Den erschossenen Bruder (Foto) wollte der Hauptangeklagte rächen. Foto: Maier Foto: Schwarzwälder Bote

Nach Lettland geflüchtete Frau wird per Videokonerenz befragt. Mann ohne Drogen offenbar aggressiv.

Hechingen - Im Blutrache-Prozess vor dem Hechinger Landgericht ist am Freitag per Videokonferenz die nach Lettland geflüchtete ehemalige Freundin des Mitangeklagten befragt worden. Sie hat dabei ihren Ex schwer belastet.

Vor dem Hechinger Landgericht ist am Freitag der Prozess gegen den Angeklagten, der seinen erschossenen Bruder rächen wollte, und dessen Komplizen fortgesetzt worden. Dazu wurde per Videokonferenz die Ex-Freundin des Mitangeklagten befragt. Sie war aus Angst vor ihm zusammen mit dem gemeinsamen Kind in ihre Heimat Lettland geflohen.

"Er hat ein gutes Herz. Er hilft gerne Menschen, aber er wird auch oft verarscht. Und er wird schnell aggressiv, wenn er keine Drogen hat", beschrieb sie den Vater ihres mittlerweile 18 Monate alten Kindes. "Da kann er unberechenbar werden."

Mörder sollten im Gefängnis erschossen werden

Die 22-Jährige schilderte, wie der Mitangeklagte einen alten Bekannten getroffen habe, der ihm von dem Prozess erzählt und ihn dahin mitgenommen habe. Schnell sei der Kontakt zum Bruder des Erschossenen entstanden. Gemeinsam hätten sie Rachepläne geschmiedet. Ihr damaliger Freund habe vorgeschlagen, Waffen zu besorgen. Die Lettin erwähnte in diesem Zusammenhang ein "Sniper-Gewehr", um die Mörder im Gefängnis zu erschießen, außerdem Handgranaten und einen Flammenwerfer. 3000 Euro hätten die Waffen kosten sollen, ihr Ex-Freund hätte allerdings vorgehabt, sich an dem Deal zu bereichern. Das alles hatte die Frau auch in Briefen geschildert, die sie an die Polizei in Reutlingen geschickt hatte.

Die Frau berichtete weiter, dass ihr Ex-Freund Mitglied des "Satudarah MC" gewesen sei und ihn 15 Mitglieder der verfeindeten "Red Legion" zu Hause überfallen und zusammengeschlagen hätten. Er sei daraufhin in die Türkei geflüchtet und hätte ihr von dort ein Foto auf ihr Mobiltelefon gesendet, auf dem er mit einer Pumpgun posierte. Überhaupt sei er seitdem bis zum heutigen Tag stets bewaffnet. "Ich habe ihn über alles geliebt", sagte die junge Frau. Doch als er ins Gefängnis kam, habe er sie die ganze Zeit bedroht.

Der Verteidiger hielt ihr vor, dass der Angeklagte sie wegen Kindesmisshandlung und -entführung angezeigt habe. Sie sei nicht erziehungsfähig und habe ihr Kind geschlagen. Dies wies die Frau von sich. Vielmehr habe die Schwester ihres Ex das Kind geschlagen, als es einmal bei ihr war. Bilder würden dies beweisen, auch Verbrennungen seien darauf zu sehen.

"Durch Tod des Bruders ist etwas zerbrochen"

Der Richter gab eine Überblick über das lange Vorstrafenregister des Ex-Freundes. Es reicht von gefährlicher Körperverletzung über sexuellen Missbrauch bis zu räuberischer Erpressung. Gemeinsam mit der Lettin hatte er zudem einem Mann den Geldbeutel gestohlen, mit der Bankkarte 2000 Euro abgehoben und in verschiedenen Geschäften unter anderem Zigaretten und Parfüm gekauft, das sie dann weiterverkauft haben. Dafür wurden beide verurteilt, die Frau zu einem Jahr Jugendstrafe.

In das Leben des Hauptangeklagten, dessen Bruder erschossen wurde, gab eine Mitarbeiterin der Jugendgerichtshilfe Einblicke. Sie beschrieb, wie die psychisch kranke Mutter das Kind verwahrlosen ließ, von einer Odyssee durch Schulen und Jugendhilfeeinrichtungen. Erst mit zwölf Jahren sei bei ihm eine massive Schwerhörigkeit festgestellt worden, was seine Lernschwierigkeiten erklärte. Wäre dies früher diagnostiziert worden, wäre sein Leben anders verlaufen. So sei er immer wieder in der Schule aggressiv gewesen und deshalb mehrfach verwiesen worden. Und: "Durch den Tod seines Bruders ist etwas in ihm zerbrochen."

Der Prozess wird am Montag, 8. Juli, um 8.30 Uhr mit der Befragung der Schwester fortgesetzt.

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