Heimliche Helfer in Geislinger Vereinen (14): Alfred Dietrich ist Gewässerwart des Fischereivereins Binsdorf / Freude an der Natur

Von Wolf-Ulrich Schnurr

Geislingen-Binsdorf. Alfred Dietrichs wichtigstes Werkzeug sind eine Schöpfkelle und ein paar einfache Chemikalien zur Wasseranalyse. Der 62-jährige Arzt ist Gewässerwart des Fischereivereins Binsdorf.

Geangelt hat Alfred Dietrich schon als Junge in der Donau. Seine erste Fischerprüfung hat er mit 15 bei seinem Erdkundelehrer abgelegt. Doch als er 1986 Mitglied des Fischereivereins Binsdorf wurde, fand er die Dokumente nicht mehr – und legte die Prüfung ein zweites Mal ab.

Dietrich stammt aus der Gegend von Vilshofen in Niederbayern. In Tübingen hat er Biologie, Chemie und Geologie studiert, ehe er Arzt wurde. Von diesen Kenntnissen profitiert er als Gewässerwart bis heute.

In der Universitätsstadt lernte er auch seine spätere Ehefrau Gundula kennen. Das Ehepaar hat zwei erwachsene Söhne.

Als Assistenzarzt kam Dietrich 1983 nach Balingen ans Zollernalb-Klinikum. Zwei Jahre später suchte er eine Wohnung in der Nähe und entschied sich dafür, in Binsdorf zu leben – nicht zuletzt weil ihm als Naturliebhaber der Wald um den Ort gefiel.

Bald schon kam er in Kontakt mit Mitgliedern des Fischereivereins, die ihm zum Mitmachen einluden. Das Hobby Angeln und die Kameradschaft im Vereins wurden für ihn zu einem Ausgleich zur Arbeit in seiner 1987 eröffneten Praxis.

Vergangenes Jahr wurde er erneut zum Gewässerwart gewählt. Dieses Amt hatte er in den Jahren 1995 bis 1999 schon einmal ausgeübt.

Seine Aufgaben erfüllt er mit spürbarer Begeisterung. Während er dem Besucher den Süßensee, die dort lebende Tier- und Pflanzenwelt erläutert, kommt er ins Schwärmen: "Es ist ein Genuss, hier langzugehen, wenn man die Tiere kennt." Man müsse nicht einmal die Angel auswerfen. "Hier zu sein ist ein Stück Lebensqualität, wie Kurzurlaub."

"Ich bin Feierabendangler", sagt Alfred Dietrich über sich selbst. Abends geht er oft noch ein Stündchen an den Weiher. Dann fällt die Sonne auf das Gewässer, Vogelstimmen und das Summen der Insekten sind zu hören: "Es ist ein Idyll. Hier kann man abschalten und die Ruhe genießen."

Das Fischen mache ihm Spaß. Es sei aber auch ein schönes Erlebnis, am Süßensee zu sein, ohne einen Fisch zu fangen. Beispielsweise wenn man den Eisvogel beobachten kann. Das seltene Tier brütet in den steilen, lehmigen Bachwänden und fliegt abends über den Weiher.

Die größte Freude ist es für den Gewässerwart, das Leben im Wasser zu beobachten. Und er begeistert sich für Entomologie, also Insektenkunde: Am Süßensee gibt es seltene Käferarten, Mücken und Eintagsfliegen – die auch den Fischen schmecken, falls sie sich zu nahe übers Wasser wagen. "Die großen Schwärme füllen mich mit Freunde. Das ist ein archaischer Anblick. Diese Tiere gab es schon 100 Millionen Jahre vor dem Menschen."

Auch Libellen leben am Weiher. Dietrich erinnert sich an ein besonders großes Exemplar, das an einem Sommertag über den Süßensee schwebte und von sechs Forellen gejagt wurde, die aus dem Wasser sprangen. Keine fing das wendige Insekt.

Springende Forellen an Sommerabenden gehören zu den schönsten Impressionen am See, der eigentlich ein künstlicher Weiher ist. Damit die Idylle nicht nur an der Oberfläche ist, sondern auch im Wasser, nimmt Gewässerwart Dietrich das ganze Jahr über regelmäßig Proben. Alle drei, vier Wochen schöpft er Wasser aus Bach und Weiher, und untersucht dieses. Vor allem der Nitritwert ist von Interesse: 0,3 Milligramm je Liter darf dieser nicht überschreiten – 0,01 mg/l sind für den Weiher typisch.

Auch nach starken Regenfällen greift Dietrich zur Stange mit dem Schöpfbehälter: Bei solchen Gelegenheiten könnten Gülle und Silagewasser von den talaufwärts liegenden Äckern gespült werden. Ernsthafte Probleme habe es aber bisher nie gegeben: "Wir haben hier eine tolle Wasserqualität." Das zeigten auch die darin lebenden Insektenlarven und der Süßwasserschwamm.

Frischwasser kommt aus dem nahen Bach in den 140 Meter langen Süßensee. Die Stärke des Zulaufs kann durch eine Klappe gesteuert werden.

Gelegentlich greift Dietrich zum Mikroskop, um biologische Stichproben zu nehmen. Etwa um die Algen zu betrachten, die im Süßensee wachsen und dem Gewässer seine leichte, natürliche Trübung verleihen.

Ihr Wachstum halte sich aber in Maßen – weswegen sich auch keine Algen in den Tieren des Weihers anreichern: "Unsere Fische ›mooseln‹ nicht", freut sich Dietrich. Karpfen, Forellen, Barsche und Rotaugen aus Binsdorf hafte also nicht der Geschmack von Algen an.

"Wir haben einen dichten, natürlichen Fischbesatz", berichtet der Gewässerwart. Das liege nicht zuletzt an der gesunden Nahrungskette darin. Dazu gehören Kieselalgen genauso wie die Baumsamen, die im Sommer wie ein Teppich auf dem Wasser liegen und von den Fischen förmlich aufgesaugt werden.

An dem künstlich angelegten See gebe es eine "wunderbare Busch- und Baumblüte", sagt Dietrich. In vielen Fällen hat er die Gewächse mit eigenen Händen gepflanzt; beispielsweise den an der Böschung hinauf zur L 415 wachsenden Schwarzdorn.

Zu tun gibt es für den Gewässerwart auch zwischen den Wasserproben immer etwas. Unlängst hat er Weidenruten geschnitten und am Westufer gesteckt. Dort bilden sie im Wasser Wurzeln und damit eine gute Möglichkeit für die Fische zum Ablaichen. Apropos Laich: Die Frösche haben den Süßensee in diesem Jahr bereits für die Fortpflanzung besucht. Aus dem künstlichen See ist ein Biotop geworden.