Weder die breite B 33 noch den Tunnel gab es 1955, als Gotthard Kindler auf Heimaturlaub das Foto von der Brückenbaustelle schoss, auf der er noch ein Jahr zuvor mit angepackt hatte. Foto: Kindler

Brückenbau in Hausach begleitet ihn: Gotthard Kindler hat immer Foto seines Arbeitsorts von 1955 dabei.

Hausach - Etwas vergilbt, aber noch deutlich zu erkennen ist auf dem Foto aus dem Jahre 1955 die Baustelle der Kinzig-Brücke, die ab 1954 auf der Strecke von Hausach nach Wolfach (B 462) gebaut wurde. Gotthard Kindler hat damals im Alter von 17 Jahren beim Brückenbau geholfen, dann als Kumpel in Dortmund in Zeche Minister Stein untertage gearbeitet. Mittlerweile längst im Ruhestand reist der heute 78-Jährige mit seiner Frau Rosemarie im VW-Camper oft auch in seine einstige Heimat: ins Kinzigtal. Als akribischer Archivar hat er das Foto vom Brückenbau immer dabei, genauso wie seinen Hauerbrief als Bergmann und zahlreiche weitere Erinnerungsstücke wie an die Zeit als Hütejunge. In seiner Biografie scheinen sich gleich einem Prisma diverseste Lebenswege des 20. Jahrhunderts zu vereinen.

"Der Brückenbau wurde damals stark kritisiert", erinnert sich der gebürtige Endinger, der in Nussbach bei Triberg aufwuchs, seine Volksschulausbildung auch als Hütejunge bei Brigach bestritt und bereits vor Vollendung seines 18. Lebensjahrs in der Landwirtschaft, bei Bau des Rheinkraftwerks an der Schweizer Grenze und von seinem Elternhaus in Ortenberg aus bei Hukla in Gengenbach gearbeitet hat.

Die Mitarbeit beim Brückenbau zu Hausach war dann eine Überbrückung, bevor Kindler als Volljähriger die zugesagte Stelle beim Ruhrbergbau antreten konnte. Er erinnert sich noch gut an dieses damals größte Infrastrukturprojekt in der Raumschaft: Die Brücke sei viel zu groß, die Straße zu breit, hieß es. Genauso wurde die Maßnahme für zu teuer befunden, gleiches galt für die Brückenpfeiler aus weißem Granit und den gekurvten Verlauf der Brücke. "Heute ist man froh, dass damals so groß gebaut wurde", weiß er.

Kindler hatte 1954 bei den Vorarbeiten für den Umbau der vorherigen Holzbrücke mit angepackt. Sein Vater war damals als Polier für die beauftragte Baufirma beim Projekt eingeteilt. Und so konnte er Sohn Gotthard eine Arbeit im Bautrupp verschaffen. Seine Aufgabe war es unter anderem, für den Bau der Zufahrtsstraße zur Brücke das Trafohaus vom Umspannwerk zu versetzen. So schaffte Gotthard Kindler in der Stadt unter der Burg und an der ersten großen Brücke über die Kinzig mit, bis am 20. September 1954 sein Zug nach Duisburg ging. In der Zeche Minister Stein fing er zwei Tage später an und arbeitete zunächst 400 Meter, später 1000 Meter unter der Erde. 1955, beim ersten Heimaturlaub nach einem halben Jahr Grube ließ es sich Kindler nicht nehmen und fuhr mit seinem Motorrad nach Hausach, um sich die Baufortschritte an der Kinzig-Brücke anzuschauen.

"Ich habe immer alles mit einer kleinen Kamera dokumentiert", berichtet er. Das beweisen heute auch zahlreiche Ordner mit akribisch wie liebevoll eingeklebten Fotos, die die Lebensgeschichte von ihm und seiner Familie zeigen – und eben auch den Hausacher Brückenbau damals.

Entlang des heute überwucherten Steinbruchs ist Kindler beim Heimaturlaub dann hochgeklettert, um die gesamte Baumaßnahme an und um die Kinzig-Brücke zu dokumentieren. Weitere, später fotografierte Farbbilder zeigen den Punkt, von dem aus er die Aufnahme gemacht hat oder die Brückenpfeiler aus weißem Granit. Denn auch nach der Hochzeit mit seiner Frau Rosemarie 1956 in Dortmund ist Kindler mit seiner Familie fast jährlich zum Urlaub ins Kinzigtal gekommen. Und noch heute schlägt sein Herz schneller, wenn er mit seinem VW-Camper über diese Brücke fährt, an deren Bau er einst – übertage – mitgearbeitet hat.