Margarete Kollmar und Robert Frank vom Gesprächskreis Ehemalige Synagoge beim Ehrenmal auf dem jüdischen Friedhof in Haigelroch, das an die Gefallenen der jüdischen Gemeinde im Ersten Weltkrieg erinnert. Foto: Fechter Foto: Schwarzwälder-Bote

Robert Frank spricht in der Ehemaligen Synagoge über jüdische Soldaten im Ersten Weltkrieg

Haigerloch (bf). Sie wollten vollwertige Staatsbürger sein und zogen deshalb vor 100 Jahren für Deutschland in den Krieg: Robert Frank berichtete am Sonntag in der Synagoge über Jüdische Soldaten im Ersten Weltkrieg.

Robert Frank ging in seinem Vortrag zunächst auf die Emanzipationsbestrebungen der Juden in Deutschland während der vergangenen Jahrhunderte ein. Erst ab 1813, während der Napoleonischen Befreiungskriege, sei ihnen der Dienst an der Waffe erlaubt gewesen. Die jüdischen Männer sahen den Militärdienst als ein Mittel zur Emanzipation und versuchten, sich im Krieg auszuzeichnen. Bereits 1815 wurden sie jedoch wieder von jeglichem Staatsdienst ausgeschlossen und als wehruntauglich diffamiert.

Erst ab 1845 wurden jüdische Soldaten zugelassen und konnten sogar die Unteroffizierslaufbahn einschlagen. Nach dem Scheitern der Revolution von 1848 blieb den Juden der Militärdienst bis 1871 jedoch erneut verwehrt. In den Kasernen waren die jüdischen Soldaten laut Frank bis dahin aber häufig antisemitischen Schikanen ausgesetzt und hatten nicht die gleichen Aufstiegschancen wie die nichtjüdischen Kameraden.

Die nationalistische Begeisterung in großen Teilen der deutschen Bevölkerung zu Beginn des Ersten Weltkriegs sollte auch die sozialen, konfessionellen, parteilichen und regionalen Gegensätze zunächst mildern oder vergessen machen. So verkündete Kaiser Wilhelm II., er kenne nur noch Deutsche.

Die Integration schien für die Juden jetzt greifbar, auch jüdische Vereinigungen riefen dazu auf, zu den Waffen zu eilen. Eine zusätzliche Motivation für die jüdischen Soldaten war der Kampf gegen das Zarenreich, wo die Diskriminierung der Juden damals noch weitaus schlimmer war als im Deutschen Reich. In Haigerloch gab es insgesamt 243 Einberufungen, davon waren 51 Frontkämpfer. Sechs jüdische Soldaten fielen, 17 wurden teilweise mehrfach verwundet, zwei gerieten in Gefangenschaft.

Im Laufe der ersten Kriegsjahre wandelte sich die Stimmung gegen die jüdischen Soldaten wieder: Die Juden wurden zu Sündenböcke für die Versorgungsengpässe an der Front gemacht und als Kriegsgewinnler diffamiert. 1916 wurde eine "Judenzählung" angesetzt, die das Drückebergertum der jüdischen Bevölkerung beweisen sollte. Da die Erhebung aber nicht das "Wunschergebnis" brachte, wurden die Zahlen geheim gehalten.

Die Selbsttäuschung der jüdischen Soldaten ging durch diese Diffamierung zugrunde. Die Soldaten kämpften fortan an zwei Fronten: gegen den Feind und gegen die eigenen Kameraden. Frank belegte dies mit Dokumenten von Zeitzeugen.

Nach dem Krieg, in dem von 78 000 jüdischen Soldaten auf deutscher Seite 12 000 den Tod fanden, ging die Diskriminierung weiter. Vom Stahlhelmbund ausgeschlossen, wurde 1919 der Reichsbund jüdischer Frontsoldaten gegründet. In der Weimarer Republik gab es erstmals eine uneingeschränkte Gleichberechtigung der jüdischen Bevölkerung. Nach 1933 wollte sich der Reichsbund jüdischer Frontsoldaten den Nazis anpassen. Im Glauben, dass denjenigen, die fürs Vaterland gekämpft haben, nichts passieren werde, blieben viele ehemalige Soldaten in Deutschland. Diese Hoffnung wurde wie bekannt aufs Grausamste zunichte gemacht.

Margarete Kollmar führte die Zuhörer nach diesem Vortrag zum Gedenkstein für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs auf den jüdischen Friedhof im Haag sowie zum Gedenkstein für einen russischen Zwangsarbeiter, der sich 1918 erhängte.