Nationalparkgeger diskutierten mit dem Grünen-Politiker Markus Rösler vor dem Landtag. Foto: Rebstock

Alexander Bonde bringt Nationalpark-Gesetz im Landtag ein. CDU und FDP dagegen. Lautstarke Proteste der Gegner.

Stuttgart /Freudenstadt - Grau in grau zeigt sich die Landeshauptstadt Stuttgart gestern Vormittag kurz vor der ersten Lesung des Nationalparkgesetzes. Nieselregen, herbstliche Temperaturen – das kann einem schon mal die Laune gründlich verderben.

Schlechte Laune bekommen die Gegner des geplanten Nationalparks Nordschwarzwald schon allein beim Gedanken an das Prestigeprojekt von Grün-Rot. "Wir wollen in unserer Region eigentlich Frieden haben, den wird es allerdings nicht geben, wenn uns vonseiten der Regierung ein Nationalpark übergestülpt wird", sagt Johannes Sackmann, vehementer Gegner des Nationalparks, vor dem Kunstgebäude am Schlossplatz, dem Ausweichquartier des baden-württembergischen Landtags.

Sackmann machte sich gestern mit rund 70 Mitstreitern auf den Weg nach Stuttgart, um seinen Unmut kundzutun. Um 7 Uhr ging’s los in Baiersbronn (Kreis Freudenstadt), einer der Hochburgen des Widerstands.

"Wir haben doch einen schönen Wald, der wird dadurch nicht mehr schöner", sagt Karl Gaiser, Ortsvorsteher von Baiersbronn-Obertal, der sich ebenfalls auf den Weg in die rund 90 Kilometer entfernte Landeshauptstadt gemacht hat. Mit der Aktion vor dem Kunstgebäude – das rege Diskussionen mit der Polizei nach sich zog – wolle man noch versuchen, "zu retten, was zu retten ist". Ganz nach dem Motto: Die Hoffnung stirbt zuletzt.

"Die Landesregierung muss endlich einlenken und den Menschen im Nordschwarzwald entgegenkommen"

Die Kritik richtet sich in erster Linie an die Vorgehensweise der Regierung. Eine "Politik des Gehörtwerdens" wurde den Bürgern versprochen. Doch dieses Versprechen wurde aus Sicht der Gegner nicht eingelöst. "Vonseiten des Naturschutzministers Alexander Bonde und des Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann wurde uns immer wieder kommuniziert: Wir machen nichts gegen den Willen der Bevölkerung. Und das Ergebnis sehen wir jetzt", empört sich Gaiser, fast schon ein wenig desillusioniert.

NABU-Landeschef Andre Baumann sieht das freilich anders. "Wir freuen uns, dass das Gesetz heute endlich eingebracht wird", sagt er. Der NABU ist gestern ebenso wie der BUND ebenfalls präsent. Zusammen will man sich für den Nationalpark einsetzen. "Wir wollen in erster Linie informieren, dass die Mehrheit der Bevölkerung in Baden-Württemberg hinter dem Projekt steht", so Baumann. Er bezieht sich dabei auf eine Forsa-Umfrage, in der sich zuletzt 69 Prozent für einen Nationalpark aussprachen.

Baumanns Appell richtet sich gestern vor allem an die Abgeordneten der CDU. Diese müssten endlich ihre Fundamentalopposition aufgeben und sich konstruktiv an dem Verfahren beteiligen, damit man am Ende des Jahres das Gesetz mit großem Einvernehmen verabschieden könne.

Doch die Aussichten dafür scheinen auch gestern nicht allzu groß. "Die Landesregierung muss endlich einlenken und den Menschen im Nordschwarzwald entgegenkommen", sagt CDU-Fraktionschef Peter Hauk bereits vor Beginn der Sitzung unserer Zeitung. Es sei "ein Offenbarungseid, dass Grün-Rot die Bürger im Land in den letzten zwei Jahren immer noch nicht hinter sich gebracht hat". Einvernehmen sieht anders aus.

Dabei sei man doch immer wieder auf die Opposition aus CDU und FDP zugegangen, erklärt der Landtagsabgeordnete Markus Rösler (Grüne) unserer Zeitung. Er hofft nach eigenem Bekunden immer noch, zumindest einen Teil der CDU-Fraktion auf die Seite der Regierung ziehen zu können. Das werde sich dann in der Anhörung des Ausschusses zeigen, ehe am 28. November nach der zweiten und dritten Lesung des Gesetzentwurfs abgestimmt werden soll.

