Óscar Beltran bei der Recherche mit Material, das er in Freiburg fand. Er stammt aus einem der betroffenen Dörfer und suchte nach Antworten auf die Frage, warum ausgerechnet diese im Bürgerkrieg bombardiert wurden. Screenshot: SUICAfilms Foto: Screenshot: SUICAfilms

Dokumentarfilm: "Das Stuka-Experiment" im Haslacher Kino aufgeführt / Diskussion über Erinnerungskultur

Haslach - Was ist 1938 in vier kleinen Dörfern in Spanien geschehen? 80 Jahre später wird die Wahrheit aufgedeckt. Eine beeindruckende Dokumentation zeigt diese. Am Mittwochabend wurde sie mit anschließender Diskussion im Haslacher Kino aufgeführt.

"Das Stuka-Experiment" – im Original "Experiment Stuka" – zeichnet nach, was im Mai 1938 in der Provinz Castelló geschieht: Drei Flugzeuge bombardieren – völlig aus dem Nichts – vier kleine Dörfer, die bislang vom Bürgerkrieg relativ verschont geblieben sind. 38 Menschen verlieren ihr Leben. Die franquistische Regierung schiebt die Tat der Gegenseite zu, die Dörfer bleiben über Generationen wegen Schuldzuweisungen tief gespalten.

Fast 80 Jahre später stellt sich heraus: Es war ein Nazi-Experiment. Die "Legion Condor" testete an den unschuldigen Einwohnern einen "Stuka"-Prototypen. Óscar Beltran, Ein Bewohner deckt dies nach Recherchen im Freiburger Militärarchiv auf. Dort findet er eine Akte mit 66 Aufnahmen der Dörfer: Der Schlüssel zu Wahrheit.

In "Das Stuka-Experiment" kommen Zeitzeugen zu Wort, Angehörige, Mitglieder des Geschichtskreises und auch Mercé Ferrando, die aus einem der Dörfer stammt und am Robert-Gerwig-Gymnasium in Hausach Spanisch lehrt. Sie hatte 2012 in ihrem Heimatdorf eine Ausstellung mit den Aufnahmen aus Freiburg gesehen. Bis dahin habe niemand davon gewusst, erzählt sie. Im Film wird deutlich, dass sie über die Zeit des Kriegs zwar in Deutschland sprechen und lehren kann, in Spanien aber nicht.

Teile des Films wurden in Hausach und Haslach gedreht, mit einer Spanischklasse Ferrandos, die sich mit dem Bürgerkrieg beschäftigt: Im RGG und auf der Gedenkstätte Vulkan. Die Teile des Films, die zeigen, wie ihre Schüler im Spanischunterricht über den Bürgerkrieg sprechen, seien vom spanischen Publikum überrascht aufgenommen worden, berichtet Regisseur Rafa Molés am Abend bei der Filmdiskussion. Extra aus Valencia angereist, steht er gemeinsam mit dem Experten Walther L. Bernecker, Auslandswissenschaftler von der Universität Erlangen, nach Ausstrahlung Rede und Antwort. Zahlreiche Gäste haben den Film gespannt verfolgt.

Aufarbeitung der Ereignisse ist "schwierig"

Die Diskussion zeigt: Das Thema ist komplex. Anders als in Deutschland ist laut Bernecker in Spanien "die Aufarbeitung noch immer schwierig". Bis 1975 herrschte die Franco-Diktatur, die ohnehin keine andere Sicht auf den Bürgerkrieg erlaubte. Natürlich stelle sich die Frage, warum auch nach Francos Tod lange weiter geschwiegen wurde. Etwas Zeit müsse wohl verstreichen, bis eine Aufarbeitung geschehen könne, so der Experte. Auch in Deutschland habe es nach dem Krieg um die 20 Jahre gebraucht. Doch bei einem Bürgerkrieg sei es noch schwieriger: Die verschiedenen Lager spalten ganze Familien, Vorwürfe wiegen schwer, Vieles wird totgeschwiegen.

