Der StN-Ortstermin Foto: Michele Danze

Wie reagiert man, wenn man das Aus einer langen und bewährten Partnerschaft mitgeteilt bekommt? Panik ist nicht selten. Die Verantwortlichen des Friedrichsbau Varietés dagegen zeigen sich kämpferisch – auch nach dem angekündigten Ausstieg der L-Bank soll es 2014 Varieté in Stuttgart geben.

Stuttgart - Wie reagiert man, wenn man das Aus einer langen und bewährten Partnerschaft mitgeteilt bekommt? Panik ist nicht selten. Die Verantwortlichen des Friedrichsbau Varietés dagegen zeigen sich kämpferisch – auch nach dem angekündigten Ausstieg der L-Bank soll es 2014 Varieté in Stuttgart geben.

Peter Schwenkow redet nicht gerne um die Dinge herum. „Man muss schon daran erinnern dürfen, wie das Varieté in diese Rotunde der L-Bank kam“, sagt der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Entertainment AG (Deag) zum Auftakt des „Ortstermins“ unserer Zeitung am Montagabend im Friedrichsbau Varieté. „Wir wurden gerufen“, sagt Schwenkow – „und wir haben eine Lösung angeboten, die mit klaren Zusagen verbunden war.“ „Welche Bank in Deutschland“, fragt Schwenkow, „kann aktuell ein solch positives Umfeld bieten?“

War es also vielleicht ein Fehler, dass die Friedrichsbau-Verantwortlichen die Sprachregelung des Hausherrn L-Bank übernommen haben, die Staatsbank wolle ihr Sponsoring für das 1994 eröffnete Varieté beenden? Umgangssprachlich gesehen vielleicht schon. Real aber ist Sponsoring definiert als Geschäftsverbindung mit klaren wirtschaftlichen Zielen. Nicht nur deshalb wirkt die aktuelle Diskussion darüber, unter welchen vertragsrechtlichen Vorzeichen das Friedrichsbau Varieté über den 31. Dezember dieses Jahres hinaus fortgeführt werden kann, fast ein wenig gespenstisch. „Wir prüfen derzeit alle Modelle“, sagt Gabriele Frenzel, Geschäftsführerin seit der ersten Friedrichsbau-Stunde. „Und wir glauben fest daran“, so Frenzel weiter, „dass die Stadt uns hilft.“

Finanzierung von der Stadt? „Schlicht unrealistisch“

Jedoch – schnell wird deutlich, dass Stuttgarts Kulturbürgermeisterin Susanne Eisenmann (CDU) mit der Kommunikation in Sachen Friedrichsbau Varieté „deutliche Probleme“ hat. Die Erwartung, die Stadt könne einen Großteil des jährlichen Finanzierungsanteils der L-Bank in Höhe von 750 000 Euro übernehmen, sei „schlicht unrealistisch“, sagt Eisenmann – und weist zudem darauf hin, dass über Förderanträge nicht etwa auf Bürgermeister- oder Oberbürgermeisterebene entschieden würde, sondern im Gemeinderat.

Die Deag möchte darauf offenbar nicht mehr antworten. „Die Deutsche Entertainment Ag“, sagt deren Vorstandschef Peter Schwenkow beim „Ortstermin“ unserer Zeitung, „wird sich zum 31. 12. 2013 aus dem Friedrichsbau verabschieden.“ „Wir möchten einen schuldenfreien Neustart ermöglichen“, sagt er weiter. Was das heißt? „Wir haben mit Gabriele Frenzel vereinbart, dass im Friedrichsbau bis Jahresende kompromisslos das gesamte Programm zu sehen ist und keine Abstriche gemacht werden.“ Und danach? „Wir gehen raus und lassen alles, was wir hier an technischer Ausstattung sehen – von der Bestuhlung bis hin zur Beleuchtung –, hier im Haus.“ Auf „zwei Millionen Euro“ beziffert Schwenkow den Wert der Theatersaal-Ausstattung.

