Nikita Gorbunov spielt geschickt mit Klischees und durchbricht sie gekonnt. Foto: Haberer Foto: Schwarzwälder Bote

Leselenz: Nikita Gorbunov setzt einen fulminanten Schlusspunkt / Zwischen Dichtkunst, Rap und Slam-Poetry

Hausach (jha). Ein in Moskau geborener Schwabe jongliert mit Worten und Versen, pendelt zwischen Dichtkunst, Rap und Slam-Poetry. Sein Migrationshintergrund dient als "Running Gag". Nikita Gorbunov hat am Freitagabend einen fulminanten Schlusspunkt unter die 22. Ausgabe des Hausacher Leselenz gesetzt.

Er geht als Migrant in Schulen und vermittelt deutsche Dichtkunst, führt das Publikum eines Literaturfestivals in die Grundlagen des Poetry Slam ein. Nikita Gorbunov, 1983 in Moskau geboren, passt nicht wirklich in eine der gängigen Schubladen. Er schwäbelt und rappt in "Deutssprech", bedient Klischees und durchbricht sie fast im selben Atemzug. Er inszeniert den eigenen Migrationshintergrund, kokettiert mit dem rauen, eher derben Slang der Szene, löst ihn gleichzeitig immer wieder auf in feiner Lyrik und Prosa.

Zum Einstieg serviert er dem Publikum in der Kulturgarage eine Ballade mit Bezügen zum Leselenz, eine authentische Verbeugung, die das besondere Ambiente des Festivals würdigt.

Das Publikum darf Begriffe in den Raum werfen, die Gorbunov dann aufgreift. Der "Hase" dringt in lyrische Gefilde vor, wird in sich wiederholenden Versen, in klassischem Rap filetiert und gegrillt. Die "Birne" inspiriert ihn zu einer mit einer Zeile aus dem "Erlkönig" eingeleitete Hommage an Helmut Kohl, aber auch zu einem literarischen Obstsalat, der in einer Zeile richtig lecker rüberkommt und dann wieder eher mehlig.

Gorbunov macht Theater mit Migranten, integriert in das neue Stück auf Wunsch der fördernden Institutionen eine akrobatische Hebefigur mit Pyramide. Nur was macht er, wenn der obligatorische "Theatersyrer" eine Naschkatze ist und kräftig zulegt? Oma Lisa, die russische Babuschka von nebenan, empfiehlt einen Bulgaren, der einfach den Mund halten soll.

Die Sache mit dem Migrationshintergrund hat natürlich auch seine Tücken, wenn er wieder einmal als Entertainer für eine Türkenhochzeit gebucht wird, und sich dort plötzlich vorkommt wie ein Deutscher Musterschüler.

Die "Woche gegen Rassismus" ist auch ein eher schwieriges Feld, weil dort gefühlt mehr als 300 Nationen dabei sind, aber nicht ein einziger Rassist. Wie soll man ordentlich arbeiten, wenn der Gegner fehlt, die Projektionsfläche für die literarische Breitseite.

Es gibt dann noch ein paar Raps, einen Ausflug zum Hip-Hop und eine "Ode an den Süden". Aber Vorsicht, waren es nicht die badischen Revolutionäre, die mit als erste die schwarz-rot-goldene Fahne geschwenkt haben?