Eine zweite Leidenschaft neben dem Fußball: Richard Armbruster und die Rosen vor seinem Haus in Bondorf. Foto: Geideck Foto: Schwarzwälder-Bote

Fußball: Der Bezirksvorsitzende Richard Armbruster kritisert im Sommer-Interview die Entwicklung des Profifußballs

Es rumort an der Basis des deutschen Fußballs: Immer lauter wird die Kritik der Amateure, von den Profis – etwa durch die steigende Zahl an Sonntagsspielen in der Bundesliga – nicht mehr gehört zu werden. Rege diskutiert wird darüber auch im Kreis Calw, wo vor Kurzem WFV-Präsident Matthias Schöck beim Vereinsdialog in Vollmaringen Stellung bezog. Seine Gedanken macht sich auch Richard Armbruster. Im Sommer-Interview mit dem Schwarzwälder Boten sagt der 69-jährige Bondorfer, der seit 18 Jahren Vorsitzender des Fußball-Bezirks Böblingen/Calw ist und zuvor als Schiedsrichter im Profibereich aktiv war, was er von dieser Entwicklung hält, wie er den Fußball im Kreis Calw einschätzt und ob er sich 2018 noch einmal zur Wiederwahl stellt.

Herr Armbruster, wem gehört eigentlich der Sonntag? Den Profis oder den Amateuren?

Eigentlich den Amateuren. Aber: Ich war ja beim DFB, als er die Bezirksvorsitzenden aus allen Landesverbänden eingeladen hat, und da hat einer aus Hessen vehement gegen die Ansetzung von Sonntagsspielen im bezahlten Fußball geklagt. Ergebnis: keine Chance.

Warum nicht?

Das Problem ist das Fernsehen. Das möchte einfach zu diesen Zeiten ein Spiel live bringen. Und die Fernsehgelder steigen ja eminent. An denen kommt man nicht vorbei, auch weil die DFL (der Zusammenschluss der deutschen Profivereine und Veranstalter der 1. und 2. Bundesliga, Anm. d. Red.) am längeren Hebel gegenüber dem DFB sitzt.

In der kommenden Saison steigt die Zahl der Sonntagsspiele in der Bundesliga noch einmal. Bereitet Ihnen das Sorge?

Speziell für uns im Bezirk war in der abgelaufenen Saison der Abstieg des VfB Stuttgart in die 2. Bundesliga sehr negativ, weil er dadurch viele Sonntagsspiele hatte. Ich hoffe, dass der VfB jetzt weniger Sonntagsspiele hat. Wir haben am Schluss der Saison gemerkt, als es für den VfB um den Aufstieg ging, dass manchen von unseren Vereinen ihre eigene Liga egal war. Emmingen hat sogar einfach verzichtet. Die sind nicht angetreten und stattdessen nach Stuttgart gefahren. Walddorf hat auch ein Spiel ausfallen lassen. So etwas hat es noch nie gegeben.

Hat sich der Profifußball zu weit vom Amateurfußball entfernt?

Die Schere geht immer weiter auseinander. Man sieht es am Präsidenten der Spvgg Unterhaching (Ex-Profi Manfred Schwabl, Anm. d. Red.), die ja jetzt auch wieder durch den Aufstieg im bezahlten Fußball angekommen ist. Der tut sich damit sehr schwer, aber das ist ein Kampf gegen Windmühlen. Doch die Profis brauchen die Amateure, denn aus diesem Bereich kommt ja der Nachwuchs. Aufgrund der TV-Gelder, die da fließen, schauen die Profis aber nur nach ihren eigenen Schäfchen, dass die im Trockenen sind.

Kürzlich war WFV-Präsident Matthias Schöck in Vollmaringen zu Gast, um mit den Vereinen auch über dieses Thema zu sprechen. Wie kann denn der württembergische Verband da einwirken?

Der Verband kann bei den Deligiertenversammlungen des DFB dagegenstimmen. Letztendlich ist die DFL aber unabhängig. Ich muss noch einmal auf meinen hessischen Kollegen zurückkommen, der hat da eine unglaubliche Brandrede gehalten. Dann kam das Argument: Gut, dann machen wir es wie in Spanien oder England und fragen die Amateure überhaupt nichts mehr. Und das wollen wir auch nicht.

Was kann denn der Bezirk machen?

Der Bezirk ist das kleinste Licht.

Also nichts?

