Der Leiter des Scoping-Termins: Robert Hamm, Leitender Baudirektor Luftverkehr und Luftsicherheit des Regierungspräsidiums Stuttgart. Foto: Kunert

Statt Sachdiskussion über Umweltbelange beherrschen Polemik und Forderungen Scoping-Anhörung. Mit Kommentar

Nagold/Haiterbach - Es ging eigentlich "nur" um die Vorbereitung der notwendigen Umweltverträglichkeitsprüfung für das geplante Absetzgelände des Kommandos Spezialkräfte der Bundeswehr in Haiterbach – das sogenannte "Scoping". Eigentlich ein reiner Behördentermin, auf dem sich Experten austauschen.

Neudeutsch kann man das auch ein "Brainstorming" nennen: Alle betroffenen und tangierten Ämter und Institutionen diktieren den späteren Gutachtern ins Pflichtenheft, worauf sie bei ihrer Umweltverträglichkeitsprüfung alles inhaltlich einzugehen haben. Und welche besonderen Bedingungen vor Ort im zu überplanendem Areal zu beachten und zu berücksichtigen sind.

Doch in diesem Fall haben sich die Verantwortlichen dazu entschieden, den (großen) runden Tisch – der in diesem Fall in der Stadthalle Nagold eckig aufgebaut wurde – vor Publikum abzuhalten. Und auch gezielt Bürgerinitiativen und Kritiker mit an den Tisch zu holen.

Gemessen an dem bisherigen öffentlichen Disput zum Thema Absetzgelände hatten die Organisatoren dabei offensichtlich mit deutlich mehr Resonanz gerechnet: die rund 80 Zuschauer verloren sich fast auf den 400 bereitgestellten Sitzplätzen, auch die Polizei – die zumindest mit der Möglichkeit von Tumulten gerechnet hatte – konnte dem Treiben ganz entspannt folgen. Selbst wenn es manchmal laut wurde im Saal. Und der Beginn der Mittagspause der am Ende rund fünfstündigen Marathon-Sitzung von einem halben Dutzend Demonstranten für einen Auftritt contra Absetzgelände genutzt wurde.

Problem des gesamten Verfahrens: Es ist schwer, "Ross und Reiter" auszumachen. Bauherr für das Absetzgelände ist das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (BAIUDBw), für die Oberst Herfried Martens an der Sitzung teilnahm. Der Bauherr hat aber die Durchführung der Planung für das Absetzgelände an das Hochbauamt (HBA) Karlsruhe abgegeben, wo Ulrich Steinle der zuständige Projektleiter ist. Genehmigungsbehörde für das Absetzgelände ist das Luftfahrtamt der Bundeswehr, die in der Sitzung ihren Justiziar Norbert Kämper sprechen ließ.

Immer wieder wurde versucht, politische Statments zu platzieren

Und die wiederum zur Vorbereitung ihrer Entscheidung Amtshilfe vom Regierungspräsidium Stuttgart erhält, das im Land auf Genehmigungen zum Luftverkehr spezialisiert ist. Und letztere – vertreten durch den Leitenden Baudirektor für Luftverkehr und Luftsicherheit, Robert Hamm – fungierte für das Scoping als Gastgeber, und hat sich für die anstehende Umweltverträglichkeitsprüfung Andrea Neumann (Emch+Berger, Karlsruhe) als Gutachterin ins Boot geholt.

Und genau Andrea Neumann war an diesem Tag die wichtigste Person im Saal, für deren künftige Arbeit bei der Bewertung aller umweltschutzrechtlichen Aspekte rund um den bisherigen Segelflugplatz in Haiterbach diese offizielle Anhörung der Träger öffentlicher Belange gedacht war.

