Halbfinale: Held im Spiel gegen Holland: Sergio Romero stellt Messi mit seinen Paraden in den Schatten.

Lionel Messi sehnte schon bei der Dopingkontrolle den Endspiel-Showdown gegen Deutschland herbei. Nach dem 2:4 Sieg gegen die Holländer geht dieser Traum in Erfüllung, jedoch ist der Repekt vor dem Gegner immens.

Lange nachdem sich der tief frustrierte Bayern-Profi Arjen Robben rührend um seinen weinenden Sohn gekümmert hatte, entschwand Argentiniens Superstar wortlos aus der Arena von São Paulo. Nur auf seiner Facebook-Seite verkündete der viermalige Weltfußballer seine Freude über den historischen Einzug in sein erstes WM-Endspiel: "Wir sind im Finale!! Was für ein Wahnsinn. Was für ein heldenhaftes Spiel", schrieb Messi.

Um die Gefühlslage der Argentinier zu beschreiben, brauchte am Mittwochabend allerdings auch niemand ein Gespräch mit dem 27-Jährigen. In der Hauptstadt Buenos Aires bot nicht einmal die 140 Meter breite "Avenida 9 de Julio" genug Platz für die Zehntausenden von feiernden Fans. "Ich bin sehr glücklich – und das aus mehreren Gründen", sagte Trainer Alejandro Sabella. "Ich freue mich für meine Spieler, diese fantastische Gruppe. Dann natürlich für das argentinische Volk, das jetzt auf den Straßen feiert."

Um Messis Gefühlslage nachzuvollziehen, reicht ein kurzer Blick in die argentinische Fußball-Geschichte. Die wurde vor allem von Diego Maradona geprägt, der 1986 ein WM-Endspiel gegen Deutschland gewann (3:2) und 1990 in Rom ein weiteres verlor (0:1). Seitdem muss sich jede Generation an Maradonas Erfolgen messen lassen – sogar und vor allem Messi. "Ich würde alle meine persönlichen Rekorde hergeben, um Weltmeister zu werden", sagte er. Jetzt hat er endlich die Chance.

Obwohl sich die Argentinier bei der WM in Brasilien von Spiel zu Spiel gesteigert haben, ist der Respekt vor dem Endspiel-Gegner immens. "Das wird extrem schwer. Wir haben einen Tag weniger zur Vorbereitung und dann auch noch eine Verlängerung sowie ein Elfmeterschießen in den Knochen", klagte Sabella.

Vor dem WM-Klassiker tauchte Sabella ganz tief in die Geschichte des Fußballs aus Alemania ein. "Beckenbauer, Netzer, Schuster, Matthäus: Immer wenn deutsche Mannschaften die Chance haben, Geschichte zu schreiben, haben sie Spieler mit einem fast schon südamerikanischen Touch im Team." Jetzt kämen sogar noch Spieler wie Khedira oder Özil hinzu. "Seitdem sie auch noch die Kinder ihrer Einwanderer einsetzen, sind die Deutschen noch stärker geworden", meinte Sabella.

Direkt nach dem dramatischen Schlusspunkt eines taktisch geprägten Halbfinals stürzten sich die Spieler in Blau-Weiß auf den argentinischen Helden. Mitten in der Jubeltraube feierte Messi – und eben Sergio Romero, der Ersatztorwart des AS Monaco. Beide hatten für einen Abend die Rollen getauscht. "Ich hatte keinen Zettel. Das war Intuition", sagte der 27 Jahre alte Keeper über seine beiden gehaltenen Schüsse von Ron Vlaar und Wesley Sneijder. Es war diesmal kein Tor und auch keine geniale Vorarbeit von Messi, sondern die Paraden ihres eigentlich als Schwachpunkt ausgemachten Torwarts.

Was Sabellas Team angeht, scheiden sich bei dieser WM die Geister. Belgiens Trainer Marc Wilmots sagte: "Das ist eine gewöhnliche Mannschaft." Allerdings hat sich diese Mannschaft von Spiel zu Spiel gesteigert. Sie lässt sich kaum aus der Ruhe bringen und ist trotz bestenfalls zur Hälfte veränderter Besetzung deutlich besser organisiert als beim 0:4-Debakel gegen Deutschland bei der WM 2010. "Wir spielen mit unserem Herzen und unserer Seele – aber auch mit viel taktischer Intelligenz", sagte Javier Mascherano.

Der Barça-Profi ist der Chef im Mittelfeld und der heimliche Kapitän dieses Teams. Er war sogar schon 2006 bei der anderen schmerzhaften Viertelfinal-Niederlage gegen Deutschland dabei. Die Erfahrung von Mascherano, die beiden gehaltenen Elfmeter von Torwart Sergio Romero im Halbfinale, die erhoffte Rückkehr des verletzten Angel di Maria zum Endspiel: All das zeigt, dass diese Argentinier mehr sind als nur Messi plus zehn Andere.

Ob er jetzt heiß sei auf eine Revanche gegen Deutschland, wurde Mascherano dann noch gefragt. Er sagte nur: "Das ist keine Revanche für uns. Nur eine vielleicht einzigartige Chance."