Im kommenden Jahr müssen Grundbesitzer sich dem Finanzamt erklären. Foto: Büttner

Kritik gibt es in Gütenbach an den brandneuen Bodenrichtwerten und der vom Land beschlossene Reform der Grundbesteuerung. Ein Hausbesitzer fürchtet, von der Gemeinde künftig stärker zur Kasse gebeten zu werden.

Gütenbach - Der Hausbesitzer und Leser, der ungenannt bleiben will und dessen Name der Redaktion bekannt ist, kritisiert die seiner Meinung nach hohen Abgaben, die alleine nur aus dem Besitz seines Hauses und des dazugehörigen Grundstückes entstehen.

"Immer dann, wenn den Gemeinden Geld fehlt, wird die Grundsteuer erhöht", klagt der Mann, der mit seiner Ehefrau ein Einfamilienhaus mit Einliegerwohnung besitzt. Seit Jahrzehnten drehe auch Gütenbach an der Steuerschraube. "Was mich ärgert, ist, dass es immer im Gemeinderat nach einer Erhöhung heißt ›wir liegen mit der Erhöhung im Mittelfeld‹. Und genau das liest man dann in der Zeitung von anderen Gemeinden, wenn dort erhöht wird." Ein "Teufelskreis", so der Leser.

Hebesatz derzeit auf dem Stand von 2004

Ist das wirklich so? Ein Faktencheck: Aktuell liegt in Gütenbach der Hebesatz der Grundsteuer A (für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft) bei 405 Prozent, die Grundsteuer B (für die meisten anderen Grundstücke) bei 390 Prozent. Allerdings gab es diesen Wert bereits schon 2004. 2011 senkte der Gemeinderat wegen der guten Haushaltslage die Hebesätze auf 360 (Grundsteuer A) sowie auf 350 (Grundsteuer B). Sinkende Gewerbesteuereinnahmen, stark angestiegene Investitionen und eine ebenfalls gestiegene Pro-Kopf-Verschuldung bewogen den Gemeinderat schließlich 2017, die Steuersätze wieder auf den alten Stand von 405 (A) und 390 (B) anzuheben. Diese Werte sind bis heute gültig. Der Landesdurchschnitt für die Grundsteuer B beträgt derzeit 437 Prozent.

Natürlich sagen die Hebesätze alleine nichts über die zu zahlende Steuer aus. Dafür ist der Messbetrag Grundlage. Beträgt der Messbetrag für ein Grundstück beispielsweise 80 Euro und wird ein Hebesatz von 405 angewendet, beträgt die zu zahlende Jahressteuer 80 mal 4,05 gleich 324 Euro.

Besonders Sorge bereitet dem Leser deshalb die aktuelle Grundsteuerreform. Eigentlich sollen Eigentümer von Wohngebäuden geringer belastet werden. Doch der Steuerzahlerbund und weitere Gruppen befürchten, dass die Kommunen über die Hebesätze die Verluste ausgleichen wollen. Wie der Leser hinweist, liegen der SPD-Fraktion im Landtag Modellrechnungen für die Städte Aalen und Heilbronn vor. Dort wird die Grundsteuer bei Ein- und Mehrfamilienhäusern steigen, während sie bei Geschäftsgebäuden günstiger wird.

"Ich habe unser Haus vor vielen Jahren gebaut, damit meine Familie ein sicheres Zuhause hat", so der Leser, der bald Rentner wird. "Wir haben auf vieles verzichten müssen. Ich sorge mich nun darum, dass wir kleinen Häuslebauer die Zeche zahlen sollen".

Ursache des Streits ist eine Ende 2020 im Stuttgarter Landtag verabschiedetes Gesetz, dass die Berechnung neu regelt. Grundlage ist das so genannte modifizierte Bodenwertmodell. Neben der Grundstücksfläche wird der so genannte Bodenrichtwert die Grundlage für die Steuerberechnung sein. Gütenbach hat vor zwei Jahren im Gemeinderat die Voraussetzungen zur Gründung eines gemeinsamen Gutachterausschusses geschaffen. Da vor Ort die Fachleute fehlen wurden seit 2007 keine Bodenrichtwerte mehr erstellt. Zusammen mit mehreren Kreisgemeinden wurde ein neuer Gutachterausschuss gegründet, der die im Vorfeld abgestimmten Bodenrichtwerte absegnete. Diese sind auf der Homepage der Gemeinde einsehbar.

Vertreter der Gemeinde Gütenbach waren in diesem Ausschuss der Bürger Norbert Wiehl und Bürgermeisterin Lisa Hengstler.

Bis 2022, so der Plan, sollen sämtliche Grundsteuerwerte in Baden-Württemberg festgelegt sein. Ab 2025 legen die Finanzämter dann die neuen Grundsteuermessbeträge fest, die in Zeitabständen von sieben Jahren aktualisiert werden sollen. Die Steuerpflichtigen werden im Laufe des Jahres 2022 aufgefordert, eine Erklärung für ihren Grundbesitz einzureichen. Was die Grundbesitzer letztendlich zahlen müssen, wird von den Hebesätzen der einzelnen Städte und Gemeinden abhängen.

Länder können vom Bundesrecht abweichen

Warum wird die Grundsteuer geändert? Im April 2018 hat das Bundesverfassungsgericht die bisherige Steuerermittlung über den Einheitswert für verfassungswidrig erklärt. Dem Gesetzgeber wurde bis Ende 2019 eine Reform abverlangt. Der Bundestag hat fristgerecht ein Modell verabschiedet, bei dem die Grundstückswerte, das Alter von Gebäuden und die Mietkosten herangezogen werden. Mit einer Grundgesetzänderung wurde den Ländern aber auch die Möglichkeit gegeben, vom Bundesrecht abzuweichen.

Genau dies hat Baden-Württemberg getan. Lediglich bei der Besteuerung von land- und forstwirtschaftlichem Boden, der sogenannten Grundsteuer A, lehnt sich das Land an das Bundesgesetz an. Bei der Grundsteuer B jedoch, die für 82 Prozent aller Grundstücke gilt, dem eigentlichen Grundvermögen, geht der Südwesten eigene Wege.

Was ändert sich? Es kommt zu einem Systemwechsel: Gebäude spielen für die Taxierung keinerlei Rolle mehr, allein der Grund und Boden zählt. Das vereinfacht die Berechnung, denn die schwierige Bewertung von Häusern und deren Sanierungsstand ist überflüssig. Es kommt nur noch auf die Grundstücksfläche und den Bodenrichtwert an. In die Rechnung fließt allerdings auch eine sogenannte Steuermesszahl ein. Das ist die Stellschraube der Landespolitik, mit der sie zum Beispiel den Wohnungsbau lenken kann. Die gesetzliche Steuermesszahl beträgt für Grundvermögen 1,3 Promille, ermäßigt sich aber um 30 Prozent, wenn ein Grundstück überwiegend Wohnzwecken dient. Sie beträgt dann also 0,91 Promille. Zum Schluss drehen die Kommunen noch an der wichtigsten Stellschraube: Mit der Höhe des Hebesatzes entscheiden sie darüber, wie hoch die Grundsteuer letztlich wird.