Freudenstadts neue Bürgermeisterin Stephanie Hentschel, Landwirt Willi Armbruster, Oberbürgermeister Julian Osswald, der Vorsitzende des Kreisbauernverbands Freudenstadt, Gerhard Fassnacht, und Landwirt Martin Marohn (von links) stimmen überein, dass es mit den Milchpreisen so nicht mehr weitergehen kann. Foto: Störzer

Landwirte machen mit Aktion in Freudenstadt auf Existenzkrise aufmerksam. Jeder Hof hat andere Kosten.

Freudenstadt - Die Milchbauern stecken in einer Existenzkrise. Der Grund: Ihre Kosten können sie mit 20 Cent Erlös pro Liter Milch nicht decken. "Wenn das so weitergeht, ist die Hälfte der Milchbauern in drei bis fünf Jahren weg", ist sich Landwirt Martin Marohn sicher.

Der durchschnittliche Käufer orientiert sich im Supermarkt stark am Preis der angebotenen Waren. Wenn im Regal eine Packung Milch für 42 Cent neben einer für 1,15 Euro steht, geht der Griff mehrheitlich zur günstigeren. "Das kann man dem Verbraucher nicht vorwerfen", meint Gerhard Fassnacht, Vorsitzender des Kreisbauernverbands Freudenstadt. Schuld daran sind seiner Meinung nach Discounter wie Aldi und Lidl, die die Preise drücken.

Darauf wollte der Verband die Verbraucher im Rahmen des Internationalen Tages der Milch, der immer am 1. Juni stattfindet, aufmerksam machen. Auch auf dem Marktplatz in Freudenstadt konnte man gestern aufgebrachte Milchbauern aus dem ganzen Landkreis antreffen. Sie waren dort, um die Bevölkerung zu informieren.

In diesem Rahmen erzählte Fassnacht, dass er am Freitag zuvor in verschiedenen Lebensmittelgeschäften Milch und Butter gekauft habe, um die Preise zu vergleichen. Das auch für ihn äußerst überraschende Ergebnis: Netto, Real, Penny, Edeka, Lidl, Aldi und Norma verlangen alle denselben Preis – derzeit nämlich 42 Cent für fettarme H-Milch und 46 Cent für Vollmilch. Daraufhin hat Fassnacht nun das Kartellamt eingeschaltet. Dieses soll prüfen, ob es zu Absprachen zwischen den Unternehmen kam.

"Unsere Milch ist mehr wert als 42 Cent", hörte man die Landwirte am Stand immer wieder sagen. "Wenn die Milch teurer im Verkauf ist, dann gibt es auch mehr Geld für die Bauern", erklärte Fassnacht. Doch wie erreicht man dieses Ziel?

"Die Marktwirtschaft braucht Rahmenbedingungen, mit dem auch das schwächste Glied leben kann", so Fassnacht. Er betonte, dass nicht der Staat das Problem lösen müsse. Vielmehr sieht er die Lösung darin, dass die Molkereien die Milchproduzenten auffordern müssten, nicht zu viel Milch bereitzustellen. Auch Martin Marohn aus 24-Höfe findet: "Die Menge muss runter!" Nur das hilft seiner Meinung nach langfristig. Früher regelte das die Milchbörse.

Jeder Hof hat andere Kosten

"Langfristige Verträge mit verbindlichen Milchpreisen – das wünsche ich mir", betonte Fassnacht. Ein "idealer Milchpreis" sehe von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich aus, da jeder Hof andere Kosten habe, die er decken müsse. "Vor zwei Jahren war der Preis das letzte Mal gut", so Hansjörg Keck, der seine 65 Kühe in Oberiflingen stehen hat. "Wir müssen die Tiere ja trotzdem füttern." Den Kühen könne man die Milch nicht einfach abdrehen, wenn man gerade keine braucht. Dieser Markt sei kein Angebot- und Nachfragemarkt.

"Das Hauptproblem ist die Ohnmacht. Man hat keine Möglichkeit, sich zu wehren", betonte Marohn. Er sagte ganz klar: "Der Zusammenhalt unter den Milchbauern fehlt." Als vor ein paar Jahren gestreikt wurde und Bauern die Milch ihrer Kühe aus Protest in den Gulli schütteten, habe es immer noch ein paar gegeben, die eine Chance sahen. Sie hätten ihre Milch unter diesen Umständen gut an den Mann bringen können. Solidarität habe es nicht gegeben.

Oberbürgermeister Julian Osswald, der mit der neuen Bürgermeisterin Stephanie Hentschel den Stand besuchte, nannte die derzeitigen Preise eine "Sauerei". Dem schlossen sich einige Umstehende an. "Der Verbraucher macht sich oft keine Gedanken", so Osswald. Das zeigte auch die letzte Aktion der Landwirte auf dem Marktplatz in Freudenstadt. Damals verkauften sie Wurst für zwölf Cent das Stück. Dieser Preis lieg für die Landwirte weit unter Wert, doch "rund 80 Prozent der Käufer nahmen die Wurst ohne schlechtes Gewissen entgegen", erzählte Fassnacht.