Micha Neumann hat alles mitgebracht, was es für einen guten Linksaußen braucht. Foto: Priesterbach

Handball: Karriereende mit 26 - 14 Jahre lang hat Micha Neumann für seinen Sport alles gegeben.

Es ist ein schreckliches Schicksal, wenn ein Sportler seine Karriere mit 26 Jahren beenden muss. Mit Micha Neumann verliert der TSV Altensteig einen seiner Schlüsselspieler und absoluten Identifikationsfiguren.

Nach dem Spiel gegen den TSV Alfdorch/Lorch hieß es Abschied nehmen. Für den TSV Altensteig aus der Württemberliga. Und für Micha Neumann von seinem geliebten Sport. Womöglich für immer. Mit gerade einmal 26 Jahren. Im Spiel gegen den TSV Aldorf/Lorch streifte er noch einmal das Trikot des TSV über, stand das letzte Mal auf der Platte. Für zwei kurze Augenblicke. Er durfte zweimal an die Linie, um zwei Siebenmeter zu werfen. Beide hat er versenkt. "Das war cool", sagt er. Ein würdiger Abschied. Für diese Geste ist er den Trainern Marc Maier und Jürgen Holz dankbar.

Eine Seuchensaison

Der TSV Altensteig hat eine Seuchensaison erlebt. Der Abstieg stand beim letzten Heimspiel der Saison seit Wochen fest. Ein Grund dafür war das nicht enden wollende Verletzungspech. Das gilt auch und insbesondere für Micha Neumann.

Ein Ende mit Schrecken

Es ist ein trauriges Schicksal, wenn ein Sportler seine Karriere mit 26 Jahren aus gesundheitlichen Gründen gezwungenermaßen nicht mehr problemlos fortsetzen kann. "Es ist ein bisschen früh für ein Karriereende", sagt er selbst, "zu früh". Er hängt die Schuhe nur schweren Herzens an den Nagel. "Aber, wenn man in meiner Situation vernünftig ist, dann ist es mit Handball vorbei." Wenn der Körper nicht mehr mitspielt, "kann man nichts daran ändern. Ich hätte gerne noch ein paar Jahre weitergemacht."

Bei seiner Geschichte wird einem allein vom Zuhören flau im Magen. Die Diagnose lautet Knorpelschaden im Sprunggelenk. Angefangen hatte das Problem im August vergangenen Jahres. Neumann hatte sich einen Bänderriss zugezogen, "da hatte auch der Knorpel was abbekommen". Was folgte, war ein schleichender Prozess. Er ist während einem Spiel umgeknickt, da sei ein Stückchen des Knorpels abgekracht. An den Moment erinnert er sich noch genau. "Es hat sich so angefühlt, als ob der Mittelfuß gebrochen wäre." Dieses Stückchen, das sich gelöst hatte, sei dann in das Fußgelenk gerutscht. "Dann konnte ich gar nicht mehr auftreten." Der Arzt, der bei einer MRT-Untersuchung den Knorpelschaden festgestellt hatte, konnte es zwar wieder herauslösen, doch seither "schwimmt das Stück irgendwo anders rum". Was nun folgt ist eine schwerwiegende Operation. Es wird Knorpel aus dem Kniegelenk entnommen und im Sprunggelenk wieder angezüchtet. "Wenn ich danach wieder anfangen würde, wäre das Problem wohl in ein bis zwei Jahren wieder da." Was die ganze Geschichte noch bitterer macht: Kurz vor der Verletzung am Sprunggelenk hatte er sich gerade erst wieder richtig von einer schweren Knieverletzung erholt.

Ein Riesenverlust

Mit Micha Neumann verlieren die Altensteiger Handballer eine ihrer absoluten Identifikationsfiguren. "Es ist für uns auf und neben dem Feld ein Riesenverlust", bedauert Spielleiter Christian Lenz, der Micha Neumann nicht nur als vorbildlichen Spieler sondern auch Menschen, "einen echten Kumpel", beschreibt. Einen, "auf den man sich immer verlassen kann". Er habe das verkörpert, was Handball in Altensteig ausmache. Einer, der sich immer in den Dienst der Mannschaft gestellt hat. Einer, der sich um den Zusammenhalt im Team gekümmert hat. Einer, der nach den Spielen noch lange in der Halle geblieben war und sich mit den Zuschauern unterhalten hat. Einer, der sich auch bei der Organisation des Handball-Faschings miteingebracht hat. Kurzum: Einer, der das Vereinsleben geprägt hat.

