Erwischt: Hinter dem Straßenschild "Rabenstraße" in der Hechinger Oberstadt, verbirgt sich an der Hauswand noch das alte Schild "Rabengasse". Thomas Jauch (Bild), Stadtarchivar, erklärt, dass Hechingen erst 1906 offizielle Straßennamen erhalten hat. Damals hat man offenbar aus der "Gasse" die "Straße" gemacht. Foto: Dick Foto: Schwarzwälder-Bote

Heimatforschung | Wenn Straßen sprechen könnten, hätten sie enorm viel Stadtgeschichte zu überliefern

In Hechingen gibt’s Straßennamen, die treiben einem das Schmunzeln ins Gesicht: "Bierweg" wäre so einer. Oder "Im Eierle". Und, oje: Nur zwei der 355 Straßen sind nach Frauen benannt. Viele dagegen nach Männern. Wieso nur? Zeit für etwas Aufklärung.

Hechingen. Wer kann da Licht ins Dunkel bringen? Im Hechinger Rathaus arbeitet einer, der in "seinem früheren Leben" mal Flurnamenforscher war, wie er verrät. Es ist Thomas Jauch, der zuständig ist für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Stadt. Man sieht ihn bei offiziellen Termine der Stadtoberhäupter oft mit Kamera und Stift herumschwirren und Notizen machen. Bei seinem zweiten Zuständigkeitsbereich für die Stadt – er ist auch Stadtarchivar – kann er seine Leidenschaft für die Empirische Kulturwissenschaft gut nutzen.

Stadtarchivar hat zu jeder Straße die passende Geschichte parat

Fragt man Jauch nach dem Ursprung witzig anmutender Straßennamen in Hechingen oder nach der Bierbrauerei in der Stadt vor Jahrhunderten oder nach dem Alten oder Neuen Schloss: Er hat sofort eine Antwort parat. Und wenn ihm doch mal eine Erklärung fehlt, weiß er, wo man nachschlagen kann.

Woher kommt also der Name "Bierweg", den jene Straße trägt, die von der Unterstadt in die Oberstadt direkt auf den "Schloßplatz" führt. Das ist die Straße hinter dem neuen Schloss, in dem die Sparkasse ihre Räume hat. "Im Bereich des Schlossplatzes war früher ein Bierkeller in den Hang getrieben", erklärt Jauch. "Dort wurde das Bier aufbewahrt und mit Eis aus dem Eisweier gekühlt – früher eine gängige Einrichtung. Und: Im jetzigen Jugendzentrum hatte anno dazumal eine Fürstliche Brauerei ihren Sitz." Aha: Auf dem Bierweg wurde vor Hunderten von Jahren also Bier transportiert – in den Bierkeller hinein und wieder hinaus.

Straßennamen ändern sich im Laufe der Zeit. Ein weniger schönes Beispiel aus der Hechinger Geschichte gibt da der Obertorplatz her. "Der wurde im Dritten Reich in ›Adolf-Hitler-Platz‹ umbenannt", berichtet der Stadtarchivar.

Und woher kommt nun "Im Eierle"? "Viele Straßennamen kommen von ehemaligen Flurnamen. Früher gab es Namen für Äcker oder Wiesenstücke. Das vermute ich auch hier", sagt Jauch. Ob die Straße "Im Eierle", die am Mercedes-Autohaus in Unterstadt vorbeiführt, früher mal irgendwas mit Eiern zu tun hatte, kann Jauch aus dem Stand nicht sagen. "Flurnamenforschung ist eine zeitaufwendige Angelegenheit", sagt er. Zumal gebe es oft mehrere Interpretationen von verschiedenen Wissenschaftlern.

Einer, der auch geforscht hat, war Walter Sauter. Der hatte 1969 sogar ein ganzes Heft mit dem Titel "Hechinger Straßennamen" verfasst. Seine "Im Eierle"-Theorie: Aus ach ("viele" in der Mundart) und Erle (der Baum) wurde "Erlach" (viele Erlen) und später dann "Im Eierle". Möglicherweise könne der Besitzer des Grundstücks dort aber auch "Erlin" geheißen haben.

Bedeutende Frauen als Namensgeber für Killberg-Straßen?

Um Flurnamen zu interpretieren, muss man also auch die Mundart vor Ort beachten. "Und auch die urkundliche Überlieferung gibt Anhaltspunkte", weiß Jauch. Das Heft "Hechinger Straßennamen" können Interessierte übrigens im Hohenzollerischen Landesmuseum einsehen. Bei der Straße "Mürbe Äcker" in Bechtoldsweiler vermutet Jauch ebenfalls einen ehemaligen Flurnamen. Und: "Mürbe könnte auf die Bodenbeschaffenheit dort hindeuten."

Und welche Straßennamen sind eigentlich im neuen Hechinger Baugebiet Killberg IV geplant? "Noch gar keine", sagt Jauch. Da gebe es noch keine Überlegungen. Die Straßen dort nach bedeutenden Frauen zu benennen, könne man aber als Idee aufgreifen, meint er. Denn immerhin: Nur zwei der 355 Straßennamen in der Gesamtstadt wurden nach Damen benannt.

Zum einen ist das die "Fürstin-Eugenie-Straße" und zum anderen die "Kaulla-Straße", benannt nach Karoline Kaulla. Madame Kaulla, wie sie auch genannt wird, starb 1809 in Hechingen und war in ihrer Zeit eine sehr bedeutende Kauffrau, die den Hof mit Luxusgütern versorgte. Die meisten Hechinger Straßennamen fangen übrigens mit dem Buchstaben S an, die wenigsten mit V.