Beispiel für ein Hochrisikospiel: Polizeibeamte beim Baden-Württemberg-Derby zwischen dem VfB Stuttgart und dem Karlsruher SC im April dieses Jahres. Foto: Lichtgut - Oliver Willikonsky

Sollen Fußballclubs für überdurchschnittliche Polizeieinsätze rund ums Stadion zahlen? Die SPD im baden-württembergischen Landtag hält das für geboten und hat zuletzt einen neuen Vorstoß unternommen. Experten raten davon allerdings ab – insbesondere wegen verfassungsrechtlicher Bedenken.

Stuttgart - Die Kommunen, die Deutsche Fußball Liga (DFL), die drei baden-württembergischen Fußballverbände und die Fan-Interessengemeinschaft „Unsere Kurve“ lehnen die Pläne der SPD ab, wonach Fußballvereine aus dem Südwesten bei sogenannten Hochrisikospielen für Polizeieinsätze zahlen sollen. Für die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) sind im Entwurf der gebührenrechtlichen Regelung noch viele Fragen ungeklärt. Das ist das Ergebnis einer schriftlichen Anhörung.

Die SPD-Landtagsfraktion hatte Ende September einen Gesetzentwurf in den Landtag eingebracht, wonach alle Veranstalter von größeren kommerziellen Events mit mehr als 5000 Besuchern bei überdurchschnittlichen Polizeieinsätzen wegen zu erwartender Gewalt zahlen müssen.

Die Sozialdemokraten hatten dabei vor allem die Fußballclubs mit Begegnungen im Blick, bei denen die Polizei aufgrund von Erfahrungswerten und aktuellen Erkenntnissen Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Fangruppen für wahrscheinlich hält und entsprechend viele Beamte einsetzt. Drohen Gebührenbescheide, so die Hoffnung von SPD-Fraktionsvize Sascha Binder, gehen Vereine entschlossener gegen Straftäter unter ihren Fans vor und sorgen so für mehr Sicherheit im Stadion.

DFL hält Vorschlag für rechtlich nicht haltbar

Die DFL hält nichts von dem Vorschlag. Man halte ihn weder für in der Sache zielführend noch für rechtlich haltbar. Zudem würden die gesellschaftspolitische Bedeutung des Fußballs und das in den vergangenen Jahren gestiegene Engagement der Vereine für mehr Sicherheit „völlig außer Acht gelassen“, heißt es beim Ligaverband. Auch Frank Thumm, Leiter der Rechtsabteilung beim Württembergischen Fußballverband, spricht sich in einer mit seinen badischen und südbadischen Kollegen abgestimmten Stellungnahme gegen Gebührenbescheide aus. Es überzeuge nicht, dass durch eine Änderung des Landesgebührengesetzes eine Verbesserung der Sicherheitslage bei gleichzeitiger Entlastung der Polizei erreicht werden könne, schreibt Thumm. Die Gefahrenabwehr im öffentlichen Raum sei außerdem staatliche Aufgabe.

Das sieht auch die Interessengemeinschaft „Unsere Kurve“ so. „Um die Hoheit über staatliche Maßnahmen zu garantieren, muss eine solche direkte finanzielle Beteiligung ausgeschlossen werden“, betont die Fanorganisation. Der Gemeindetag hat derweil verfassungsrechtliche Bedenken, wenn der Staat einerseits Veranstalter von gewinnorientierten Events bezahlen lässt, andererseits bei vergleichbar aufwendigen Einsätzen – etwa bei Demonstrationen – mangels finanzkräftigen Veranstalters selbst für die Kosten aufkommt.

Innenminister Strobl setzt auf lokale Stadionallianzen

Innenminister Thomas Strobl (CDU) fühlt sich durch die Ergebnisse der Anhörung in seiner Haltung bestätigt. Im Juli dieses Jahres hatte er nach einem Sicherheitsgipfel sogenannte lokale Stadionallianzen gegründet, was eine noch engere Abstimmung zwischen Polizei, Kommunen, Vereinen und Sozialarbeitern der vereinsunabhängigen Fanprojekte als bisher sowie eine gemeinsame Risikoeinschätzung vor Heimspielen meint. Man wolle nicht Kasse machen, sondern die Sicherheit erhöhen, sagte Strobl damals. Jetzt wiederholte er seine Linie. „Unser Weg sind die lokalen Stadionallianzen“, sagte der Ressortchef unserer Zeitung, „wir reichen die Hand, um das Problem gemeinsam zu lösen.“ Würden die gemeinsam formulierten roten Linien überschritten, gebe es konsequent Sanktionen. Kein Täter könne sich sicher fühlen, nicht erwischt zu werden. Man beseitige die Ursachen von gewalttätigen Auseinandersetzungen, das entlaste auch die Polizei, sagte der Innenminister.

Zu den Vorstellungen der SPD seien die Rückmeldungen alles in allem sehr deutlich, „und zwar sehr deutlich ablehnend“, sagte Strobl. Er kritisierte, dass es der SPD anscheinend in erster Linie ums Abkassieren gehe. Das helfe der ohnehin schon stark belasteten Polizei „keinen Deut weiter“.

Meldeauflagen als Standardmaßnahme?

Auch eine neue gesetzliche Grundlage für Meldeauflagen zu schaffen – ein weiterer Vorschlag der SPD –, um bekannte Gewalttäter unter den Fans an Spieltagen vom Stadion fernzuhalten und so die Sicherheit rund um Fußballspiele zu erhöhen, findet nur bei der DPolG Zustimmung. Man halte es für sinnvoll, so die Polizeigewerkschafter. Die Fußballverbände argumentieren unterdessen, die sogenannte Generalklausel biete bereits eine hinreichende Rechtsgrundlage.

Der Gemeindetag verweist darüber hinaus auf ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg aus diesem Jahr, in dem eine Meldeauflage wie die geplante als rechtswidrig eingestuft wird. Der Betroffene werde dadurch zwar vom Spielort ferngehalten, für die Geltungsdauer der Auflage sei er jedoch an seinen Wohnort gebunden und deshalb mehr als notwendig einschränkt, so die Richter. Ein milderes Mittel sei eine Meldeauflage, sich „an irgendeiner anderen Polizeidienststelle außerhalb des Spielorts“ zu melden.

Der Gemeindetag hält das polizeirechtliche Instrument des Aufenthaltsverbots für genauso zweckdienlich. Tauche ein Betroffener in einem für ihn verbotenen Bereich auf, könne er in Gewahrsam genommen werden. Sonst sei es ihm aber möglich, sich frei zu bewegen.