Das Unwetter am 15. Mai 2009 richtete in Gechingen große Schäden an. Diese Autos wurden mitgerissen. Foto: Reinhold Gehring/Feuerwehr Gechingen

Naturkatastrophe setzt am 15. Mai 2009 Teile Gechingens unter Wasser. 300 Helfer im Einsatz.

Gechingen - Dieses Ereignis hat sich ins Gedächtnis der Gechinger eingebrannt: Auf den Tag genau vor zehn Jahren setzt ein verheerendes Unwetter Teile der Gäugemeinde komplett unter Wasser. In Sachen Hochwasserschutz ist bis heute nicht viel passiert.

Betroffene und Helfer müssen am Nachmittag des 15. Mai zusehen, wie Haus und Hof überschwemmt werden, wie das Wasser schwere Blumenkübel, Pflastersteine und Autos mitreißt. Ein Gefühl der Ohnmacht macht sich breit. Einen Tag nach dem heftigen Unwetter kommt im ganzen Ort das wahre Schadensausmaß zum Vorschein, nachdem alles abgepumpt ist: Vieles ist verschlammt und völlig unbrauchbar geworden.

Wehr kann nicht ausrücken

Eigentlich liegt der Schwerpunkt des 100-jährigen Hochwassers Mitte Mai 2009 in Althengstett. Von dort schießen die Wassermassen den Berg hinab in Richtung Gechingen. So wird beispielsweise die dortige Dorfäckerstraße zu einem reißenden Strom. Die heimische Feuerwehr, die dort ihr Magazin hat, kann zunächst nicht ausrücken. Kameraden aus dem gesamten Landkreis bis nach Nagold, Wildberg und Neubulach eilen an dem Katastrophentag zur Hilfe. Insgesamt sind rund 300 Feuerwehrleute im Einsatz.

Im Mai 2009 ist es nicht das erste Mal, dass Gechingen schlimme Erfahrungen mit Hochwasser machen muss. Fast genau ein Jahr zuvor, am 31. Mai 2008, gehen mehr als 30 Liter Regen pro Quadratmeter nieder. Im Bereich der Dachteler Straße werden damals zahlreiche Kellerräume überflutet. Ein Jahr später ist es aber besonders schlimm. "Land unter!" heißt es an diesem Spätnachmittag in allen vier Gäugemeinden, wobei es Gechingen am härtesten trifft. Teilweise stehen Keller- und Erdgeschosswohnungen bis unter die Decke unter Wasser. Die Bewohner müssen in Notunterkünfte gebracht werden.

Die Nachbargemeinde Simmozheim kommt glimpflich davon. In der Geißberghalle dringt Wasser durch das Dach ein. Zu Wasserschäden kommt es außerdem in der Schule und in einigen Wohnhäusern. Die Bundesstraße in Richtung Weil der Stadt steht innerhalb kürzester Zeit unter Wasser und muss zeitweise gesperrt werden.

Nicht nur die Überschwemmung wird vielen Gechingern im Gedächtnis bleiben, sondern auch, wie die Betroffenen sich untereinander geholfen haben und mit welch großer Tatkraft Helfer von Feuerwehr und THW agierten.

Große Solidarität

Die Schäden direkt vor den Augen und trotz zuweilen aufgekommener Existenzängste haben die Bewohner der Gäugemeinde große Solidarität an den Tag gelegt und ohne lange zu überlegen angepackt, wo es notwendig war. Die Gechinger rücken am 15. Mai und an den Tagen danach ein Stück weiter zusammen.

Das gute Zusammengehörigkeitsgefühl ist geblieben. Für viele aber auch die Frage, warum bis heute keine lokalen Hochwasserschutzmaßnahmen umgesetzt wurden. Jedes Mal, wenn sich dunkle Gewitterwolken über der Gäugemeinde auftürmen, es blitzt und donnert, schauen die Gechinger besorgt nach oben und erinnern sich sofort an das Jahrhunderthochwasser 2009. Warum sich die Schutzmaßnahmen ein ums andere Mal verzögern, erläutert Bürgermeister Jens Häußler (siehe weiterer Artikel auf dieser Seite).

Hochwasserschutz lässt auf sich warten

Natur- und Artenschutz, Statik, Baugrunduntersuchungen – erst wenn diese und weitere Arbeiten abgehakt sind, kann die Entwurfsplanung für lokale Hochwasserschutzmaßnahmen in Gechingen im dortigen Gemeinderat behandelt werden. Bis entsprechende Entwürfe auf dem Papier umgesetzt sind, kann es noch Jahre dauern. Bürgermeister Jens Häußler erläutert auf Anfrage des Schwarzwälder Boten den Stand der Dinge.

