An diesem Baum im Karlstal hat der Biber genagt. Foto/Zeichnung: Lenski Foto: Schwarzwälder Bote

Natur: Gerhard Kessler hat an seinen Apfelbäumen Schäden entdeckt, die auf einen Biber hindeuten

Es ist später Sonntagnachmittag. Um die ehemalige Mühle im Karlstal ist Stille eingekehrt. Gerhard Kessler kontrolliert gerade seine Schafweiden. Zwischen Eyach und Kanal fällt ihm plötzlich ein Baum mit ungewöhnlichen Merkmalen auf.

Haigerloch-Trillfingen. Der Baumstamm zeigt unten am Stamm eine gelb-orange Färbung. Kessler beschließt, sich die Sache am nächsten Morgen genauer anzusehen. Er begibt sich auf Erkundungsgang um der Sache auf den Grund zu gehen.

Die Baumrinde im unteren Drittel des Apfelbaumes ist komplett abgenagt. Ein zweiter ist noch schlimmer massakriert. Am Boden befinden sich etliche abgeschälte Rindenstücke. Am Ufer der Eyach nebenan liegen kreuz und quer schlanke Baumstämme und Geäst. Verursacht wurde dies alles offensichtlich nicht von Menschenhand.

Gerhard Kessler kennt den Verantwortlichen. Der Täter ist konfliktbehaftet und gehört einer streng geschützten Minderheit an. Sein Körper ist stark behaart, er trägt Schnurrbart und seine Zähne sind lang. Er ist scheu und kann hervorragend schwimmen. Es ist der Biber!

Und dieser scheint Gefallen an Kesslers Apfelbäumen gefunden zu haben. Gerhard Kessler hat den tierischen Holzfäller auch schon gesehen. Einmal, so erzählt er, habe er beobachtet, wie er im Kanal der Mühle schwamm, ein Stück Holz im Maul bugsierend.

Auch an den benachbarten Haigerlocher Fischweihern ist der Scharfzahn, der sich von Gräsern, Kräutern, Feldfrüchten und im Herbst und Winter von Baumrinde ernährt, offenbar schon aufgetaucht.

Biber wurden über Jahrhunderte gejagt. Grund dafür war nicht nur ihr wertvoller Pelz, sondern auch das "Bibergeil", ein Duftsekret, das im Körper des Bibers gebildet wird und bis ins 19. Jahrhundert als Arznei verwendet wurde. Es war das Aspirin des Mittelalters. Obendrein hatte die Katholische Kirche den Nager aufgrund seiner Schwanzflosse zum Fisch erklärt, um ihn in der Fastenzeit verspeisen zu können.

Im Jahr 1854 wurde der letzte Biber in Baden-Württemberg geschossen. Wiedereingliederungsversuche in den 70er Jahren schlugen fehl. Sein Comeback erfolgte schließlich in den 60er Jahren über die Donau von Bayern aus. Sie wirkte wie eine Autobahn.

Die ersten Biber im Raum Haigerloch wurden 2016 an der Stunzach in Gruol und an den Fischweihern bei Stetten gesichtet. Nun ist der Nager, von dem es laut Heinz-Dieter Wagner, Biberbeauftragter des Landratsamtes Zollernalb, schätzungsweise rund 5500 in Württemberg gibt, auch ins Karlstal heimgekehrt. Das ist nicht ungefährlich: Zwei Exemplare, die sich vor geraumer Zeit schon einmal zwischen Trillfingen und Bad Imnau angesiedelt hatten, mussten laut Wagner auf der Landstraße 360 ihr Leben lassen.

Aber der Dammbauer ist nicht überall willkommen. Er verändert die Landschaft im großen Stil, fällt Bäume, legt Teiche an und produziert Eingrabungen in Uferbereichen. Anders als der Mensch, holt er sich hierfür keine behördlichen Genehmigungen – und fragt auch nicht Gerhard Kessler nach dessen Apfelbäumen.

Der Biberbeauftragte rät Betroffenen, sich bei ihm zu melden. Diesen steht er kostenlos mit Rat und Draht (aus speziellem Weidegeflecht) und Pfosten (für die Einzäunung von Bäumen, die mindestens ein Meter hoch sein soll) zur Seite. Wenn jemand erwägt, einen Biberbau zu zerstören, sollte er davon besser die Finger lassen. "Das ist keine Ordnungswidrigkeit, sondern eine Straftat", klärt Wagner auf. Der Pflanzenfresser Biber sei ein ökologisch wertvolles Tier, das Lebensraum für eine große Artenvielfalt schaffe.

Gerhard Kessler von der Talmühle hat nichts gegen den haarigen Gesellen. Man müsse einfach lernen, mit ihm zu leben, sagt er. Seine Obstbäume hat er bereits mit Drahtgeflecht geschützt.