Christoph Wagner, Musikjournalist Foto: Breisinger Foto: Schwarzwälder Bote

Kultur: Christoph Wagner erinnert in Geislingen an die Musikszene der 1960er- und 1970er-Jahre

Geislingen. Anlässlich des zehnjährigen Jubiläums von "Umsonst & Draußen" in Geislingen fand im Bürgerhaus "Harmonie" ein Multi-Media-Vortrag des Musikjournalisten Christoph Wagner statt. Er berichtete über die einstige Musikszene in Baden-Württemberg. Für die musikalische Untermalung mit Keyboard und Elektronik sorgte Fritz Heieck.

Wagner versorgte die Besucher mit vielen Anekdoten über die damalige Zeit: "1968 war eine magische Zahl für die BRD. Es war das Signet für Aufruhr und Rebellion und der Höhepunkt der Jugendrevolte in der BRD, ein Jahr in dem die Geschichte des Landes eine andere Richtung einschlug."

In jenem Jahr hielten lange Haare, Konsumverweigerung, sexuelle Lockerung, der Konsum von Drogen und antiautoritäre Erziehung Einzug. Mit den Werten der Eltern sollte gebrochen und die ältere Generation dadurch herausgefordert werden. "Die weiteste Verbreitung dieses Denken und Handelns fand in der Rockmusik statt", so Wagner. "Nur manchmal hatte die Musik eine politische Botschaft, meistens war die Musik die Politik." Jazzclubs und subkulturelle Treffs entstanden überall.

Ihren Anfang nahm die Verbreitung der Rockmusik in Baden-Württemberg bereits 1964 mit dem Club Voltaire in Stuttgart. Es dauerte fünf weitere Jahre, bis diese Entwicklung auch im Zollernalbkreis ankam: Am 3. Juli 1969 traten "Joy and the Hit Kids" in Bisingen auf. Weitere Auftritte wie von "Rootless" am 5. Februar 1970 in Geislingen oder von "Kraftwerk" am 20. Juni 1971 in Hechingen folgten.

Bei der Organisation der Konzerte in Baden-Württemberg tat sich vor allem die Reutlinger Studenteninitiative "gig" hervor, laut Wagner "einmalig in der westdeutschen Popszene". Als nicht auf Profite ausgerichtetes Unternehmen mit gewähltem Vorstand stand sie lange Zeit erfolgreich in direkter Konkurrenz zu kommerziellen Organisatoren.

Englische Bands, die aufgrund des Überangebots an Musikgruppen auf der Insel ihr Glück in Westdeutschland suchten, waren treibende Kräfte. Deutsche Bands traten oft nur als Vorgruppen auf. Manche Weltkarriere fand so ihren Anfang, etwa von "Black Sabbath".

Deren ersten Schritte im "Schwabenländle" waren nicht einfach: In der Kaufmännischen Berufsschule in Göppingen traten sie ohne Bühne auf, über die bis heute bestehende "Manufaktur" in Schorndorf ging es weiter zur Johanniterhalle in Schwäbisch Hall. "Auch nachdem ›Black Sabbath‹ den Durchbruch schafften, sind sie aus Dank dem schwäbischen Hinterland verbunden geblieben", wusste Wagner zu berichten.

Bis Mitte der 1970er-Jahre hielt die Revolte an. "Aber die Aufbruchsstimmung verflüssigte sich, die Kommerzialisierung nahm zu, es kam zu Popkrawallen und zum Stürmen der Konzerthallen", geht Wagner auf die Gründe für den Sinkflug ein. Nur wenige Jahre später fand sich das Phänomen der Revolte dann in der Entstehung der Punkszene wieder.