekt des Schlecker-Gebäudes am Marktplatz der Kritik zu stellen, danach 1991/1993 der Ersatz für das Kaulla-Haus in der Schloßstraße und 1994/1995 das Modegeschäft nebenan. Alle Bauvorhaben fanden Mehrheiten im Gemeinderat, blieben öffentlich aber umstritten. Die Regeln waren bekannt, auch wenn die Stadt ein Auge zudrückte.

Nach der Jahrtausendwende verlor die Stadt ihr Gedächtnis. 2003 ging Stadtbaumeister Herbert Götz in den Ruhestand, seine Stelle blieb fünf Jahre lang verwaist, das Baurechtsamt allerdings kontinuierlich besetzt. 2008 kam Stadtbaumeister Peter Blumhagen.

Als Winfried Gfrörer sein Baugesuch für einen Neubau in der Frauengartenstraße vorlegte, fand Blumhagen das traditionell gewünschte Satteldach langweilig. Er schlug statt Dachstuhl ein Penthouse vor. Gfrörer änderte den Plan, aber der Gemeinderat bockte. Ihm gingen 2014 die Argumente aus, als die Stadt zugeben musste, dass sie selbst das Penthouse gewünscht hatte. Seit wenigen Wochen steht das Haus neu da.

In diesen Tagen wird erneut diskutiert, ob die Stadtbildsatzung noch Wert hat. Prüfstein ist das Bauprojekt von Daniel Löwenstein für das alte Apotheken-Gebäude neben dem Rathaus.

Das neue Geschäftshaus, das sich bis hinunter in die Rabengasse ziehen soll, ist eine Art PPP-Projekt ohne diesen Namen. Rentabel soll das Ensemble vor allem deshalb sein, weil die Stadt Hauptmieter werden will und lange Jahre sicherer Kalkulation verspricht. Das Gelände ist im vorigen Sommer an den Investor verkauft worden.

Aufsehen erregt hat die Beobachtung, dass Löwensteins Projektberater Andreas Ermantraut als Sprecher seiner Fraktion im Gemeinderat mitgestimmt hat und anfangs sogar die Kommunalaufsicht des Balinger Landratsamts hinter sich wusste. Jüngst hat er angekündigt, in die Abstimmung nicht eingreifen zu wollen.

Wie die Pläne für das Gebäude aussehen, wird am 22. Februar in einer Gemeinderatssitzung öffentlich vorgestellt und es wird abgestimmt, wie der Rat zu diesem Vorhaben steht. Ob die Stadtbildsatzung in dieser Konstellation eine Chance hat, ist derzeit ungewiss.