So recht will der Beifall im Theatersaal nicht anhalten – ohne die Deutsche Entertainment AG, das ist auch den treuesten Varieté-Freunden unserer 200 „Ortstermin“-Gästen klar, wird es schwer im Friedrichsbau. Wie sagt Peter Schwenkow doch mit der für ihn typischen beiläufigen Bedeutsamkeit: „Wir stehen für Premiumqualität.“

Wie motiviert man die Mannschaft trotz dunkler Zukunftswolken?

Spätestens hier wird der Zauberer-Weltmeister Topas – von 19. Juni bis zum 14. Juli selbst wieder auf der Friedrichsbau-Bühne – unruhig. „Man sollte benennen, um was es hier geht“, sagt er. „Zu reden ist nicht nur über 30 Festangestellte, die auch in Stuttgart leben, nicht nur über eine Vielzahl hoch motivierter Aushilfskräfte. Und nicht nur über den weltweit guten Ruf, den das Friedrichsbau Varieté sich in 19 Jahren bei den Artistinnen und Artisten erarbeitet hat. Nein, es geht auch darum, was das Friedrichsbau Varieté für diesen Standort und damit ebenso für die L-Bank wie auch für die Stadt Stuttgart bedeutet.“ „Hier gibt es nur eines“, sagt Topas weiter, „höchste Qualität.“

Mitverantwortlich für die ständige Weiterentwicklung des Friedrichsbau-Angebotes ist Ralph Sun. Der Künstlerische Leiter sieht denn die Herausforderung der Varieté-Zukunft in der Verfeinerung von Themenprogrammen. „Aktuell zum Beispiel“, sagt Sun, „präsentieren wir mit der Show ,Die Artistokraten‘ eine absolute Premiere.“ „Erstmals“, so Sun weiter, „erleben wir auf einer Varieté-Bühne das zeitübergreifende Spiel aktueller Akrobatik in barockem Gewand.“

Fristgerecht sind alle Verträge der festangestellten Varieté-Macher gekündigt, die Vorbereitungen für die große Herbst-Inszenierung „Magic Vampires – die Show mit Biss“ laufen dennoch bereits. Wie motiviert man die eigene Mannschaft trotz aller dunkler Zukunftswolken? „Kurz nach der Schreckensnachricht Ende 2012 war es schwer“, sagt Gabriele Frenzel, „aktuell aber bin ich einfach nur begeistert, wie alle mitziehen.“ Eben dies ist auch am Dienstagnachmittag zu spüren, als sich das Friedrichsbau Varieté mit einem Ausschnitt aus der „Artistokraten“-Show auf dem Schlossplatz präsentiert. Die Botschaft ist eindeutig: Stuttgart ohne Varieté? „Unvorstellbar“, wie Topas beim „Ortstermin“ unserer Zeitung am Montag sagt.

Ein Kraftakt

Sechs Monate bleiben dem Friedrichsbau Varieté, um den Spielbetrieb auch für das Jubiläumsjahr 2014 wirtschaftlich zu sichern. Es ist und bleibt ein Balanceakt, ein Kraftakt – dies macht die Gesprächsrunde beim „Ortstermin“ unserer Zeitung deutlich. „Wir Künstler“, sagt Topas, „nehmen die Herausforderung an.“ Und das Publikum? Wie groß ist der Rückhalt für das Friedrichsbau Varieté wirklich? „Die Antwort ist entscheidend für unsere Zukunft“, sagt Gabriele Frenzel nach der offiziellen Podiumsrunde.

15 Minuten später verrät lautstarker Beifall – „Die Artistokraten“ verzaubern unsere Leserinnen und Leser. In der zweiten „Ortstermin“-Hälfte erleben sie exklusiv die Faszination Varieté. Und die Meinung nach der Show ist klar: „Erstens: Wir kommen wieder. Und zweitens: Das Friedrichsbau Varieté muss bleiben.“