Das wird alles von oben vorgegeben. Wenn ich mir jetzt mal den Präsidenten von Unterhaching anschaue: Der kämpft da im Bayrischen Fußballverband, aber der wird von seinem eigenen Landesverband ausgebremst. Letztendlich steht oben der DFB und streut hinunter auf seine Landesverbände. Und was macht der Landesverband, der sich ausklinkt? Bekommt er nicht mehr so viel Zuschuss? Es gibt ja Zuschüsse vom DFB, von denen man auch sagen muss: Es könnte mehr sein. Es fließen einfach nicht mehr so die Gelder in den Amateurbereich. Das Problem ist, dass sich alles dermaßen gewandelt hat. Die Abteilungsleiter bekommen die Spieler am Spieltag gar nicht mehr auf den Platz, weil die andere Interessen haben.

Zum Beispiel?

Wenn der bezahlte Fußball in der Nähe ist wie bei uns der VfB Stuttgart, dann rennen die Spieler dorthin. Dann kann der Abteilungsleiter morgens zwar sagen, dass wir heute Mittag spielen. Aber dann sagt der Spieler mittags: Ich mache einen Ausflug Richtung Stuttgart.

Wäre eine Möglichkeit, die Anstoßzeiten im Amateurfußball radikal zu verändern, um sich nicht mit den Profis in die Quere zu kommen?

Ich bin mittlerweile seit 18 Jahren Vorsitzender des Bezirks und in der Zeit hat sich vieles verändert. Früher hieß es: Anstoß am Sonntag um 15 Uhr, Reserve um 13 Uhr. Das war unumstößlich. Heute ist es so: Wenn die Vereine sich einig werden, dann können die am Samstag spielen, dann können die sogar am Freitag spielen. Es muss halt immer der Gegner einverstanden sein. Früher hat der Staffelleiter gesagt: Ich verlege nicht, fertig, aus. Heute ist das viel flexibler.

Ein anderes Thema, das derzeit heiß diskutiert wird, sind die Vorschläge für Regeländerungen. Wie würden Sie es finden, wenn künftig nur noch zweimal 30 Minuten gespielt wird?

Ich habe mal, als ich im Stadion war, einfach interessehalber die Zeit selber mitgestoppt. Vom Pfiff des Schiedsrichters bis zur Ausführung des Freistoßes vergingen da einmal fast vier Minuten. Wir müssen davon abkommen, dass bei jeder Entscheidung des Schiedsrichters so ein Palaver entsteht. Einwurf war früher an der Stelle, an der der Ball ins Aus ging. Darauf wurde penibel geachtet. Heute rennt der Spieler einfach zehn Meter weiter und bekommt dadurch vielleicht noch einen Vorteil. Wir müssen wieder dahinkommen, dass das alles eingehalten wird.

Also sind die Vorschläge gut?

Ich möchte mal das Beispiel mit der Spraydose nennen: Der Schiedsrichter zieht eine Linie 20 Zentimeter vor der Strafraumgrenze. Da hätte ich gesagt: Die Strafraumgrenze ist die Markierung, zurück auf die Linie. Dann geht die Ausführung des Freistoßes auch wieder schneller, ohne dass der Schiedsrichter da herumpinseln muss. Immer, wenn man mehr hereinpackt, verzögert das auf der anderen Seite das Spiel. Wer müssen dahinkommen, dass das Spiel wieder zügig durchgeführt wird.

Sollten die Schiedsrichter strenger werden?

Ja. Vor allem muss diese ganze Herumdiskutiererei aufhören, wenn ein Schiedsrichter eine Entscheidung fällt. Das sollte wie im Handball sein: Nach einem Pfiff wird der Ball sofort auf den Boden gelegt und fertig.

Weg von der großen Fußballbühne, hin zum Bezirk Böblingen/Calw: Der VfL Nagold hat den direkten Wiederaufstieg in die Verbandsliga verpasst. Was bedeutet das für den Fußball im Kreis Calw?

Ich sage das mal aus der Sicht des gesamten Bezirks: Mit dem VfL Sindelfingen haben wir nur noch einen Verbandsligisten. Mit Nagold und Böblingen hatten wir mal drei. Das ist schade, weil der Bezirk mit drei Verbandsligisten natürlich nach oben bekannter wird. Für die Vereine hat das den Vorteil, dass dann auch Verbandsligaspiele im Bezirk stattfinden und die Fahrtstrecken dadurch kürzer sind. Der VfL Sindelfingen, der als einziger die Fahne noch hochhält, fährt bei seinen Auswärtsspielen ja jetzt an Böblingen und Nagold vorbei. Auch das Zuschauerinteresse hat nachgelassen, das muss man klipp und klar so sagen.

Nur in der Verbandsliga oder allgemein?

