So hatte sich Pascal Reinhardt sein Comeback ganz sicher nicht vorgestellt. Nach fünf Minuten war es schon wieder zu Ende – und das Kreuzband des 26-Jährigen wieder gerissen

Er wird eingewechselt, schießt das entscheidende Tor. Unendlicher Jubel. Ungefähr so hatte sich Pascal Reinhardt sein Comeback am vergangenen Samstag immer wieder bildlich vorgestellt. Es wäre die Geschichte für ein Drehbuch gewesen. Doch das wurde in Wirklichkeit zum Horrorfilm. Acht Monate lang hatte der 26-Jährige für sein Comeback nach dem Kreuzbandriss im September geschuftet. Das dauerte gerade einmal fünf Minuten. Dann war das Kreuzband wieder gerissen.

Pascal Reinhardt, die im Moment wichtigste Frage ist: Wie geht es Ihnen?

Ich bin inzwischen ziemlich gefasst. Aber am Samstag ging es mir auf gut Deutsch gesagt richtig beschissen. Da ist für mich die Welt zusammengebrochen.

Erzählen Sie doch mal, wie es aus Ihrer Sicht zur Verletzung gekommen ist.

Ich hatte den ganzen Tag über das Gefühl, dass wenn ich reinkomme, dann passiert was, dann geht ein Ruck durch die Mannschaft und wir gewinnen das Spiel. Ich habe die Lücken gesehen, die Luka (Kravoscanec Anm. d. Red.), der ein überragendes Spiel gemacht hat, gerissen hat. Dann dachte ich, wenn ich reinkomme, gibt es der Mannschaft einen Push und wir machen noch das entscheidende Tor. Dann bekomme ich den Ball von Marco Quiskamp am Sechzehner. Ich dachte, das ist mein Moment, wollte sofort abschließen. Dann habe ich gesehen, dass ein Gegner kommt, gehe nach rechts. Vorbei am ersten, vorbei am zweiten und der dritte versucht, den Körper vor mich zu stellen. Ich mache einen Schritt nach rechts, habe das ganze Körpergewicht auf dem rechten Fuß. Dann knicke ich irgendwie weg. Ich habe sofort gespürt und gehört, dass da wieder was kaputt gegangen ist.

Sie haben also keinen Kontakt von Ihrem Gegenspieler bekommen?

Manche sagen, es gab einen Schlag auf das Knie. Ich habe es nicht so empfunden. Der Gegenspieler war natürlich da und im Zweikampf an mir dran. Aber es war nicht so, dass ich einen Schlag in die Kniekehle oder so bekommen hätte. Letztendlich ist es ja aber egal, wie es zustande gekommen ist.

Es war also nicht so, dass Sie das Gefühl hatten, von den Gegenspielern besonders hart rangekommen zu werden? Jeder wusste ja, dass es Ihr erstes Spiel nach der schweren Verletzung war.

Ich glaube nicht, dass das Absicht von meinem Gegenspieler war, definitiv nicht. Da möchte ich keinem etwas Böses unterstellen. Ein Spieler des FC Wangen hat mir dann auf deren Heimfahrt geschrieben und im Namen der ganzen Mannschaft gute Besserung gewünscht. Das war eine schöne Aktion.

Solche Nachrichten haben Sie in Ihrem Leben sicher schon oft bekommen.

(lacht) Viel zu viele, auf jeden Fall. Es gibt dafür zwar nicht die richtigen Worte, die man finden könnte, aber es ist immer wieder schön, wenn sich frühere Weggefährten, die heute in der Bundesliga spielen, mein Kumpel Loris Karius, oder auch Weggefährten wie Benni Maier oder Trainer wie Sven Hayer melden. Es tut gut, zu wissen, dass sie an einen denken und einem gute Besserung wünschen. Ich weiß, dass meine Familie, Freunde und Freundin hinter mir stehen. Die sind wirklich immer für mich da. Ohne die würde ich es wahrscheinlich nicht durchstehen.

War das Risiko am Samstag zu spielen, zu hoch?

Natürlich war ein Risiko da. Das wäre es aber auch noch in zwei bis drei Monaten gewesen. Wir haben davor unterschiedliche Tests gemacht, die waren alle positiv und ich habe mich gut gefühlt. Die Verletzung ist dann auch bei einer Bewegung passiert, die ich davor schon zigmal im Training gemacht hatte.

Ihr Trainer Armin Redzepagic hat gesagt, dass er lange überlegt hatte, ob er Sie einwechselt oder nicht. Er macht sich große Vorwürfe.

Das ist mir ganz wichtig: Ich habe für mich selbst die Entscheidung getroffen, zu spielen. Ich wurde dazu nicht überredet und schon gar nicht gezwungen. Jeder ist gerade der oberschlaue Arzt, der alles besser weiß und mir sagt, dass ich es hätte lassen sollen. Es reicht, dass sich Armin Vorwürfe macht. Die müssen ihm nicht auch noch andere machen. Ich habe es auch so zu ihm und der Mannschaft gesagt, dass sie keine Schuld trifft.

Wer Sie kennt, weiß auch, dass Sie richtig heiß darauf waren, wieder zu spielen.

Es war die Hölle für mich, acht Monate zuzuschauen. Jedes Mal, wenn ich zum Zuschauen da war, hat es in meinen Beinen gekitzelt. Dann wurde ich die ganze Zeit gefragt, wie lange es denn noch dauert, bis ich wieder fit bin. Ich wollte der Mannschaft unbedingt helfen.

