Matthias Kreplin (von links), Ruth Scholz, Moderator Herbert Kumpf und Ralf Berger überlegten gemeinsam, wie die Kirchen ihre Zukunft gestalten sollten. Foto: Reinhard

Vertreter beider Konfessionen diskutieren Thema "Auf dem Weg zur Kirche von morgen"

Im Rahmen des Reformationsjubiläumsjahrs haben die evangelischen Kirchengemeinden Hausach und Gutach am Donnerstagabend zu einer Podiumsdiskussion mit dem Titel "Wir sind so frei: Auf dem Weg zur Kirche von morgen" eingeladen.

Hausach. Werner Kadel, Vorsitzender des evangelischen Kirchengemeinderats Hausach, begrüßte die drei Diskussionsteilnehmer und Gäste. Moderator Herbert Kumpf erklärte, den Abend in drei Themenblöcke zu unterteilen: "Wo stehen wir?", "was läuft schief?" und "wie könnte Kirche sein?".

Pfarrer Ralf Berger von der evangelischen Stadtmission Freiburg Dreisam3 bezeichnete die heutigen Kirchen als "gemeinsamen Chor". "Die durch die Reformation hervorgerufenen Streitigkeiten spielen heute eigentlich keine Rolle mehr", behauptete er.

Das bestätigte Ruth Scholz, Dekanatsreferentin beim Katholischen Dekanat Offenburg-Kinzigtal. Es gebe keine Kampfsituation wie früher mehr, und sie habe sogar das Gefühl, die Kirchen würden von außen oft als eine einzige betrachtet. Sie habe aber gleichzeitig auch beobachtet, dass bei den Angeboten der Kirchen die Gläubigen sich zwar das heraussuchen, was zu ihnen passt, bei den Sakramenten aber eher konfessionstreu bleiben. Sie vermutet dahinter eine Art Prägung, "ein Empfinden ›da weiß ich, wie es geht‹".

Beide Kirchen haben, so Matthias Kreplin, Oberkirchenrat der evangelischen Landeskirche in Baden, eine ausgefeilte Theologie. "das Problem ist nur, dass das niemanden mehr interessiert"., sagte er. Es käme viel auf der pragmatischen Ebene in Bewegung, Ökumene sei selbstverständlich geworden. "Welche Rolle spielen die theologischen Unterschiede denn überhaupt noch?", wollte Kumpf wissen. Kreplin führte als Antwort "gewisse Fragen bei der Verständigung" an, betonte aber auch, dass diese nicht dazu führten, dass die Konfessionen in Streit miteinander gerieten.

"Ich kann mit der Definition des katholischen Priesters nichts anfangen, ich bin gern evangelisch", meinte in diesem Zusammenhang Berger. Scholz nahm die Anmerkung auf und ging sogar so weit, die Frage nach dem Priesteramt als zentrale zwischen den beiden Konfessionen zu bezeichnen.

Bei der Frage, was bei den Kirchen schief laufe, zog Scholz einen Kino-Vergleich heran. Der Film sei zwar gut, die Sitze aber unbequem und auch der Rest des Kinos spreche nicht an. Sie beobachte eine Pluralisierung der Gesellschaft und Kultur. Die Kultur verändere sich, die Kirchen hätten sich dem aber nicht angepasst und sei ihnen in diesem Sinne nicht entgegen gekommen, sondern habe lange Zeit versucht, die Menschen dahin zu erziehen, dass die Kirche die Kultur sei. "Luther wollte dem Volks ›aufs Maul schauen‹, heute sind das mehrere Mäuler", meinte Scholz. "Wir müssen lernen, mit den Leuten in unterschiedlichen Kontexten zu reden."

"Die heutige Wahrnehmung ist, dass es so viele unterschiedliche Standpunkte gibt, dass es die eine Wahrheit nicht mehr gibt", sagte Berger. Gerade junge Leute machten die Erfahrung, dass alles "gefaked" werden könne. Die Menschen probierten aus diesem Grund aus, was zu ihnen passt. "Das ist nicht tiefsinniger, sondern einfach eine andere Herangehensweise."

Kreplin betonte, dass es nicht den einen Schalter gebe, den man umlegen müsse und schon laufe in den Kirchen alles wieder rund. Das benötige vielmehr viele Prozesse. Alles sei pluralisiert worden, jeder müsse dauernd Entscheidungen treffen. Pfarrer Mirko Diepen fragte aus dem Publikum, ob das Modell Volkskirche damit am Ende sei und Kreplin bejahte das zwar nicht explizit, meinte aber, dass die Menschen mittlerweile auch bei der Kirche eine Kosten-Nutzen-Rechnung aufstellen würden. Sie erwarteten sich von der bezahlten Kirchensteuer eine Leistung.

"Wir müssen darüber nachdenken, wie die Leute immer wieder bei uns andocken können", sagte Kreplin. Deutlicher wurde Scholz: "Die Volkskirche ist am Ende, weil die Vereinsstruktur am Ende ist." Berger verglich die Situation der Kirchen mit denen der Leute heutzutage und sprach von einer "Ökonomisierung des Menschen" und erwähnte in diesem Zusammenhang als Beispiel befristete Arbeitsverträge, die mittlerweile gang und gäbe seien.

Werner Kadel nahm den Kino-Film-Vergleich auf. "Der Film ist der Glaube und diesen Film schaue ich, egal, wie gut das Kino ist", sagte er. Kreplin widersprach der Idee, man hätte schon einen Film. "Wir müssen einen neuen drehen", befand er. "Wir haben nicht eine Botschaft und müssen sie nur neu verpacken" und: "Eine Volkskirche sind wir nur, wenn wir alle im Blick haben."

INFO

Veranstaltung

Eine weitere Veranstaltung zum Thema Reformation wird es in Hausach am Freitag, 27. Oktober, um 19.30 Uhr in der Stadtkirche geben. Die Chöre des Gymnasiums Hausach geben dem Reformationsjubiläum mit dem ökumenischen Konzert "Verleih uns Frieden gnädiglich!" einen musikalischen Akzent