Im Mai 2017 gab es einen Termin für Bürger auf dem Feld, bevor es zur Info-Veranstaltung in die Halle ging. Foto: Fritsch Foto: Schwarzwälder Bote

Absetzgelände: Remo Klinger, Anwalt der Stadt Haiterbach, sieht gute Chancen, den Standort Haiterbach zu verhindern

Haiterbach. Die Stadt Haiterbach ist durch den Bürgerentscheid in der Pflicht, alles rechtlich Mögliche zu tun, um das geplante Absetzgelände für das Kommando Spezialkräfte Calw zu verhindern. Rechtlich vertreten wird sie dabei von dem bekannten Anwalt Remo Klinger aus Berlin. Und der schätzt die Chancen, diesen Bürgerauftrag ins Ziel zu bringen, als sehr gut ein.

Herr Professor Klinger, man sagt, als Anwalt sollte man als erstes immer die Rechtmäßigkeit eines Verfahrens anzweifeln. Ist das für das geplante Absetzgelände in Haiterbach eingeleitete Verfahren aus Ihrer Sicht rechtskonform?

Das kann ich genauer sagen, wenn wir ein wirkliches Verfahren haben. Bisher gab es mit dem Scoping-Termin nur Verfahrensvorbereitungen. Schon diese Vorbereitungen war aber einigermaßen ungewöhnlich. Üblicherweise führt den Scoping-Termin die für die Genehmigung zuständige Behörde durch. Dies wäre also das Infrastrukturamt der Bundeswehr. Tatsächlich saß vor uns aber das Regierungspräsidium Stuttgart und damit das Land Baden-Württemberg. Dieses wurde angeblich in Amtshilfe für die Bundeswehr tätig. Eine solche Amtshilfe ist aber nur zulässig, wenn die eigentlich zuständige Behörde die Arbeit nicht durchführen kann. Warum die Bundeswehr dafür nicht in der Lage gewesen sein soll, ist kaum nachvollziehbar, zumal sie im Scoping-Termin neben dem Regierungspräsidium saß und einen eigenen Anwalt mitbrachte. Der eigentliche Grund für die Tätigkeit des Regierungspräsidiums ist ein anderer: Die Bundeswehr will gar keinen anderen Platz. Wenn sie umzieht, dann nur deshalb, weil Bosch das bisherige Gelände haben möchte. Das Regierungspräsidium betätigt sich als Immobilienmakler für Bosch, um einen Ersatzstandort zu finden. Solche Deals haben aber mit rechtsstaatlicher Genehmigungsplanung nichts zu tun.

In Ihrer Stellungnahme für die Stadt Haiterbach nach Akteneinsicht machen Sie deutlich, dass Ihnen nur 179 von 10 000 Seiten zur Verfügung gestellt wurden. Ist das noch der aktuelle Stand? Sehen Sie sich und damit Ihren Mandanten, die Stadt Haiterbach, bewusst ausgebremst?

Ja, so ist es bis heute. Auf mein Schreiben an das Staatsministerium von Ende Dezember, mit dem ich dies kritisiert habe, ist keine Antwort eingegangen. Das Staatsministerium geriert sich hier wie ein Geheimdienst. Die Bundeswehr selbst war es, die uns auf den fast wortgleichen Akteneinsichtsantrag fünf dicke Ordner mit umfangreichen Unterlagen zur Verfügung stellte. Die Bundeswehr war somit deutlich bürgerfreundlicher als das Staatsministerium.

Auch auf Grundlage der begrenzten Einsicht bezweifeln Sie, dass Haiterbach der am besten geeignete Standort ist. Könnte man aus Ihrer Sicht sagen, die Suchmatrix wurde einem Wunschstandort Haiterbach (möglicherweise des Landes, nicht der Bundeswehr) angepasst, statt den Standort als offenes Ergebnis nach der Matrix zu ermitteln?

Ja, dieser Eindruck drängt sich auf. Zwei Beispiele dazu: Lange Zeit war das Gelände am Ihinger Hof der bevorzugte neue Standort. Dieser Standort steht im Eigentum des Landes und wäre daher auch wegen der geringeren Beeinträchtigung privaten Eigentums vorzugswürdig. Der Standort wurde aber nicht weiter in die Betrachtung einbezogen, angeblich, weil langjährige Versuchsreihen der Universität Hohenheim gefährdet wären. Erläuterungen dazu, wie lange diese Versuchsreihen noch gehen und ob sowohl die Versuchsreihen als auch das Absetzgelände räumlich nebeneinander passen, gibt es nicht. Ähnlich sieht es bei einem anderen Standort aus, Waldhof, der ebenfalls im Eigentum des Landes steht. Bei diesem hat man vorgetragen, dass er zu weit entfernt von Calw, dem Standort der KSK, liegt. Die Autofahrt dauert aber lediglich 18 Minuten länger als nach Haiterbach. Warum die KSK für ihre Übungen nicht etwas mehr als eine Viertelstunde länger Auto fahren darf, wenn dadurch die Inanspruchnahme privaten Eigentums vermieden werden kann, ist ebenfalls nicht erklärbar. Das Land will die Inanspruchnahme seiner eigenen Grundstücke schonen. Das ist der eigentliche Grund.