Auch heute noch: Molés wird gefragt, ob bei der Jugend Interesse besteht, das Geschehen aufzuarbeiten, mehr zu erfahren. Eine Nichte habe ihn einmal befragt, weil sie weiß, dass er sich in diesem Bereich stark engagiert, sagt er. Doch die Eltern hätten sofort eingehakt und darum gebeten, das Thema ruhen zu lassen.

Laut Bernecker steckt ein altes Argument aus Zeiten der Diktatur dahinter: Das Erinnern, das Darüber-Sprechen, reiße alte Wunden auf. Sie könnten nicht verheilen. Ein starker Moment in der Dokumentation verdeutlicht das Gegenteil, sind Regisseur und Experte sich einig. Ein Zeitzeuge und seine Nichte berichten, dass dieser als einziger von drei Söhnen aus der Großstadt in eins der bombardierten Dörfer geschickt wurde. Erst während der Aufnahmen wird ihm bewusst, dass seine Eltern ihn nicht loswerden wollten, wie er ihnen nach dem Schreckenstag traumatisiert vorhielt. Sie wollten ihn schützen. Er weint. Morales berichtet, der Mann sei drei Monate nach den Dreharbeiten gestorben. Laut seiner Nichte waren diese drei Monate die glücklichsten seines Lebens: Er hat vergeben können.

Wikipedia informiert wie folgt über den Bürgerkrieg: "Der Spanische Bürgerkrieg wurde in Spanien zwischen Juli 1936 und April 1939 zwischen der demokratisch gewählten Regierung der Zweiten Spanischen Republik (›Republikanern‹) und den rechtsgerichteten Putschisten unter General Francisco Franco (›Nationalisten‹) ausgetragen. Er endete mit dem Sieg der Nationalisten. Ihm folgte das Ende der Republik in Spanien und die bis zum Tode Francos 1975 anhaltende franquistische Diktatur (1939 bis 1976)." Walther L. Bernecker zufolge, der an der Filmdiskussion teilnahm, gibt es in Spanien – anders als in Deutschland – kaum eine Aufarbeitungskultur über das Geschehene.

Keine Lösung

Kann Schweigen wirklich dazu führen, dass Wunden "heilen"? Eine Frage, die in dem Film "Das Stuka-Experiment" nicht direkt gestellt wird, in der Art und Weise sowohl seiner Narration als auch seiner Montage aber zentral mitschwingt. Für die Protagonisten der Dokumentation ist es eine große Erleichterung, endlich zu erfahren, dass die Schuld bei Anderen liegt. Es war nicht der Vater, der zu dem politischen Lager gehörte, dem die Bombardierung nach dem Krieg angehängt wurde und sich bis zum Lebensende Vorwürfe machte. Der traumatisierte Zeitzeuge, der immer glaubte, seine Eltern hätten ihn in ein Gefahrengebiet verbracht, um ihn loszuwerden, bricht in Tränen aus, als ihm bewusst wird, dass sie ihn retten wollten, weil die Dörfer als sicher galten. Er findet endlich Frieden. Was zeigen diese Beispiele aus kleinen Orten in Spanien, warum ist die Aufführung eines solchen Films auch im Kinzigtal wichtig? Einen Lokalbezug gibt es durch das Engagement von Mercé Ferrando. Aber es gibt noch mehr: Unabhängig vom Spielort zeigt der Film, dass das Totschweigen von Ereignissen wie (Bürger-)Krieg einer ganzen Gesellschaft keine Möglichkeit gibt, das Trauma und die Ereignisse zu verarbeiten. Schweigen führt zu Vergessen und Entfremdung. Es kann keine Lösung sein. "Sowohl Populismus als auch Faschismus bringen Kriege", sagte einer der Zuschauer in der Diskussionsrunde. Das darf nicht vergessen werden, gerade nicht heutzutage. Deswegen ist es wichtig, die Vergangenheit nicht totzuschweigen.