Krankenhaus wird "multimodales Schmerzzentrum". Der Neurochirurg David Eum ist neu an Bord. Mit Video

Freudenstadt - Das Krankenhaus in Freudenstadt soll zu einem multimodalen Zentrum für Schmerztherapie werden. Das kündigte KLF-Geschäftsführer Ralf Heimbach bei einem Pressefrühstück an.

"Wir werden jetzt verstärkt in die Schmerztherapie gehen. Wir planen, im Jahr 2017 eine multimodale Schmerztherapie am Standort Freudenstadt anbieten zu können", sagte Heimbach. Dahinter verbirgt sich ein Konzept, bei dem Mediziner vieler Fachrichtungen wie Neurochirurgen, Psychiater und Orthopäden den Schmerzen auf den Grund gehen und sie lindern oder im besten Fall sogar heilen.

"In diesem Bereich gibt es eine dramatische Unterversorgung in Deutschland bei einer geschätzten siebenstelligen Zahl von Patienten. Normalerweise gibt es so etwas nur an Uni-Kliniken", sagte Heimbach. Patienten aus einem Umkreis von 200 Kilometern soll das anlocken, hofft er.

Der letzte Baustein zu diesem Schmerztherapiezentrum ist seit Juni an Bord der KLF: David Eum (der Name wird ausgesprochen wie das buddhistische Om). Der leitende Arzt für Neurochirugie kommt aus Mainz. "Seine Rolle in dem neuen Konstrukt wird der Neurochirurg mit schmerztherapeutischem Backup sein", sagte Heimbach.

Said Mahsood Amin war acht Jahre lang der alleinige Neurochirurg im Krankenhaus und hauptsächlich mit Operieren beschäftigt. Eum kann das genauso, bringt aber auch seine langjährige Erfahrung in der Schmerztherapie mit. Und zwar bei allem, was den Rücken angeht. Amin: "Hauptsächlich haben wir als Neurochirurgen mit Bandscheiben zu tun. Kopf-Operationen führen wir lediglich im Notfall durch, um Patienten zu stabilisieren."

Und weil "Rücken" inzwischen zur Volkskrankheit geworden ist, ist ein Mehr an Therapiemöglichkeiten gut für die Patienten. Eum zählt die medizinischen Fachbegriffe auf: "Facettengelenkinfiltration, PRT, Kyrotherapie, Elektrodenimplantation." Die ersten beiden sind die berühmten Spritzen ins Gelenk oder den Nerv. "Das sind nach Schmerzmittel und lokalen Spritzen bei der konservativen Therapie mögliche weitere Schritte. Um zu prüfen, ob es wirkt", so Eum.

Kyrotherapie dagegen bedeutet, dass die Nerven, die den Schmerz auslösen, im Gelenk vereist werden. "Das hält bis zu einem Jahr vor", sagte Eum. Noch eine Stufe drauf ist die Elektrodenimplantation, wenn der Schmerz auch nach mehreren Operationen nicht anders zu kontrollieren ist. Dabei werden Elektroden an die richtige Stelle in die Nervenbahnen eingesetzt. Sie sorgen mit ihren Impulsen dafür, dass der Schmerz abgeschaltet wird, weil das Schmerzsignal gar nicht mehr im Hirn ankommt.

Und genau dieses Portfolio, so Eum, soll demnächst den Patienten angeboten werden. Kollege Amin ist froh, mit Eum an seiner Seite auch wieder Zeit dafür zu haben: "Ich habe schon vor 20 Jahren in Karlsruhe Schmerzmittel-Implantate gesetzt. In Freudenstadt hatte ich bisher nicht die Kapazität dafür."

Bandscheibenvorfall als unentdeckte Ursache

In einem sind sich Amin und Eum auch einig: Es gibt immer Fälle von "Rücken", wo eine OP unbedingt sein muss. Zum Beweis ging es in den zweiten Stock zu Michael Kaiser (54) aus Baiersbronn.

"Jahrelang habe ich nur Diclo geschluckt, jetzt sind die Schmerzen endlich weg", erzählte der Mechaniker. "Ich habe 30 Jahre lang auf dem Bau gearbeitet. Vor drei bis vier Jahren ging es los: Ich hatte kein Gefühl mehr in den Füßen, jede Menge Kreuzschmerzen. Ich konnte kaum 20 Meter weit gehen."

Der Arzt gab ihm Diclofenac, ein Schmerzmittel, das auch den Magen angreift. Dann schickte ein Orthopäde Kaiser ins Krankenhaus. Amin stellte fest: Der Patient hat eine Kanalverengung. An drei Stellen ist die gallertartige Masse der Bandscheibe ausgetreten, ist verhärtet und hat den Kanal mit den Nerven verengt.

"In der ersten OP habe ich zwei der Engstellen beseitigt. Und habe ihm gesagt, er soll mal abwarten, ob das reicht", berichtete Amin. "Nach der ersten OP hatte ich schon 30 Prozent mehr Gefühl in den Füßen. Jetzt – nach der zweiten OP – ist alles weg. Inzwischen kann ich schon 100 Meter laufen", erzählte Kaiser.

"Bandscheibenvorfall ist immer noch eine häufig nicht entdeckte Beschwerdeursache", sagte Neurochirurg Amin. Häufigstes Symptom ist die Schaufensterkrankheit: Es kribbelt in den Füßen, man kann kaum am Stück gehen. "Wenn sich die Beschwerden durch Entlastung des Rückens bessern – wie sitzen, beugen, strecken – könnte das auf einen Bandscheibenvorfall hinweisen." Neurochirurg David Eum: "Nackenschmerzen, Kopfschmerzen bis hin zu den Augen, Arm oder Fingerschmerzen können durch einen Bandscheibenvorfall in der Halswirbelsäule hervorgerufen werden." Sein Tipp: Wer unter solchen Symptomen leidet, sollte sich an der Bandscheibe untersuchen lassen.