Als der Fußball im Oberamt Freudenstadt laufen lernte: die Huzenbacher Mannschaft anno 1921. Foto: SVH Foto: Schwarzwälder-Bote

BezirksligaSV Huzenbach und SpVgg Freudenstadt trugen vor knapp 100 Jahren das erste Fußballspiel im Landkreis Freudenstadt aus

Von Tim Geideck

Mehr Tradition geht nicht: 1920 trugen Huzenbach und die SpVgg Freudenstadt das erste Fußballspiel im jetzigen Landkreis Freudenstadt aus. Am Sonntag kommt es zur Neuauflage des Urspiels in der Bezirksliga.

Letztendlich ist es dann doch der Kirche zu verdanken, dass vor knapp 100 Jahren der als "Gestalpe" verpönte Fußball im Landkreis Freudenstadt Einzug hielt. Denn als am 18. April 1920 der Huzenbacher Turnballklub – wie der SV Huzenbach anfangs noch hieß – und die exakt 50 Tage zuvor gegründete Fußball-Abteilung der SpVgg Freudenstadt gegeneinander antreten wollten, war manch einer gar nicht von dieser Idee begeistert.

Ohnehin war es schwierig genug, eine geeignete Wiese für dieses erste Fußballspiel im Oberamt Freudenstadt – dem Vorläufer des Landkreises – zu finden, denn Sportplätze gab es damals noch nicht. Auf dem Besenfelder Streuberg wurden die beiden ältesten fußballtreibenden Vereine des Landkreises dann aber fündig. Auf sonderlich viel Gegenliebe stießen sie auf der dortigen, eilig mit einfachen Torstangen versehenen Wiese allerdings nicht. In der Chronik des SV Huzenbach heißt es dazu: "Das Spiel wurde mit massiven Protesten der Hebamme begleitet, die auf ihrem Grundstück kein Fußballspiel zulassen wollte." Nur der Engelszunge des Besenfelder Pfarrers sei es zu verdanken gewesen, dass die protestierende Hebamme die Wiese schließlich verließ und das Urspiel angepfiffen werden konnte.

Im Gegensatz zur SpVgg Freudenstadt hatte der Huzenbacher Turnballklub zuvor schon ein wenig Spielpraxis sammeln können. Seine Gegner musste sich der Anfang 1920 gegründete und damit älteste Fußballverein des Landkreises allerdings außerhalb des württembergischen Oberamtes Freudenstadt suchen. Das erste Fußballspiel des Huzenbacher TBK fand daher zu Beginn des Frühlings 1920 in Baden statt, genauer gesagt in Scheuern gegen Gernsbach. Laut Vereinschronik reisten die Spieler mit dem Fahrrad an. Einheitliche Spielkleidung gab es noch nicht, die Akteure traten in langen Hosen und den Sonntagsschuhen an. In der Chronik ist zu lesen: "Die größten Schwierigkeiten hatte man mit den Spielregeln und dem Schiedsrichter, denn von diesen Dingen hatte man bisher noch nichts gehört."

Verfasser der Chronik ist Friedhelm Bauer. Er war 1980 Schriftführer des SV Huzenbach und führte in dieser Funktion für die Erstellung der Festschrift zum 60-jährigen Bestehen des Vereins ein Zeitzeugengespräch mit den drei Gründungsmitgliedern Ernst Frey, Albert Reule und Fritz Müller. Ernst Frey stand als Verteidiger des Huzenbacher TBK beim Urspiel gegen die Spvgg Freudenstadt selbst auf dem Platz. Vor allem von ihm weiß Bauer, der sich wenige Tage vor der Neuauflage wieder ganz besonders mit jenem 18. April 1920 beschäftigt, unter welch heute undenkbaren Bedingungen das Spiel auf dem Besenfelder Streuberg stattfand. "Das war ja schon allein ein halber Tagesmarsch dorthin", sagt Bauer. Überliefert ist, dass die SpVgg Freudenstadt bei ihrem Fußmarsch sogar respektable 70 Fans im Schlepptau hatte. Im Gegensatz zum ersten Huzenbacher Spiel in Scheuern hätten beide Mannschaften dieses Mal zwar einheitliche Trikots getragen, richtige Fußballschuhe waren aber wohl ebenfalls nicht oder nur kaum vorhanden. Der Chronist vermutet: "Da war auch der ein oder andere Gummistiefel dabei."