Im Training waren Sie wieder voll belastbar?

Ich habe am Dienstag noch beim Vier-gegen-Vier mitgemacht, sogar auf dem Kunstrasen, auf dem das Verletzungsrisiko noch ein bisschen höher ist. Da konnte man den Zweikämpfen gar nicht aus dem Weg gehen und ich habe überragend trainiert. Das haben mir auch der Trainer und das Team bestätigt, gesagt, dass ich wieder ganz der Alte bin. Danach habe ich mich richtig gut gefühlt.

Wie geht es jetzt weiter, wollen Sie wieder angreifen oder haben Sie jetzt langsam die Schnauze voll vom Fußball?

Als ich jetzt verletzt war, also beim ersten Kreuzbandriss, habe ich gesagt, dass ich mit Fußball aufhöre, wenn nochmal was passiert. Der festen Überzeugung war ich – damals. Ich war schon mal ein ganzes Jahr wegen einer Verletzung am Sprunggelenk ausgefallen, dann schon wieder die Reha, in der ich echt hart gearbeitet habe, um wieder zurückzukommen. Und jetzt würde es wieder mindestens ein Jahr dauern, bis ich wieder zurückkommen könnte. Aber ich bin einfach Fußballer durch und durch. Deshalb sage ich jetzt, dass es mein Anspruch ist, wieder zurückzukommen. Das möchte ich jetzt im Moment auf jeden Fall. Ich habe auch schon mit den Abteilungsleitern Uli Hamann und Udo Jungebloed gesprochen und gesagt, dass ich mich auf jeden Fall weiter einbringe. Wir überlegen gemeinsam, wie wir meinen Ausfall kompensieren können. Auch wenn das nahezu unmöglich ist (lacht).

Sie sprechen es an. Die Geschichte mit den Verletzungen ist die Geschichte Ihres Lebens...

Ich bin jetzt 26 und es ist meine elfte schwere Verletzung. Meine Narben sind zu meinem Markenzeichen geworden. Das Komische ist, dass ich eigentlich nie typische Fußballverletzungen hatte. Ich hatte zum Beispiel vor meinem Kreuzbandriss immer betont, dass ich ja noch keine Knieverletzung hatte. Das ist jetzt seit September jedoch Geschichte. Ich hatte mir das natürlich auch anders vorgestellt, egal ob in München, in Mainz oder jetzt.

Welche Verletzung war denn rückblickend die schlimmste?

Der erste Kreuzbandriss war richtig übel, weil da auch noch das Innenband am Knochen abgerissen war. Dann die Verletzung am Sprunggelenk, die ich damals in Mainz hatte. Da war ich zwölf Monate komplett raus und wurde zweimal operiert. Damals war es auch so, dass die Schmerzen immer wieder gekommen und gegangen sind und man nicht wusste, wie es weitergeht. Jetzt ist relativ klar, das Kreuzband und der Meniskus sind kaputt.

In Mainz hat dann sicher auch die Gewissheit mit reingespielt, dass es jetzt mit der Profi-Karriere vorbei ist.

Ich war bei einem Knorpelspezialisten in Heidelberg und das erste, was er zu mir gesagt hat, war, ob ich denn überhaupt eine Ausbildung hätte. Da stand es eine Zeit lang auf Messers Schneide, ob ich überhaupt wieder Fußball spielen kann. Aber ich habe mich zurückgekämpft, auch wenn es lange Zeit nicht so gut ging wie zuvor. Dann war ich zuletzt wieder richtig gut drauf und dann kam der Kreuzbandriss.

Wie oft haben Sie sich in Ihrem Leben bereits die Frage nach dem "Warum" gestellt?

Warum ich, warum jetzt, warum genau in dem Moment. Diese Fragen habe ich mir ständig gestellt. Ich denke mittlerweile, dass alles vielleicht aus einem bestimmten Grund passiert, und neue Türen für einen aufgehen. Es bringt nämlich nichts, darüber nachzudenken, was gewesen wäre, wenn. Das zieht einen nur runter.

Für Sie ging zum Beispiel die Tür auf, in Nagold eine Ausbildung zu machen. Wie sah der Plan aus? Nach der Ausbildung nochmal versuchen, im Profi-Fußball anzugreifen?

Ursprünglich war der Plan natürlich, in München oder Mainz Profi zu werden. Danach habe ich mich für diesen Weg entschieden. Ich hatte auf jeden Fall vor, in der nächsten Saison mit dem VfL Nagold in der Verbandsliga zu kicken, ich habe ja noch Vertrag bis nächstes Jahr im Sommer. Ich hatte nach der letzten Saison auch ein Angebot aus der Oberliga, habe aber gesagt, dass ich lieber in Nagold bleibe. Jetzt ist mein einziger Plan, wieder gesund zu werden und zu bleiben.

Am Freitag steht bereits die Operation an.

Da muss ich mich natürlich bei unserem Mannschaftsarzt Dr. Markus Mutz bedanken. Das war mein Wunsch, dass es so schnell geht wie möglich. Man hört ja immer wieder davon, dass viele nach einem Kreuzbandriss noch ganz normal weiterlaufen können. Ich kann aber nicht einmal auftreten, weil mein Knie so instabil ist. Das fühlt sich an wie Wackelpudding.   Die Fragen stellte Kevin Schuon.