Detailliert (und betont sachlich) stellte Neumann alle Aspekte der bevorstehenden Umweltverträglichkeitsprüfung vor: Welche Datenbasis wird genutzt, wieviele Begehungen zu welchen Themen wurden und werden noch gemacht, welche Faktoren finden alles Berücksichtigung im gutachterlichen Prozess. Und dazu ergänzend konnten alle anwesenden Interessensvertreter ihre Anmerkungen und zusätzlichen Erkenntnisse einbringen. Eigentlich.

Denn immer wieder versuchten etwa der Landesnaturschutzverband (vertreten durch Dieter Laquai und Matthias Walz) oder auch der Nabu (Karl-Heinz Gänßle und Wolfgang Herrling) auf der einen Seite und die Bürgerinitiative (BI) Haiterbach gegen Fluglärm (Rudolf Sautter und Jürgen Kaupp) ihre zumeist politischen Statements zum Thema in der Runde zu platzieren; und auch ein Stückweit "Stimmung" zu machen gegen das Absetzgelände – was aber zunehmend abprallte an den Vertretern der Genehmigungsbehörden, weil es in dieser Runde eben nicht um das "Ob", noch nicht einmal um das "Wie" – sondern allein um die Rahmenbedingungen ging, mit denen der Umweltstatus der rund 258 Hektar, die das gesamte Areal des Absetzgeländes einmal umfassen würde, künftig bewertet werden soll. Auch wenn die für die Moderation des Scopings hinzugezogene, ausgebildete "Konflikt-Managerin" Carla Schönfelder (moderierte auch schon Bürgerbeteiligungen am Ausbau des Flughafens Frankfurt) immer mal wieder alle Mühe hatte, die regionalen Bürgervertreter (und deren lautstarken Unterstützer im Publikum) zurück in den Sach-Modus zu holen.

Doch zum Ende hin gelang dieses Kunststück immer besser, alle Aspekte der so genannten "Schutzgüter" in der Umweltverträglichkeitsprüfung – gemeint sind die Belange der Menschen, Tier- und Pflanzenwelt, der Luftreinhaltung, der Flächen- und Bodennutzung, der Landschaft oder von Kulturgütern – zu sammeln und den anwesenden Stenographen zu Protokoll zu geben.

Aus denen dann Gutachterin Andrea Neumann später ihren genauen Fahrplan für die eigentliche, abschließende Umweltverträglichkeitsprüfung entwickeln wird.

Und wo es sachlich zuging, konnten auch die ausgewiesenen Gegner und Kritiker des Absetzgeländes tatsächlich dann doch noch auch Wesentliches zu dieser Themen-Sammlung beitragen – etwa mit dem Hinweis (von Matthias Walz) auf ein Vorkommen von streng geschützten Holzbienen in einem zum späteren Absetzgelände angrenzenden Areal. Oder mit der Forderung (von Karl-Heinz Gänßle), auch das Egenhäuser Kapf in die Umweltverträglichkeitsprüfung mit aufzunehmen – da es ebenfalls von den Ein- und Ausflugschneisen für das Absetzgelände betroffen sein würde.

Kommentar: Chance vertan

Normalerweise küngeln bei einem Scoping-Termin verschiedene Behörden miteinander. Der Bürger? Dabei unerwünscht. Beim Thema Absetzgelände gehen die beauftragten Behörden anders mit der Öffentlichkeit um – laden sie ein, holen sie an den Tisch.

Das ist ungewöhnlich. Und hätte eine tolle Chance sein können, alle echten Sachargumente, die aus Umweltschutz-Gründen gegen das Absetzgelände sprechen, auf den Tisch zu bringen. Da blieben die Kritiker von Nabu, BI und Landesnaturschutzverband weit unter ihren Möglichkeiten. Und verloren sich lieber in Polemiken, einseitigen Forderungen und dumpfen emotionalen Äußerungen – die in dieser Runde fehl am Platze waren. Und eher das Gegenteil bewirkten: Stellen, die eigentlich auf Seiten der Bürger stehen, wurden hier zum Teil massiv angegangen. So aber verspielt man alle Sympathien auf Seiten der Entscheider.