Dringend sanierungsbedürftig: die "Arche"-Brücke zwischen Haslach und Fischerbach bei Schnellingen. Foto: Kluckert

Sanierung oder Erneuerung wird für Baulastträger teuer / Bewertung mit Schulnoten

Immer mehr Brücken werden von den Experten schlecht benotet – auch im Kinzigtal. Eine notwendige Sanierung oder ein Neubau kann richtig ins Geld gehen. Die jeweiligen Träger der Baulast können ein Lied davon singen.

Mittleres Kinzigtal. Das Kinzigtal kann man verkehrsmäßig beim besten Willen nicht mit Venedig vergleichen. Aber zählt man einmal die Brücken in der Region zusammen, ergibt sich eine dreistellige Zahl an Fluss-, Wege- und Straßenüberführungen. Die Verkehrsteilnehmer freuts, für das Regierungspräsidium Freiburg – zuständig für Bauwerke an Bundes- und Landstraßen –, den Landkreis Ortenau – zuständig für Bauwerke an Kreisstraßen – sowie die Kommunen – zuständig für Bauwerke an Gemeindestraßen –, bedeutet die hohe Zahl der Brückenbauwerke eine hohe finanzielle Belastung.

Zum Beispiel für den Ortenaukreis. Allein im Straßenmeistereibezirk Haslach gibt es nach Angaben des Leiters des Straßenbauamts, Roland Gäßler, 297 Bauwerke entlang der Kreisstraßen, hiervon 66 Brücken. Diese wurden laut Gäßler bei den Prüfungen im Schnitt mit 2,37 bewertet. Das entspricht gerade noch einem "befriedigenden Bauwerkszustand" (siehe Infokasten). Besondere Sorgen bereitet dem Kreis der baulich schlechte Zustand der Kinzigbrücke zwischen Haslach und Fischerbach bei Schnellingen. Bereits vor einigen Jahren hatten die Verantwortlichen entschieden, die Brücke nicht mehr zu sanieren, sondern durch einen Neubau etwas stromaufwärts zu ersetzen. "Die Planung befindet sich noch in der Abstimmungsphase mit den Grundstückseigentümern. Ebenso werden noch Hochwasserschutzmaßnahmen geklärt", äußerst sich Gäßler zum augenblicklichen Stand der Dinge.

Eine Herkulesaufgabe nicht nur hinsichtlich des Kostenrahmens steht dem Regierungspräsidium Freiburg mit dem Ausbau und der Sanierung der B-33-Brücke in Gutach-Turm bevor. Hier besteht dringender Sanierunsbedarf. Das kostet nicht nur viel Geld, sondern bringt für die Dauer der Bauarbeiten auch massive verkehrstechnische Probleme mit sich. Eine Situation, mit der sich die Verantwortlichen in Freiburg schon seit längerer Zeit beschäftigen und nach praktikablen Lösungen suchen.

Zeitlich parallel

Nach dem derzeitigen Stand sollen die Sanierungsarbeiten und die im Zuge des Radwegeausbaus vorgesehenen ergänzenden Maßnahmen kombiniert und zeitlich parallel ausgeführt werden. "Dadurch", so Kai Steinborn, Mitarbeiter im Bereich Straßenbau des Referats 44, "versuchen wir, die Behinderungen für die Verkehrsteilnehmer so gering wie möglich zu halten." Im Rahmen der Ergänzungsarbeiten ist zum einen an der Einmündung der Kreisstraße von und nach Kirnbach die Einrichtung einer Linksabbiegespur mittels einer Kappenverbreiterung sowie zum anderen eine Radwegquerung über die Kinzig entweder durch die Verbreiterung der bisherigen oder den Neubau einer separaten Brücke vorgesehen. Beides erfordert eine Anpassung der Widerlager. Im Falle eines Neubaus würde die Brücke statisch so ausgelegt, dass während der Sanierungsphase der Verkehr in eine Fahrtrichtung darüber geleitet werden könnte.

Für die andere Fahrtrichtung ist nach Steinborns Aussagen eine weiträumige Umleitung vorgesehen. Geprüft wird aber auch die Möglichkeit einer kurzen Umleitung. Sicher ist, dass es keine Vollsperrung geben wird. Hinsichtlich der Zeitplanung gibt es noch einige Fragezeichen. "Zuerst einmal müssen die Planungsvarianten vorliegen und diskutiert werden, ehe dann eine Entscheidung getroffen wird. Sollte es Einsprüche der Anwohner geben, ist ein Planfeststellungsverfahren samt artenschutzrechlichem Gutachten notwendig, das sich mindestens über ein Jahr hinzieht", dämpft Steinborn die Erwartungen auf einen möglichst schnellen Beginn der Baumaßnahmen.

Sorgen bereitet der Zustand der Brücken auch den Städten und Gemeinden im Kinzigtal und deren Nachbarn. Auch hier gibt es mehrere Brücken, bei denen eine Sanierung dringend notwendig wäre.