Gehen wir mal davon aus, es lässt sich objektiv nachweisen, dass ein oder mehrere Standorte besser geeignet wären als Haiterbach. Macht das rechtlich einen Unterschied, würde das das Land oder die Bundeswehr auf irgendeine Weise binden?

Selbstverständlich. Das Grundprinzip unseres Planungsrechts ist das Recht auf gerechte Abwägung. Alle in Betracht kommenden Standortalternativen müssen nachvollziehbar abgewogen werden, alles andere ist Willkür. Wenn es auch nur einen Standort gibt, der besser geeignet ist als Haiterbach, ist Haiterbach aus dem Rennen. Dies kann man gerichtlich durchsetzen.

Beeinflusst die Wahl des nicht geeignetsten Geländes die Frage, ob sich Enteignungen der Grundstückseigentümer durchsetzen lassen? Wie bewerten Sie generell den Aspekt Enteignung, wenn die Eigentümer in Haiterbach nicht verkaufen wollen?

Das ist für das Verfahren von eminenter Bedeutung. Die Eigentümer haben die stärksten Rechtspositionen. Zum einen können sie sich gegen die Erteilung einer Genehmigung für das Vorhaben durch alle Instanzen wehren. Vor Gericht können sie rügen, dass das Land seine eigenen Grundstücke hätte nehmen können, nicht ihre. Selbst wenn sie aber verlieren, wofür ich derzeit keinen Anhaltspunkt sehe, haben sie noch alle Rechte. Wäre es ein Planfeststellungsverfahren für einen großen Flughafen, könnte man ihnen die Genehmigungsentscheidung für den Flughafen im Enteignungsverfahren vorhalten und sagen, dies sei nun entschieden. Bei einem luftverkehrsrechtlichen Verfahren für ein Absetzgelände ist dies jedoch nicht so. Im Enteignungsverfahren müsste alles noch mal geprüft werden und die Eigentümer haben wieder Rechtsschutzmöglichkeiten durch alle Instanzen bis zum Bundesverfassungsgericht. Das kann deutlich mehr als ein Jahrzehnt dauern.

Aktuell steht noch nicht fest, was genau zur Genehmigung vorgelegt wird. Offenbar gibt es auch mehrere Planvarianten. Aus Ihrer Erfahrung: Kann sich mit dem Einstieg in das  Genehmigungsverfahren eine ganz neue Situation mit ganz neuen Aspekten ergeben? Liegen die meisten Entwicklungen und Arbeit noch vor Ihnen?

In der Tat. Verfahrensrechtlich stehen wir erst ganz am Anfang. Wenn die Bundeswehr jedoch klug ist – und wer wollte das bezweifeln –, sagt sie dem Land alsbald, dass man so nicht weiterkommt. Am Ende steht man in 15 Jahren da, wo man jetzt steht und fängt mit dem Verfahren von vorn an. Das kann man sich ersparen. Das Bosch im Land bleiben soll, kann keiner kritisieren. Das Land sollte dafür aber diejenigen Grundstücke anbieten, die es selbst besitzt und die auch tauglich wären.

Ein neuer Aspekt ist die bislang ausgebliebene Information und Beteiligung von angrenzenden Kommunen im Landkreis Freudenstadt. Sie sagen, dass könnte ein Stolperstein für das Vorhaben sein. Ist das möglicherweise das schärsfte Schwert, ein Absetzgelände in Haiterbach zu verhindern?

Es passt ins Bild einer etwas konfus agierenden Planung. Selbstverständlich muss man den Blick weiten und schauen, wer alles von dem Vorhaben betroffen sein kann. Alles andere ist zum Scheitern verurteilt.

Ganz generell: Wie optimistisch kann Haiterbach sein, am Ende kein Absetzgelände zu bekommen?

Sehr. In Anbetracht der landeseigenen Alternativen gehört der Platz einfach nicht dorthin.