Charlotte Auel (Dritte von links) mit ihrer mexikanischen Gastfamilie in der geschmückten Stadt Pátzcuaro Foto: privat

Die Hausacherin Charlotte Auel berichtet über den "Tag der Toten" in Mexiko

Die Hausacherin Charlotte Auel ist seit August in Mexiko und arbeitet dort als Freiwillige des Roten Kreuzes im Casa de Ángeles in Puebla. Im zweiten Teil ihres Auslandstagebuchs berichtet sie über den "Tag der Toten".

Hausach/Puebla. Ladentheken voll mit bunt verzierten Totenköpfen aus Zucker und Schokolade, mit Blumen und Essen geschmückte Gabentische, Männer, Frauen und Kinder, die sich als kunstvolle Skelette verkleiden und tanzende Menschen auf einem Friedhof: So etwas kann man nur hier in Mexiko am "Día de Muertos", dem "Tag der Toten", erleben. Passend zum deutschen Kinostart des Films "Coco", welcher hier in Mexiko schon seit Wochen total angesagt ist, kann ich nun von meinen Erlebnissen berichten.

Nach altmexikanischem Glauben kommen zwischen dem 31. Oktober und 2. November die Verstorbenen aus dem Jenseits auf die Erde, um mit ihrer Familie ein fröhliches Beisammensein zu feiern. In der ersten Nacht wird die Ankunft der verstorbenen Kinder erwartet, in der zweiten die der Erwachsenen. Für diesen Anlass werden in den Häusern Gabentische, sogenannte "Ofrendas", vorbereitet, mit den Lieblingsspeisen der Verstorbenen, damit diese sich von ihrer anstrengenden Reise aus dem Jenseits erholen können. Manche Elemente findet man auf fast jedem Ofrenda, wie Kerzen, Weihrauch, die orangene Blume Campsúchil, auch Flor de Muertos, "Blume der Toten" genannt, oder "Pan de Muerto", ein süßes Brot in Form von Knochen. Durch persönliche Gegenstände schafft es aber jeder Gabentisch, seine eigene Geschichte zu erzählen: Von Fotos der Verstorbenen über Bierdosen und Zigaretten für Erwachsene bis hin zu Milchfläschchen und Spielzeuge für die verstorbenen Kinder. In manchen Orten darf man sogar in fremde Häuser eintreten, um sich die Ofrendas anzuschauen und gemeinsam mit den Bewohnern in deren Haus etwas zu essen.

Neben den Ofrendas finden zahlreiche Veranstaltungen und Ausstellungen statt. So war ich zum Beispiel am Wochenende vor dem Día de Muertos auf einem Kostümwettbewerb, bei dem die schönste "Catrina" gesucht wurde. "La Catrina" ist eine farbenfrohe und aufwendige Figur in Form eines Skeletts. Sie ist zum Symbol für den Día de Muertos in Mexiko geworden.

Bei meiner Arbeit im Casa de Ángeles begannen die Vorbereitungen für den "Día de Muertos" schon einen Monat vorher. Wir bereiteten einen großen Ofrenda mit Blumen, typisch mexikanischem Essen, einem Kreuz, Engeln und unzähligen bunten Totenköpfe vor. Allerdings bastelten wir alles der Haltbarkeit wegen aus Papier. Außerdem veranstalteten wir ein großes Fest. Alle Kinder wurden in Catrinas und Catrines verwandelt, im großen Saal gab es reichlich zu Essen und neben einem Kostümwettbewerb wurde mal wieder viel getanzt.

Den "Día de Muertos" selbst habe ich mit meiner mexikanischen Gastfamilie in der Kleinstadt Pátzcuaro im Bundesstaat Michoacán verbracht. Hier wird der Día de Muertos besonders traditionell gefeiert. Über die ganze Stadt verteilt befanden sich bunt geschmückte Altäre, viele Plätze und Hauswände waren mit der orangenen Cempasúchil geschmückt. In manchen Schulen und anderen öffentlichen Gebäuden wurden kunstvolle Blumenteppiche gelegt, welche denen bei uns an Fronleichnam ähneln.

Anlässlich der Feiertage versammelten sich in der Stadt Künstler aus verschiedenen Regionen Mexikos, um ihre Ware auf einem großen Markt feilzubieten. Ob Kleidung, Schmuck, Töpferware oder Spielzeug: Es war für jeden etwas dabei.

Besonders beeindruckend war der Friedhof in Pátzcuaro. Tagsüber war dieser voll mit Menschen. Die Angehörigen der Verstorbenen versammelten sich neben den Gräbern und aßen zusammen. Es wurde Musik gespielt und getanzt. Von Mittwoch auf Donnerstag blieben die Familien sogar nachts bei den Gräbern, um nah bei ihren Verstorbenen zu sein, wenn diese zu Besuch auf die Erde kommen. Als wir am Donnerstagabend zum Friedhof zurückkehrten, erstrahlte dieser durch die vielen Kerzen auf jedem Grab in einem warmen Licht. Im Gegensatz zur Nacht davor befanden sich an diesem Abend nur noch sehr wenige Menschen auf dem Friedhof, sodass es sehr still war. Normalerweise ist die Vorstellung, nachts alleine über einen verlassenen Friedhof zu laufen, eher beängstigend. In diesem Fall herrschte allerdings eine friedliche Stimmung. Als ich dort auf das Lichtermeer schaute, verspürte ich eine ungemeine innere Ruhe.

Der Día de Muertos ist wirklich eine bewundernswerte Tradition, die zu Recht 2003 von der Unesco zum "Meisterwerk des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit" erklärt wurde. Die Feierlichkeiten zeigen einen viel offeneren Umgang mit dem Tod als in anderen Kulturen, wo dieser vielmehr als Bedrohung angesehen wird und mit Traurigkeit verbunden ist.

Ich möchte nicht behaupten, dass die Mexikaner nicht um ihre verstorbenen Angehörigen trauern. Doch die Feierlichkeiten anlässlich des "Día de Muertos" ermöglichen es, schöne Erinnerungen an die Verstorbenen gemeinsam mit der ganzen Familie wachzuhalten und man selbst verliert ein Stück weit die Angst vor dem eigenen Tod.