Aktuell hat gerade in dieser Woche der Gemeinderat Schiltach die Vergabe des Auftrags zur Sanierung der Brücke über den Kuhbach bei Vor Kuhbach beschlossen, da die Widerlager dringend instand gesetzt werden müssen. Kostenpunkt: mehr als 200 000 Euro.

Ein ganz spezieller Fall ist die Kirchenbrücke in Gutach, die viele Jahre für 40 Tonnen Gesamtgewicht freigegeben war, laut Baustatik aber auf 30 Tonnen begrenzt ist (wir berichteten).

Recht entspannt sieht die Lage in Wolfach aus, das die Baulast für 61 Brücken und 33 Durchlässe trägt. Im vergangenen Jahr wurden rund 200 000 Euro für die Sanierung des Gassenstegs und des Radwegstegs am Stuckhäusle investiert, für 2018 steht die Sanierung der Friedhofsbrücke sowie der Radwegbrücke an. "2008 haben wir mit der Registrierung und Erstbewertung der Brücken durch ein Ingenieurbüro begonnen und führen jetzt auch Brückenbücher", so Josef Vetterer, bei der Stadt Wolfach für den Bereich Technisches Bauwesen und Vergabeverfahren zuständig.

Komplette Überprüfung

Ähnlich entspannt sieht auch die Lage in Hausach aus, das die Baulast für 74 Brücken trägt. "Zurzeit haben wir keine gravierende Probleme mit dem Zustand unserer Brücken", so Winfried Klausmann, Sachgebietsleiter Bautechnik. "Vor vier Jahren haben wir alle Brücken komplett überprüfen lassen und nach und nach die problematischen ertüchtigt. Derzeit kommen wir mit den 50 000 Euro aus, die wir jährlich in den Haushalt einstellen", so Klausmann. Mittlerweile habe die Stadt alle Brücken erfasst und Brückenbücher angelegt.

In Haslach, das die Baulast von 31 Brückenbauwerken trägt, wurden in den vergangenen Jahren sieben Brücken komplett saniert, beziehungsweise erneuert. Laut dem Ergebnis der letzten Prüfung weisen laut Manfred Schöner die Brückenbauwerke der Stadt derzeit keine wesentlichen Mängel auf. "Für das kommende Jahr steht die Erneuerung des Kinzigstegs zwischen Haslach-Bollenbach und Steinach als Gemeinschaftsmaßnahme von Haslach und Steinach an", so der Bauamtsmitarbeiter.

INFO

Prüfung von Brückenbauwerken: Intervalle, Leistungen und Vergabe von Noten

Die Überwachung und Prüfung der vorhandenen Brücken und Ingenieurbauwerke regelt die DIN 1076. Die erste Hauptprüfung ist vor der Abnahme der Bauleistung nach § 12 VOB/B, die zweite vor der Verjährung der Mängelbeseitigungsansprüche für das Bauwerk durchzuführen. Die weiteren Hauptprüfungen finden in Regelintervallen von sechs Jahren statt.

Alle Ingenieurbauwerke sind regelmäßig einmal jährlich ohne größere Hilfsmittel, wie Besichtigungsfahrzeuge, Rüstung und so weiter, aber unter Benutzung von am Bauwerk vorhandenen Besichtigungseinrichtungen, von begehbaren Hohlräumen des Bauwerks, von der Verkehrsebene und vom Geländeniveau aus auf offensichtliche Mängel oder Schäden hin zu besichtigen.

Drei Jahre nach einer Hauptprüfung sind die Ingenieurbauwerke einer Einfachen Prüfung zu unterziehen.

Die Einfache Prüfung ist als intensive, erweiterte Sichtprüfung durchzuführen. In diese Prüfung sind auch Funktionsteile (zum Beispiel Lager, Gelenke, Übergangskonstruktionen) sowie Verankerungen von Bauteilen (zum Beispiel Berührungsschutz, Lärmschutzwände, Leitungen) einzubeziehen.

Bei den ermittelten Zuständen der Brücken werden sechs Noten unterschieden:

> 1,0-1,4 sehr guter Bauwerkszustand. Laufende Unterhaltung erforderlich.

> 1,5-1,9 guter Bauwerkszustand. Laufende Unterhaltung erforderlich.

> 2,0-2,4 befriedigender Bauwerkszustand. Maßnahmen zur Schadensbeseitigung oder Warnhinweise zur Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit können kurzfristig erforderlich sein.

> 2,5-2,9 noch ausreichender Bauwerkszustand. Kurzfristige Instandsetzung erforderlich.

> 3,0-3,4 kritischer Bauwerkszustand. Umgehende Instandsetzung erforderlich.

> 3,5-4,0 ungenügender Bauwerkszustand. Maßnahmen zur Schadensbeseitigung oder Warnhinweise zur Nutzungseinschränkungen können sofort erforderlich sein.