Die Faszination geweckt

Als er zwölf Jahre alt war, war Micha Neumann mit seiner Familie aus Loßburg nach Altensteig gezogen. Für den Jungen war damals klar, dass er dann auch mit dem Handballspielen anfängt. "Mein Vater, eigentlich Fußballer, ist schon früher mit mir von Loßburg aus immer zu den Spielen nach Altensteig gefahren", erzählt er. "Da war bei mir schon die Faszination geweckt. Und dann war für mich klar, da gehst du jetzt hin." Das war in der C-Jugend. "Dann bin ich immer weiter dabeigeblieben." Und er wurde zu einem der Hoffnungsträger des Vereins. Bereits bei den A-Junioren, die damals in der Oberliga spielten, sei er ein absoluter Führungsspieler gewesen. "Er war ein Riesentalent und bereits mit 20, 22 Jahren war er dann eine feste Größe in der ersten Mannschaft", erinnert sich Lenz, quasi das lebendige Archiv des TSV. "Ich kann mich an Spiele erinnern, da hat er elf Kisten von 24 gemacht." Dabei hätte auch die Quote immer gestimmt. "Wenn er zwei Fehlwürfe hatte, dann hatte er auch insgesamt 15 Würfe genommen."

Spieler mit Köpfchen

Neumann brachte alles mit. Seine Körpergröße und Statur war für die Position des Linksaußen wie gemalt. Dazu die nötige Schnelligkeit, eine gute Sprungkraft, ein guter Armzug und das nötige Spielverständnis. Seine vielleicht größte Stärke. "Er war schon als junger Spieler sehr abgezockt", erinnert sich Lenz. "Er hat es verstanden, viele einfache Sachen richtig gut zu machen." Zuletzt hatte er dann in der Defensive noch den Mittelblock mit Dino Racki gebildet und als Rechtshänder auch im rechten Rückraum gespielt. "Das spricht für seinen Handballsachverstand", unterstreicht Lenz.

Wie eine Familie

Sein Talent hätte ihn auch in höhere Ligen als die Württemberg- oder Oberliga, die er in Altensteig gespielt hatte, führen können. Die Angebote waren da. Aber das kam für Micha Neumann nie in Frage. "Der TSV Altensteig ist wie eine Familie für mich", sagt er. "Die Struktur im Verein stimmt, da ist ein riesiger Zusammenhalt. Da sind so viele coole Leute dabei, die auch da stehen, wenn du mal Hilfe brauchst." Das ist es, was für den 26-Jährigen den Handball als Sportart ausmacht. "Sport, Ehrgeiz und der Zusammenhalt." Beinahe so traurig wie seinen persönlichen Abschied war für ihn deshalb auch der Abstieg aus der Württemberliga. "In die Landesliga, da gehört der Verein einfach nicht hin", sagt er. Deshalb hofft er, dass die Verantwortlichen die vergangene Saison richtig analysieren und daraus die richtigen Schlüsse ziehen.

Wie geht es weiter?

Dass er selbst eines Tages die Geschicke des Vereins mitgestaltet, scheint dabei sehr wahrscheinlich. Er hat bereits seinen Bundesfreiwilligendienst (BFD) im Verein abgeleistet, Jugendmannschaften trainiert und auch den Trainerschein (C-Lizenz) in der Tasche. "Das kann ich mir total gut vorstellen, da wieder einzusteigen", sagt er. "Ich gebe das Wissen, das ich habe, sehr gerne weiter." Doch zunächst einmal möchte er auch ein wenig Abstand gewinnen. "Es hat für mich schon sehr lange gedauert, bis ich das verarbeitet habe", sagt er. Und es klingt so, als sei dieser Prozess auch noch nicht abgeschlossen. Christian Lenz möchte da ebenfalls keinen Schnellschuss – oder Tempogegenstoß – machen. "Die Schuhe hat er ja gerade erst an den Nagel gehängt und die sind, bildlich gesprochen, ja noch nicht einmal trocken", sagt er. "Das wird sich mit der Zeit finden." Es stehe jedoch fest, dass man in einem Verein immer gute Leute wie Micha Neumann gebrauchen kann.