Weit über zwei Jahre zurückgeworfen

Die Entwurfsplanung sei sowohl für das Hochwasserrückhaltebecken als auch für die lokalen Hochwasserschutzmaßnahmen beim Ingenieurbüro noch in Bearbeitung. Am Freitag vergangener Woche habe es ein Gespräch zwischen Regierungspräsidium, zwei weiteren Mitarbeitern des Ingenieurbüros, Ortsbaumeister Heinz Braun und ihm gegeben. "Nach Aussagen des Ingenieurbüros sind die Pläne für das Hochwasserrückhaltebecken (HRB) so gut wie fertig. Bezüglich des vom Landratsamt mit Bestätigung des Regierungspräsidiums Karlsruhe geforderten Regenwasserkanals wurden verschiedene Themen erörtert", berichtet der Gechinger Verwaltungschef. Und weiter: "Rückblickend hat uns dieser geforderte Kanal weit über zwei Jahre Zeit gekostet. Nach den Vorstellungen der Gemeinde soll dieser Regenwasserkanal nach dem HRB gebaut werden. Vom Wasserrechtsverfahren und vom Zuschuss her handelt es sich jedoch um eine Einheit gemeinsam mit dem HRB."

Aktuell laufe eine Bestandsvermessung bezüglich des Regenwasserkanals. "Wenn diese fertiggestellt und ausgewertet ist, sind Gespräche mit den betroffenen privaten Grundstückseigentümern geplant", sagt Häußler.

Anlässlich der Kanalplanung sei auch die Gestaltung des Fleckenparkplatzes thematisiert worden. Ortsbaumeister Heinz Braun habe auf die sehr alte Wasserleitung im Bereich der Hauptstraße und die schlechte Oberfläche in der Kirchstraße hingewiesen. Die Themen müssten planerisch bearbeitet und sinnvolle Abschnitte gebildet werden.

Aufweitungen/Querungen der Gewässer geplant

Bei den lokalen Maßnahmen seien Aufweitungen/Querungen der Gewässer geplant. Dadurch komme es zur Vergrößerung von Durchlässen. Das Ingenieurbüro hat laut Häußler darauf hingewiesen, dass ein Statiker eingeschaltet werden muss. Vorgesehen sei, dass der Gemeinderat in seiner nächsten Sitzung am 21. Mai die Planungsleistungen für die Tragwerksplanung vergibt.

Demnächst müsse im Bereich Feuersee/Brunnenstraße die Planung zwischen dem Ingenieurbüro und dem Städteplaner sowie der Gemeindeverwaltung abgestimmt werden. Beim genannten Gespräch am 10. Mai habe das Ingenieurbüro der Gemeindeverwaltung Pläne bezüglich der lokalen Maßnahmen übergeben, was aber noch nicht der vollständigen Entwurfsplanung entspreche.

"Wenn alle Arbeiten vom Ingenieurbüro und anderen Büros wie Statik, Natur- und Artenschutz, Baugrunduntersuchungen erledigt sind, kann die Entwurfsplanung im Gemeinderat behandelt werden", erläutert Häußler. Sechs Gemeinderäte würden nicht mehr kandidieren, das heiße, die Zusammensetzung des Gremiums werde sich erheblich verändern. "Im Hinblick darauf ist vorgesehen, dass der neu gewählte Gemeinderat zunächst eine Grundinformation erhält, bevor die Entwurfsbilligung beschlossen werden soll."

"Nach derzeitiger Einschätzung des Ingenieurbüros können die lokalen Maßnahmen im vierten Quartal 2019 im Gemeinderat behandelt werden", gab Häußler als weiteren Zeitplan an. Obwohl die Pläne für das HRB so gut wie fertig seien, könne dieser Teil erst 2020 auf die Tagesordnung des Gemeinderats gesetzt werden: "Dies liegt daran, dass es sich um ein Gesamtpaket aus HRB und Regenwasserkanal handelt. Wie später die bauliche Umsetzung in Teilabschnitten erfolgt, ist ein anderes Thema. Wichtig ist, dass jetzt alles erarbeitet wird, was wir für das HRB und die lokalen Maßnahmen benötigen". Alles, was zusätzlich angepackt werden solle, müsse separat laufen. So könne der Regenwasserkanal im Bereich Fleckenparkplatz und Kirchstraße nicht zeitgleich baulich umgesetzt werden.