Anfeindungen gegenüber Menschen, die einen osteuropäischen Hintergrund haben, gab es schon vor dem Angriffskrieg auf die Ukraine. (Symbolbild) Foto: Ohmydearlife/Pixabay

Viele Menschen mit osteuropäischen Hintergrund erleben derzeit auch in unserer Region Anfeindungen. Einige erleben das jedoch nicht erst seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine, berichtet eine Frau aus dem Landkreis Freudenstadt unserer Redaktion.

Kreis Freudenstadt - Sie selbst habe seit dem Beginn des Krieges noch keine Anfeindungen erlebt, erzählt Anna (der Name wurde von der Redaktion geändert). Sie werde jedoch häufig gefragt, was sie von der ganzen Situation halte. "Ich verstehe gar nicht, warum das so ist. Ich war noch nie in Russland, noch nicht mal im Urlaub", erzählt sie und lacht. Außerdem ist sie der Meinung, dass man vieles von dem, was wirklich in der Ukraine oder in Russland passiere, gar nicht nachvollziehen könne, weil man ja gar nicht über alle Details dieses Konflikts informiert werde.

Anna ist im Jahr 1998 mit sechs Jahren nach Deutschland gekommen. Zuvor lebte sie mit ihrer Familie in einer deutschen Siedlung in Kasachstan. "Dort wurde nur Deutsch gesprochen", berichtet sie. Ihre Urgroßeltern seien als Deutsche vor dem Krieg nach Russland geflohen. Dort sei ihre Oma zur Welt gekommen, die später Deutsch studiert habe und dann mit ihrer Familie nach Kasachstan ausgewandert sei, um als Deutschlehrerin und Rektorin an einer Schule zu unterrichten. "Dort ist es üblich, dass man automatisch die Nationalität der Mutter hat. Deshalb war ich auch schon immer Deutsche", erklärt Anna. Russisch spreche sie ebenfalls.

Nachteile durch Migration

Sowohl in Kasachstan als auch in Deutschland sei es mit der Zugehörigkeit jedoch nie einfach gewesen. "In Kasachstan waren wir die scheiß Deutschen. In Deutschland werden wir als die scheiß Russen dargestellt", erzählt sie. Obwohl sie hauptsächlich in Deutschland aufgewachsen ist, habe sie durch ihre Vergangenheit oft Nachteile gehabt: Nach der Grundschule habe man sie auf die Hauptschule geschickt, obwohl sie von den Noten her eine höhere Schule hätte besuchen können. Und auch später habe sie sich von den Lehrern oft schlechter bewertet gefühlt, als sie es nach ihrer Überzeugung verdient gehabt hätte. 

Auch bei einem Vorstellungsgespräch habe sie erschreckende Erfahrungen gemacht: "Ich wurde eingeladen und dort haben sie mich dann gefragt, was ich hier in Deutschland überhaupt mache. Das werde ich nie vergessen." Eine ähnliche Situation erlebte sie bei einem Verkehrsunfall, an dem sie nicht schuld gewesen sei: "Der Polizist hat meinen Führerschein angesehen und festgestellt, dass ich damals Fahranfängerin war, einen ausländischen Nachnamen habe und aus Kasachstan komme. Trotz Zeugen habe ich die Schuld bekommen. Ich fand das damals so unfair", erzählt sie traurig.

Sorge vor Anfeindungen 

Es sei schon immer so gewesen, dass sie aufgrund ihrer Herkunft anders behandelt worden sei, meint sie. Deshalb sei es ihr schon immer wichtig gewesen, dass ihre Kinder deutsche Vornamen bekommen. "Das habe ich schon zu meinem Mann gesagt, bevor wir überhaupt Kinder geplant haben. Ich will nicht, dass sie sonst vielleicht Nachteile im Leben haben." 

Anfeindungen im Zusammenhang mit dem Angriffskrieg der Russen auf die Ukraine habe sie in den vergangenen zwei Wochen noch nicht erlebt. "Ich glaube, im Landkreis Freudenstadt ist man da friedlicher." Sorgen darüber, dass ihre Familie doch noch zur Zielscheibe solcher Anfeindungen werden könnte, macht sie sich trotzdem: "Mein Mann bewirbt sich gerade. Er ist zwar Deutscher, spricht aber russisch. Vielleicht ist das ein Nachteil", überlegt sie. Außerdem fühle man sich trotzdem unwohl: "Letzten Sonntag waren wir mit der ganzen Familie essen, da hat meine Schwiegermutter gesagt, dass wir nicht viel sprechen sollen", erzählt sie. Ihre Schwiegereltern kämen auch aus Kasachstan. Tatsächlich seien sie von der Restaurant-Besitzerin sogar gefragt worden, woher sie kommen. "Wir waren eine große Runde und mehrere Nationalitäten. Da hat sie gesagt, dass insgesamt 17 verschiedene Nationen unter ihren Angestellten vertreten sind und dass das wunderbar funktioniert", erzählt Anna und ergänzt erleichtert: "Da habe ich gedacht, dass man trotzdem keine Angst davor haben sollte, zu zeigen, wer man ist."