Lange Staus auf der Martin-Luther-Straße gibt es gleich mehrmals am Tag. Foto: Breitenreuter

An die Nordsee langt es nicht, weil es noch nicht mal in die Nordstadt reicht? Dirk Haier hätte da eine Idee...

Meine Kollegen und ich haben ein neues Hobby. Es heißt Baustellen-Watching und leitet sich vom Whale-Watching ab. Da wir es dieses Jahr nicht an die Nordsee schaffen, um Wale zu beobachten, weil wir nicht mal bis in die Nordstadt kommen, bleiben wir jetzt einfach hier. Segel gestrichen statt Segel gesetzt, im Klappstuhl mit Getränken, blicken wir hinaus aufs Meer – der Baustellen.

In der Martin-Luther-Straße erstaunt täglich, was da unten alles zutage tritt und wie entspannt die Anwohner bleiben. "Großes Kino" sieht auch der Döner-Verkäufer beim Blick in den Abgrund und verkeilte Fahrzeuge auf der Gegenspur. Weiter oben schauen Nachbarn über den rot-weißen Absperrzaun. "Wann kommt die Tour de France?", fragt einer.

Schon da sind Holzlasterfahrer aus Lettland, Trucker aus Polen, Wohnmobilisten aus Belgien und Holland. Sie stehen im Stau und wundern sich: Warum sind Ampelphasen in Freudenstadt so kurz? Und wir fragen uns: Wann fuhr noch gleich das letzte Mal ein Zug? Und warum führt keine Straße mehr an ein Ziel?

Wenn hier also ein Urlaubsantritt ohnehin nicht möglich und alles so faszinierend ist, erlangt eine Phrase plötzlich ganz viele Bedeutungen: "Ich kann hier grad nicht weg."