Stellten das neu gestartete Projekt vor (von links): Steffen Fahrbach, Pedro Bihler, Martina Sillmann, Andreas Kuznik und Fried-Jürgen Werr. Foto: Müller Foto: Schwarzwälder Bote

Soziales: Projekt unterstützt Betroffene von sexueller Gewalt / Vermehrt Werbung in der Öffentlichkeit

Das Projekt "anonymisierte Spurensicherung bei sexueller Gewalt" ist nach einer organisatorischen Pause wieder gestartet. Außerdem wollen die Verantwortlichen das Angebot im Kreis bekannter machen.

Freudenstadt. Bei dem Projekt können Frauen, die sexuelle Gewalt erfahren haben, im Krankenhaus Freudenstadt Spuren sichern lassen. Diese werden anonymisiert und für zwei Jahre aufbewahrt. Das soll es den Betroffenen ermöglichen, dann in ein Gerichtsverfahren zu starten, wenn sie psychisch bereit dazu sind. Dazu kommen Hilfsangebote der psychologischen Beratungsstelle in Horb und der Frauenhilfe Freudenstadt.

Die Ärzte der Frauenklinik im Freudenstädter Krankenhaus haben sich dafür bei einer Rechtsmedizinerin in Freiburg in der zeitgemäßen Spurensicherung unterweisen lassen, damit die Beweise auch sicher vor Gericht verwertet werden können, sagte Andreas Kuznik, leitender Oberarzt an der Frauenklinik, bei einem Pressegespräch mit Institutionen, die an dem Projekt beteiligt sind.

Mehrzahl der Fälle ereignet sich im Umfeld

Der Landkreis Freudenstadt sei einer der ersten gewesen, in denen es eine solche Möglichkeit gegeben habe, sagte Martina Sillmann von der Frauenhilfe Freudenstadt. 90 bis 95 Prozent aller Fälle sexueller Gewalt ereigneten sich im unmittelbaren sozialen Umfeld. Bei einer Anzeige liefen die Opfer Gefahr, die sozialen Strukturen um sich herum zu zerstören. Daher sei es wichtig, auf die verschiedenen psychologischen Hilfsangebote zu verweisen. Es könnten übrigens auch Männer zu Opfern werden, sagte sie. Außerdem soll das Projekt bekannter werden, sagte Martina Sillmann. Als in Pforzheim für ein ähnliches Angebot in Bussen geworben wurde, hätten es im ersten Jahr 14 Betroffene genutzt. In Freudenstadt wurde das Angebote erst zwei Mal genutzt.

Pedro Bihler vom Weißen Ring verwies auf die hohe Dunkelziffer bei Sexualdelikten. Er hoffe, dass das Angebot auch genutzt werde. Fried-Jürgen Werr von der psychologischen Beratungsstelle berichtete, dass es dort bereits sei 25 Jahren einen Arbeitskreis gegen sexuelle Gewalt gebe.

Martina Sillmann betonte, dass das Angebot nicht gänzlich anonym sei. Der Weiße Ring, der die Kosten von knapp 200 Euro für die Spurensicherung übernehme, brauche einen Fallnamen. Die Ergebnisse würden aber mit einem Code versehen, den Betroffene bei der Anzeige bei der Polizei abgeben können, damit die Beamten Zugriff auf die Beweise haben.

Laut Studien jede siebte Frau betroffen

Die Polizei stehe dem Projekt sehr positiv gegenüber, sagte Steffen Fahrbach von der Kriminalpolizei Freudenstadt. Man sei in den Prozess eingebunden und berate bei Themen wie der Spurensicherung. Betroffene sollten so schnell wie möglich nach der Tat die Spuren sichern lassen – möglichst ungeduscht und noch in der Kleidung, die sie bei der Tat getragen haben.

Er ging auch auf die Zahlen der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung im Landkreis Freudenstadt ein. Diese lagen 2015 bei 65, 2016 bei 44, 2017 bei 63 und 2018 bei 64. Rechne man Belästigungen und exhibitionistische Handlungen heraus, bleibe eine Zahl von etwa 30 Vergewaltigungen oder sexuellen Nötigungen im Jahr. Das sei eine konstante Zahl.

Allerdings sei die Dunkelziffer erheblich, betonte Martina Sillmann. In einer deutschland- und in einer europaweiten Studie berichtete jede siebte Frau von sexueller Gewalt in der Partnerschaft.

Wer vergewaltigt, zu sexuellen Handlungen gezwungen oder mit seinem Nein zum Sex nicht gehört wurde, befindet sich körperlich und seelisch in einer schwierigen Situation. Wer sich noch nicht sicher ist, ob das Verbrechen angezeigt werden soll, kann im Krankenhaus um die anonymisierte Spurensicherung bitten. Der ärztliche Untersuchungsbericht verbleibt im Krankenhaus, die gesicherten Spuren wie Kleidung oder Sperma ebenfalls. Dafür steht ein gesicherter und gekühlter Schrank zur Verfügung.

Durch einen Code, unter dem die Spuren gelagert sind, können diese im Fall einer Anzeige der ärztlichen Dokumentation zugeordnet werden. Die Aufbewahrungszeit beträgt zwei Jahre. Die Kosten für die Untersuchung übernimmt der Weiße Ring.