Foto: Maier

Am Unglücksort in Binsdorf liegen Blumen für die am Sonntag nach dem Umzug verstorbene Frau.

Binsdorf - Umzugswagen sind bestimmt für freudig-fröhliche Anlässe, für eine ausgelassene Zeit: die Fasnet. Dass gerade für die Umzugswagen gleichwohl Regeln und Vorschriften gelten, das wird nun nach dem tödlichen Umzugsunglück in Binsdorf umso deutlicher.

Wie konnte es zu dem Unfall am Sonntag in Binsdorf kommen, bei dem eine 32-Jährige von einem Umzugswagen gefallen ist, unter dessen Räder kam und starb? Wurden die Vorschriften eingehalten? Können diese angesichts des närrisch-ausgelassenen und oft übermütigen Treibens überhaupt immer eingehalten werden?

Insbesondere bei den Grosselfinger Hainburgpiraten, unter deren Umzugswagen, der "Black Pearl", die junge Frau starb, überlagert nun die Trauer und die Anteilnahme die Freude an der Fasnet.

Niemand hätte mehr auf dem Wagen mitfahren dürfen

Zugleich wird es rechtlich ernst: der Verdacht der fahrlässigen Tötung steht im Raum. Es geht um Verantwortung, um Schuld.

Fest steht: Der Umzug in Binsdorf war beendet, die "Black Pearl" auf der gemütlichen Rückfahrt von der Festhalle zur Binsdorfer Ortsmitte. Weil der Umzug vorbei war, hätte niemand mehr auf dem Wagen, der von einem Traktor gezogen wird, mitfahren dürfen.

Das wissen die Hainburgpiraten. Seit mehreren Jahren sind sie mit dem Schiff bei Umzügen dabei. Gleichwohl saßen einige wenige Mitglieder der Gruppe in der sogenannten Kabine des Schiffs. "Das war unser eigenes Risiko", sagt Bernd Ziemann von den Hainburgpiraten, der mit in der Kabine saß. Dabei handelt es sich um einen kleinen Raum, der über eine Tür an der Rückseite des Aufbaus betreten werden kann. Diese Tür liegt außerhalb des Blickfelds des Fahrers des Traktors, der den Wagen zieht.

"Der Umzug war vorbei", sagt Ziemann, "wir dachten nicht im geringsten daran, dass uns ein Ausnahmezustand bevorstehen würde." Dieser habe, sagt Ziemann, unspektakulär begonnen. Zwei Musiker der Gruppe, der auch das spätere Opfer angehörte, hätten die Tür zur Kabine geöffnet und seien hereingekommen. Man habe gedacht: kein Problem. Ziemann: "In der Kabine war ja auch ausreichend Platz für die beiden Musiker."

Wer will schon eine Spaßbremse sein?

Klar: Eigentlich dürfe man nach dem Umzug niemanden mitnehmen, aber wer will während der Fasnet schon eine Spaßbremse sein? Zumal die "Black Pearl", die dem Schiff aus dem Hollywood-Blockbuster "Fluch der Karibik" nachempfunden ist, bei Umzügen regelmäßig die Blicke auf sich zog, und immer wieder Leute versuchten, sie in Piratenart zu entern.

Kurz darauf seien aber plötzlich deutlich mehr Leute hereingeströmt – wie viele genau, kann Ziemann nicht sagen. Vielleicht 15, vielleicht 20. Die Hainburgpiraten hätten versucht, die Leute vom Zutritt abzuhalten, aber das sei unmöglich gewesen: "Alle waren außer Rand und Band". Fasnet eben.

Einige seien, als es eng wurde, aus der Kabine hinaus zum vorderen Teil der "Black Pearl" geströmt. Leute hätten sich gegen die Bordwand geworfen. Es wurde geschunkelt. Einer der Hainburgpiraten wollte zum Fahrer des Traktors gehen, ihm das Signal zum sofortigen Anhalten geben. Doch da sei es schon zu spät gewesen, sagt Ziemann. In diesem Moment passierte es.

Laut Ziemann hatte der TÜV die "Black Pearl" abgenommen, die auf einem Tieflader errichtet war. Am Bau beteiligt waren kompetente Handwerksleute: Automechaniker, Zimmermeister, Schweißer. Vor Umzügen sei sie regelmäßig inspiziert worden, versichert Ziemann. Der Teil der Seitenverkleidung, der wegbrach, sei mit etwa 80 Schrauben und Scheibenkleber befestigt gewesen. "Die ›Black Pearl‹ ist ein stabiles Schiff", sagt Ziemann. Doch dafür, was am Unglücksonntag auf dem Schiff vor sich ging, sei sie nicht gebaut gewesen.

Warum Leute nach dem Umzug im und auf dem Wagen waren, wie die "Black Pearl" gebaut ist und was der TÜV genau dazu sagte – all das wird nun die Ermittler beschäftigen. Ebenso die Frage, ob der Umzugswagen die Anforderungen erfüllte, die an die Seitenverkleidung zwecks Unterfahrschutz gestellt werden.

"Black Pearl" wird abgewrackt

Diese muss, so ist es in einem Merkblatt festgehalten, die Räder des Wagens komplett verdecken. Bei der "Black Pearl" war dies nicht der Fall, die vorderen beiden Räder des Tiefladers wurden lediglich zum Teil durch eine Holzlatte verdeckt. Anders sei der Wagen nicht rangierfähig gewesen, sagen die Hainburgpiraten.

Die Ermittlungen werden dauern, über die Fasnetszeit hinaus. Eines steht heute wohl schon fest: Die "Black Pearl" wird nach dem Unglück in diesem Jahr und auch in Zukunft nicht mehr ihre närrischen Segel setzen. Der Umzugswagen werde wohl abgewrackt, sagt Ziemann.