Gefragter Interviewpartner in Pandemie-Zeiten: Michael Theurer fehlt die Zeit für Kreistags-Sitzungen. Foto: Schmidt

Seit der Kommunalwahl am 24. Oktober 1999 ist Michael Theurer ununterbrochen Mitglied des Kreistags Freudenstadt. Doch nach fast 22 Jahren ist nun Schluss. Der FDP-Landesvorsitzende und Bundestagsabgeordnete aus Horb hört im Gremium auf. Im Gespräch mit unserer Zeitung verrät er die Gründe.

Horb - Michael Theurer ist in der Corona-Pandemie als Gesprächspartner der Medien noch gefragter als er es schon vorher war. Kein Wunder, denn der stellvertretende Fraktionsvorsitzende ist in seiner Partei Vorsitzender des Arbeitskreises II für Wirtschaft und Energie, Arbeit und Soziales, Gesundheit und Tourismus. "Die Themen, die ich im Deutschen Bundestag bearbeite, haben durch die Corona-Pandemie immer mehr zugenommen", begründet Theurer im Gespräch mit unserer Zeitung. Das ist auch der Grund, warum er nun aus dem Kreistag aussteigt.

Diesen Antrag hat er bereits im November beim Landrat eingereicht, wie er nun verrät. Doch erst jetzt steht sein Ausscheiden auf der Tagesordnung. Warum es dann doch noch so lange gedauert hat? Theurer erklärt: "Zunächst war der Landrat in Kur. Er wollte aber selbst dabei sein, wenn die Verabschiedung ansteht." Danach habe die Corona-Lage immer wieder einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Die Entscheidung sei ihm nicht leicht gefallen. Doch die nackten Zahlen zeigen, dass Theurer im Jahr 2020 nur bei einer einzigen Sitzung anwesend war – "und da musste ich leider auch früher gehen, weil ich noch ein Interview mit dem ZDF hatte". Landrat Klaus Michael Rückert habe ihm aber mitgeteilt, dass er Theurers Ausscheiden trotzdem bedaure. "Er hat gesagt: ›Nicht nur im Gremium wird gearbeitet.‹"

Am 19. April werde er versuchen, bei seinem Abschied im Kreistag persönlich dabei zu sein. "›In der aktuellen Lage kann aber auch immer wieder etwas dazwischenkommen."

"Bodenhaftung zu haben, ist mir sehr wichtig"

Trotz seines politischen Engagements sei ihm die Arbeit in kommunalen Gremien immer wichtig gewesen, betont der frühere Horber Oberbürgermeister. Bis vor zwei Jahren war er auch noch Mitglied im Gemeinderat seiner Heimatstadt. "Die Bodenhaftung zu haben, ist mir sehr wichtig. Ein kommunales Amt erdet ungemein uns ist durchaus sinnvoll. Man bleibt damit verbunden mit den Sorgen und Nöten der Menschen vor Ort." Theurer betont aber: "Das bleibt weiterhin ein wichtiges Anliegen für mich. Ich werde mich auch weiter für meine Region einsetzen."

Nöte bekomme er derzeit viele mitgeteilt, erzählt Theurer. "Ich sorge mich sehr um mittelständische Unternehmen, die Hotellerie und Gastronomie und die Veranstaltungsbranche." Bei ihm würden sich auch viele Unternehmer direkt melden. "Vor allem die, die sich schwer tun mit den bürokratischen Hemmnissen. Die Regelungen sind unübersichtlich. Die Hilfsgelder kommen nicht."

Und da ist Theurer auch bei der aktuellen Tagespolitik angekommen, die ihn umtreibt. "Die bundesweite Notbremse ist ein Offenbarungseid von Bundesregierung und Ministerpräsidenten. Bundeskanzlerin Merkel will mit dem Kopf durch die Wand. Der Gesetzentwurf ist nun mit heißer Nadel gestrickt und soll im Parlament durchgepeitscht werden." Die FDP fordere zwar schon seit Längerem einheitliche Standards, doch Theurer kritisiert wiederholt die Fixierung auf die Inzidenz. Er fordert eine "infektiologische Intelligenz". Dynamische Faktoren wie Impf- und Testfortschritt müssten berücksichtigt werden. Die Ausgangssperre bewerte die FDP als verfassungswidrig. "Sie verschärft das Problem. Es ist lebensfremd. Wer verhindern will, dass es private Saufgelage gibt, soll die Außengastronomie öffnen."

Gegen Ausgangssperren

Theurer betont: "Das Robert-Koch-Institut sagt im Handel und Hotellerie ist das Ansteckungsrisiko gering, Gastronomie im Innenbereich unter Einhaltung der Hygieneregeln moderat. Aktuelle Studien stellen fest, dass es draußen überhaupt kein Risiko einer Ansteckung gibt. Wir sind ein freiheitliches Land. Da ist eine Ausgangssperre nicht mit vereinbar."

Wichtig ist Theurer auch die Betrachtung der lokalen und regionalen Geschehnisse: "Ein Modellprojekt mit Testungen muss weiterhin möglich sein. Eine Kreisinzidenz darf ein Projekt wie in Tübingen nicht zerstören." Es sei richtig, lokale Hotspots zu analysieren und zu bekämpfen. Das sei auch in Horb so gewesen. "Wir benötigen regionale Hotspot-Strategien. Es war richtig, an die Quelle der Infektion zu gehen. Die Cluster-Infektion im Kindergarten St. Leonhard konnte eingegrenzt werden. Entdeckt wurde sie, weil getestet wurde. Deshalb sind wir als FDP auch dafür, dass die Testmöglichkeiten weiter ausgebaut werden."

Auch die Debatte zur Testpflicht an Schulen und Kindergärten beschäftigt den FDP-Mann. Er plädiert für freiwillige Tests, da Kinder besonders schutzbedürftig seien. "Wenn nicht getestet wird, kann es aber sein, dass kein Präsenzunterricht möglich ist." Es gebe allerdings Beispiele von gelungenen pädagogischen Konzepten an Schulen, an denen die Bereitschaft zum Mitmachen besonders hoch ist. "Wir müssen die Themen Testen und Impfen entideologisieren. Ich habe das Gefühl, dass diese Debatten auch vom Impfdesaster ablenken sollen. Wir haben immer noch zu wenig Impfstoff."

Warten auf die eigene Impdung

Er sei fassungslos, dass der Biontech-Impfstoff zwar in Deutschland entwickelt wurde, aber andere Länder deutlich mehr Impfdosen zur Verfügung hätten. Zur eigenen Impfung sagt Theurer: "Ich warte drauf. Ich bin noch nicht dran. Wenn das der Fall ist, werde ich einen Impftermin machen."

Bei aller Kritik an der aktuellen Politik der Regierung betont der FDP-Landeschef: "Die Mutationen sind auf dem Vormarsch. Man darf das Coronavirus nicht verharmlosen."