Christian Dior im Winter 2010/2011 - entworfen von John Galliano. Foto: AP

Elegant, verrucht und pompös: Vielfalt auf den Pariser Haute-Couture-Schauen.

Paris - Gedränge? Fehlanzeige. In Paris setzt die Modebranche für ihre Herbst- und Winterkollektion auf feine wie kleine Präsentationen. Das Publikum ist dennoch verzaubert. Und auch die Verkaufszahlen zeigen bei vielen Modehäusern wieder nach oben.

Die Haute Couture holt Luft. Passend zu der Brise, die den Besuchern des wohl exklusivsten Modespektakels der Welt die Juli-Tage in Paris erleichtert, erscheinen auch die Schauen der Hohen Schneiderkunst für Herbst/Winter 2010/11 frisch, leichthändig inszeniert und voll verborgener Kraft. Obwohl die Locations überschaubar sind und das übliche Gedrängel fehlt, scheint sich die Luxusmode wieder besser zu verkaufen. Und darauf kommt es gerade in diesem kleinen feinen Segment an, das auf Frauen angewiesen ist, die für handgearbeitete, maßgeschneiderte Kleider fünf- oder gar sechsstelligen Summen ausgeben.

"Die Prozentzahl der Kundinnen, die zur Schau kommen, variiert zwischen 30 und 40 Prozent", sagte der Designer Elie Saab kürzlich dem Fachblatt "Women's Wear Daily". Vielen sei es unangenehm, wenn sie in einer Modenschau gesehen würden. Der Libanese, der heute seine Couture-Entwürfe präsentiert, gilt als heimlicher Star der Branche. Auch andere Häuser wie Dior, Chanel oder Armani gaben an, dass ihre Verkaufszahlen bei der Couture nach oben gehen. Aber eben hinter verschlossenen Türen - die individuelle und diskrete Betreuung werde immer wichtiger.

Da war es dann doch ganz schön, dass es bei Armani am Dienstag einen beachtlichen Auflauf aus Schauspielerinnen, Presse und superreichen Kundinnen gab. Lässig und dennoch elegant wirkten die Entwürfe. Überlange Schlaghosen, soft modellierte Jacken mit betonten Schultern, über dem Knie endende Röcke mit schwingendem Godetsaum und Kleider mit Wickeleffekten umflossen schmeichelnd die Körper der Models. Letztere erinnerten mit ihren offenen und dennoch perfekt frisierten langen Blondhaaren an die Schönheiten der 70er Jahre wie Faye Dunaway, Veruschka oder Jerry Hall. Sanft schimmerte die Farbpalette: Tabakbraun, Beige, Camel, Schokolade, Camel und Rosenholz.

John Galliano entpuppte sich zuvor in einer großartigen Schau für Dior als Gartenfan. Alles schien sich um das wundersame Naturphänomen der Anpassung zu drehen, hier als Nachahmung von Blüten durch Kleider. Das Defilee in einem Zelt im rosenberankten Park des Rodin-Museums stellte eine Hommage an die weltberühmte Tulpenlinie dar, die Christian Dior 1953 lanciert hatte. Galliano interpretierte sie futuristisch und romantisch zugleich. Die Röcke glichen Blütenkelchen, mal weiß und fedrig wie bei Nelken, mal spitz zulaufend wie bei Papageientulpen oder sich zu opulenten, wie Blütenblätter übereinander geschichteten Stofflagen weitend mit handgemalten Orchideenmotiven.

Krokusgleiche Mäntel aus lilafarbenem Mohair setzten einen modernen Kontrast zu schmalen Oberteilen mit spitzem Rückenausschnitt im Stil der 50er Jahre. Ein Entwurf in einer seltsam amorphen Struktur wirkte wie aus welken Blütenblättern konstruiert. Damit es nicht gar zu adrett wirkte, brach Galliano das Ganze, indem er den Models Folie um die Köpfe wickelte wie bei eingepackten Blumensträußen. Atemberaubend war die Farbpalette: Feuerorange, leuchtend Gelb, Knalltürkis, Flieder oder Lindgrün. Dem beeindruckend schönen Defilee entsprechend versammelte Galliano einige sehr gut aussehende junge Schauspielerinnen in der ersten Reihe: die Amerikanerinnen Jessica Alba, Blake Lively und die mindestens ebenso schönen Französinnen Roxane Mesquida und Nora Arnezeder.

Ganz intim ging es dagegen bei Adeline André zu. Die Couturière demonstrierte live in einer Galerie die Kunst des Ankleidens. Dabei wurden den Mannequins Hemdkleidchen und Stoffschläuche mit Trägern aus Seidenorganza oder -georgette sorgsam angepasst und wieder ausgezogen. So entstanden nur scheinbar schlichte Gewänder, aus Stufen in wunderschönen Farbverläufen zusammengesetzt, und dank ihres kunstvollen Schrägschnitts den Körper umfließend. Leise war diese Präsentation, fein und irgendwie frisch, ganz im Geist dieser Schauen.