"Vom Feeling her haben die Menschen in Baden-Württemberg ein gutes Gefühl zum Nationalpark"

Im Plenum wird aber schnell klar, dass die CDU ihre Haltung nicht geändert hat. Der forstpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Patrik Rapp, macht deutlich, dass seine Partei dem Entwurf so nicht zustimmen werde. Grün-Rot habe bis heute keine solide Finanzierung vorgelegt, und auch die Konsequenzen des Projekts seien nach wie vor völlig unklar. Zudem warf er der Regierung vor, die Bürger nicht genug eingebunden zu haben: "Viele Fingerzeige fehlen in dem Entwurf", betont Rapp.

In das gleiche Horn stößt sein Kollege Friedrich Bullinger von der FDP. Er spricht von einem zu teuren Projekt, das gegen den Willen der Bevölkerung durchgepeitscht werde. "Gehört werden heißt bei der Landesregierung überhört werden", lautet das Fazit des FDP-Parlamentariers.

Naturschutzminister Alexander Bonde (Grüne) verteidigt hingegen seinen Gesetzentwurf, der dem Landtag nun zur weiteren Beratung vorliegt. Der Nationalpark sei ein "wichtiger Beitrag zum Schutz der Artenvielfalt und zur Bewahrung der Schöpfung", sagt der Grünen-Politiker. Und auch er verweist auf die Umfrage: 69 Prozent der Baden-Württemberger seien für den Nationalpark, in der Region Nordschwarzwald selbst immerhin 59 Prozent. Zahlen, von denen die Gegner wenig halten.

Der Minister verweist dabei auch auf den Bund: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe das Ziel ausgegeben, dass der deutsche Wald spätestens vom Jahr 2020 an auf fünf Prozent der Fläche zum Urwald werde, sprich: sich vom Menschen weitgehend ungestört entwickeln darf. Dieser Aufforderung komme die baden-württembergische Landesregierung mit dem Gesetzentwurf nach. "Der Park ist das richtige Instrument, um den nationalen und internationalen Verpflichtungen gerecht zu werden, sagt Bonde.

Der Naturschutzminister gesteht ein, dass das Projekt nicht unumstritten sei, aber auf der anderen Seite sei es auch von "außerordentlicher Wichtigkeit". Außerdem habe man wichtige Forderungen aus der Bevölkerung aufgenommen, beispielsweise bei der Gebietskulisse. Auch der CDU sei man entgegengekommen. Bonde fordert deren Fraktion gestern auf, dem Gesetz zuzustimmen: "Es geht bei diesem Thema nicht um Parteipolitik, sondern um den Sperlingskauz", so Bonde mit Verweis auf den Artenschutz.

Auch seine Parteikollegin, Grünen-Fraktionschefin Edith Sitzmann, betont die "historische Chance" die der Park bringe: "Das ist ein sehr wertvolles Geschenk, das wir unseren Kindern und Enkelkindern mitgeben."

SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel macht ebenfalls keinen Hehl daraus, ein bekennender Fan eines Nationalparks zu sein: "Stellen Sie sich doch einfach nur mal vor: Ein Black Forest National Park, das hört sich doch wunderbar an", so Schmiedel. Auch die Bevölkerung stehe hinter dem Projekt. "Vom Feeling her haben die Menschen in Baden-Württemberg ein gutes Gefühl zum Nationalpark", sagt er.

Ob die Gegner des Nationalparks ein gutes Gefühl haben, ist zu bezweifeln. Immer wieder kochen vor dem Kunstgebäude die Emotionen hoch. Hitzig wird es, als sich der Grünen-Politiker Rösler der Menge stellt. Minutenlang werden lautstark Argumente ausgetauscht – sei es zum Thema Borkenkäfer oder der angestrebten Beteiligung der Bürger. Man merkt sofort: Rösler hat keinen leichten Stand. Applaus brandet erst auf, als CDU-Fraktionschef Hauk vor die Menge tritt.

So stehen die beiden Politiker vor die Gegner des Nationalparks und versuchen, ihnen ihre Sicht der Dinge darzulegen. Der Wahlkampf lässt grüßen. Der Nieselregen scheint sie nicht zu stören. Als sie sich dann auf den Weg ins Plenum machen, bleibt das Gefühl zurück, dass sich an den unterschiedlichen Positionen so schnell nichts ändern wird.