Überhaupt ist Bauer, der von 1981 bis 1986 auch Vorsitzender des SV Huzenbach war, beeindruckt vom Pioniergeist der Anfangstage des Fußballs im Landkreis Freudenstadt: "Da ist der Krieg noch nicht einmal zwei Jahre vorbei und die jungen Leute sagen: Schluss jetzt damit, wir fangen etwas Neues an." Auch in Huzenbach waren die Wunden des Ersten Weltkriegs mit 31 Gefallenen oder Vermissten noch tief. Umso mehr freut sich Bauer, dass Wilhelm Hummel als Initiator des Huzenbacher TBK die Jugend aus dem Dorf und der Umgebung zusammentrommelte, für den Fußballsport begeisterte und so den Grundstein zur Vereinsgründung legte. "Er war von Beruf Lehrer. Genau wie ich", sagt Bauer stolz.

Während das Urspiel inzwischen in Vergessenheit geraten ist, beschäftigt die Vereine der Bezirksliga Nördlicher Schwarzwald ein Relikt dieser Gründerzeit dafür noch heute: Huzenbachs Sportplatz mit seinen ungewöhnlich schmalen Maßen. Schon als der Platz Anfang der 20er-Jahre als einer der ersten des Oberamtes an der heutigen B 462 angelegt wurde, muss er aufgrund der örtlichen Gegebenheiten im Murgtal ziemlich schmal gewesen sein. Noch enger wurde das Spielfeld, als 1928 die Murgtalbahnlinie gebaut wurde, die direkt am Sportplatz vorbeiführt.

Ein bisschen etwas vom Geist von 1920 und den unorthodoxen Bedingungen auf dem Besenfelder Streuberg wird somit auch am Sonntag zu spüren sein, wenn der SV Huzenbach die SpVgg Freudenstadt empfängt. Dass man diesen ganz speziellen Heimvorteil nicht überbewerten sollte, weiß der Huzenbacher Vorsitzende Oliver Frey aber schon aus Erfahrung: "Man ist auf unserem engen Platz schnell vor dem Tor. Daher gewinnt immer die Mannschaft, die wacher ist."

Für den SVH-Chef ist die Partie gegen die SpVgg Freudenstadt jedoch nicht nur vor dem historischen Hintergrund eine ganz besondere: "Nachdem wir die Derbys gegen Klosterreichenbach und Baiersbronn verloren haben, ist das Spiel gegen Freudenstadt für uns das einzige mit Derby-Charakter." Bei der Neuauflage des Urspiels erwartet Frey daher mindestens 250 Zuschauer.

Mit etwas gebremster Euphorie blickt der Freudenstädter Fußball-Abteilungsleiter Gerd Fuss auf die Partie am Sonntag: "Wir gehen das Spiel an wie jedes andere auch. Für die Vereine in der Umgebung sind wir immer der große Gegner, gegen den man unbedingt gewinnen will. Wir freuen uns auf das Spiel, aber das wird sehr schwer da unten auf dem engen Platz." Der Weg, den der älteste Fußballverein des Landkreises eingeschlagen hat und den er ausschließlich mit Eigengewächsen beschreitet, imponiert Fuss ohnehin: "Die machen gute Arbeit, da muss man den Hut ziehen."

Ein Lob, das der Huzenbacher Vorsitzende nur zurückgeben kann: "Die SpVgg Freudenstadt hat eine richtig gewachsene Struktur. Da merkt man einfach eine gewisse Professionalität. Dieser Verein gehört in die Landesliga." Stolz ist Frey aber auch auf seinen eigenen Verein: "Bei uns steht das Kollektiv im Mittelpunkt. Unsere Stärke ist der Zusammenhalt. Bei uns passiert viel mit dem Herzen."

Ob das für die historische Revanche reicht? Das Urspiel gewann die SpVgg Freudenstadt deutlich mit 5:1. Seither begegneten sich beide Vereine auf dem Rasen nur selten. Das Spiel am Sonntag wird sogar das allererste zwischen dem Underdog und dem Aufstiegsaspiranten auf höchster Bezirkseben sein.