Ercan Karakoyun (links) und Karl-Hermann Blickle im Gespräch. Foto: Maute Foto: Schwarzwälder-Bote

Diskussion: Dialog ist ein fester Bestandteil des Glaubens / Angst vor Unterdrückung in der Türkei

Die Gülen-Bewegung ist derzeit aus politischen Gründen in aller Munde. Beim Podiumsgespräch am Mittwoch in der Alten Synagoge stand aber ganz bewusst nicht die Politik, sondern der interreligiöse Dialog im Vordergrund.

Hechingen. Auf ein "interessantes und fruchtbares Gespräch" hoffte zu Beginn Lothar Vees aus dem Vorstand der Initiative Alte Synagoge. Und auch die zahlreichen Zuhörer, die anwesend waren, waren gespannt. Denn auch wenn einige von ihnen bereits über Hintergrundwissen verfügen, so ist die Gülen-Bewegung für viele nach wie vor eine Unbekannte.

Sie in Deutschland bekannter zu machen und den Menschen die Werte zu vermitteln, die hinter ihr stehen, ist laut Ercan Karakoyun deshalb auch eines der Ziele der Bewegung. Karakoyun selbst ist Vorsitzender der Stiftung Dialog und Bildung in Berlin und stellte sich am Mittwoch auch kritischen Fragen.

In Deutschland gilt er als Ansprechpartner für die Gülen-Bewegung. Letztere habe man im Stuttgarter Lehrhaus, das den Trialog zwischen Juden, Christen und Muslimen fördert, als "verlässlichen und ehrlichen interreligiösen Dialogpartner" kennengelernt, erklärte Karl-Hermann Blickle, seines Zeichens Vorsitzender der gleichnamigen Stiftung und am Mittwoch Gesprächspartner von Ercan Karakoyun.

"Müssen unter Polizeischutz lesen"

Bevor sich ein Dialog entspann, ging Karakoyun jedoch zunächst auf die Grundlagen ein. Noch bis vor einigen Jahren habe sich in Deutschland niemand für die Gülen-Bewegung interessiert, blickte er zurück. Letztendlich sei das Interesse an ihr leider nicht durch ihre Arbeit, sondern durch die Entwicklungen in der Türkei entstanden.

"Heute müssen wir unter Polizeischutz aus unseren Büchern lesen, und nicht alle Muslime würden es gerne sehen, dass ich in einer ehemaligen Synagoge spreche", bedauerte er. Doch welches Islamverständnis steckt nun genau dahinter? Wie Karakoyun erklärte, stehe die Bewegung, die vom geistlichen Oberhaupt Fethullah Gülen geführt wird, "für eine zeitgemäße Interpretation des Islam."

Dass dieser "den Dialog mit religiösen Minderheiten suchte", auf die Menschen zuging und sich auch kulturell öffnete, habe viele Vorwürfe eingebracht. Als Dialogpartner wahrgenommen worden sei Gülen ab dem Jahre 2001, als er nach den Anschlägen vom 11. September die Botschaft verkündete: "Wir müssen der Welt zeigen, dass wir die Anschläge als Muslime aufs Schärfste verurteilen"; eine Intention, die von den Kultur- und Dialogvereinen in Deutschland aufgenommen worden sei.

Diese würden nach dem Grundsatz des Propheten handeln: "Die besten Menschen sind jene, die anderen nützlich sind." Was die interreligiöse Positionierung der Bewegung betrifft, so sei der Dialog "ein fester Bestandteil unseres Glaubens."

"Zentrale Begriffe in den Predigten Gülens sind Ehrlichkeit, Demut, Vertrauen, Empathie und Gastfreundschaft", betonte Ercan Karakoyun, den Karl-Hermann Blickle auch mit kritischen Äußerungen konfrontierte – so etwa mit der, dass der Bewegung oftmals unterstellt werde, in ihren inneren Strukturen intransparent zu sein.

Der Islam, so erwiderte Karakoyun, kenne keine Strukturen, wie sie hierzulande etwa aus dem Kirchen- oder Vereinsrecht bekannt seien. Die Bewegung sei in der Türkei entstanden, und dort habe sich aus Angst vor Unterdrückung keine Transparenz entwickeln können. "In Deutschland werden wir aber langsam transparenter", betonte Karakoyun, denn die Menschen wüssten, dass sie hier in Freiheit leben könnten.

Dass Gülen, wie von der türkischen Regierung unterstellt, den Putsch in der Türkei organisiert haben könnte, sei seines Erachtens "absurd" und von den Geheimdiensten widerlegt. Möglich sei allerdings, dass sich einzelne Menschen, die sich der Gülen-Bewegung nahe fühlten, in Not entschlossen hätten, beim Putsch mitzumachen.