Allgemein. Wenn ich jetzt mal die Relegationsspiele nehme, die im Bezirk stattgefunden haben, da waren im Schnitt 500 Zuschauer. Da verstehe ich nicht, dass auf der anderen Seite die normalen Meisterschaftsspiele, bei denen es ja auch um etwas geht, nicht mehr besucht werden. Ein Unterschied wie Tag und Nacht. Ich weiß nicht, woran das liegt.

Während der VfL Nagold zwar den Wiederaufstieg verpasst hat, holt der Kreis Calw an anderer Stelle auf: In der Saison 2017/18 kommen sechs von 15 Bezirksligisten aus dem Kreis Calw. Ein Wandel?

Wenn Möttlingen den Aufstieg geschafft hätte, wären es sogar sieben Bezirksligisten gewesen. Ich meine, die Calwer Vereine haben fußballerisch einfach aufgeholt. Man sieht das ja auch an der SG Neuweiler/Oberkollwangen, die aufgestiegen ist und im Pokalfinale war. Die haben das Finale gegen Bondorf zwar verloren, aber es war ein Spiel auf Augenhöhe. Da hat man nicht gewusst, welche Mannschaft in der höheren Liga spielt.

Landauf, landab steigt die Zahl der Spielgemeinschaften, vor allem im Nachwuchsbereich. Ist das ein geeignetes Mittel, um dem demografischen Wandel entgegenzuwirken?

Ich sage mal: Im Jugendbereich ist es auch viel Bequemlichkeit. Erstens fehlen qualifizierte Trainer und auch Betreuer. Keiner ist mehr bereit, ein Ehrenamt zu übernehmen. Das ist das große Manko, und dann nimmt man halt den Strohhalm und gründet eine Spielgemeinschaft. Wenn sich der abgebende Verein dann aber ganz zurückzieht, ist das nicht im Sinne des Erfinders, weil der muss die Verantwortung mittragen. Er will ja seine Spieler zurück, wenn sie aus der Jugend kommen. Bloß das ist das große Dilemma: Diesen Kreis hat man immer größer gemacht. Heute braucht man teilweise fünf Vereine, um überhaupt noch eine Mannschaft zusammenzubringen. Das ist der Sache abträglich. Erst heute Morgen hat mich jemand angerufen und gesagt: Wir tragen damit unseren eigenen Fußball zu Grabe.

Was wäre denn eine Alternative zu den Spielgemeinschaften?

Da möchte ich das Beispiel VfL Nagold nennen: Walter Baur hatte dort die Jugend aufgebaut und Zulauf ohne Ende. Und warum? Weil das gut war. Das lief richtig profimäßig ab. Ich war ja früher Bezirksjugendleiter und beobachte das genau. Wir hatten früher 74 A-Jugend-Mannschaften im Bezirk, heute sind wir bei 30. Deswegen hängen die Vereine am Tropf, weil die Jugendarbeit vernachlässigt wird. Nehmen wir mal Hildrizhausen: 38 Jahre lang oben mitgespielt und jetzt sind sie wieder da gelandet, wo sie herkommen sind, ganz unten in der Kreisliga. Wenn kein System und kein funktionierendes Team hinter der Jugendarbeit steht, kann man nichts bewegen.

Sie haben 2015 bei ihrer Wahl angekündigt, dass in drei Jahren Schluss sei. Demnach hat der Bezirk ab 2018 einen neuen Vorsitzenden. Bleibt es dabei?

(lacht lange) Wahrscheinlich mache ich noch einmal drei Jahre. Es ist einfach schwierig, einen Nachfolger zu finden. Ich sage mal, wie es bei mir war: Ich war vorher neun Jahre lang Bezirksjugendleiter und hatte das Glück, dass ich durch meine Schiedsrichtertätigkeit viele Leute kannte. Das erleichtert einfach die Arbeit als Vorsitzender, wenn man schon bekannt ist und weiß, mit wem man es zu tun hat. Aber viele meiner Mitstreiter haben in etwa das gleiche Alter wie ich. Wenn ich die frage und die nur zwei Jahre jünger sind als ich, sagen die zu mir: Dann kannst Du es auch gleich weitermachen.

Macht Ihnen denn die Arbeit als Bezirksvorsitzender denn noch Spaß?

Ja. Aber man braucht dafür eine Mannschaft, ein Team, das funktioniert. Und der, der eine Funktion übernimmt, den muss man auch machen lassen. Man muss als Vorsitzender auch delegieren können.

Jetzt ist aber erst einmal Sommerpause. Was macht eigentlich ein Bezirksvorsitzender in der spielfreien Zeit?

Er geht in den Urlaub. Das ist schon jahrelang so: Im August bin ich weg und schaue mir in Österreich das Burgenland an. Dann komme ich wieder zurück und starte neu motiviert.

  Die Fragen stellte Tim Geideck.