Internetbekanntschaft zum Sex gezwungen? Vorwürfe können nicht bewiesen werden.

Rottweil/Kreis Freudenstadt - Die Berufungsverhandlung gegen einen 30-Jährigen aus dem Kreis Freudenstadt wegen Vergewaltigung wurde gestern nach mehreren Verhandlungstagen mit dem Urteil abgeschlossen: Freispruch.

In erster Instanz war der Angeklagte vom Schöffengericht Horb zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Gegen dieses Urteil hatten Verteidigung und Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt. Der Vorwurf gegen den Angeklagten lautete, seine 26-jährige Internetbekanntschaft im September 2010 vergewaltigt zu haben. Der Angeklagte, der zunächst zu dem Vorwurf schwieg, bestritt später die Tat. Die Frau beharrte auf ihrer Darstellung, obwohl sie erst nach Gesprächen mit Freunden bereit war, bei der Polizei Angaben zu machen. Die Frau beging wegen dieses Vorfalls zwei Selbstmordversuche und war längere Zeit in psychiatrischer Behandlung. Auch beim gestrigen Verhandlungstag war sie völlig aufgelöst.

Am vorletzten Verhandlungstag hatten Psychologen ihre Gutachten zum psychischen Zustand und zur Glaubwürdigkeit des Opfers abgegeben. Eine Psychologin der Universität Tübingen hatte in ihrem Gutachten bemängelt, dass die Frau in ihren Aussagen eine gewisse Konstanz vermissen lasse.

Der letzte Verhandlungstag begann mit dem Antrag der Nebenklagevertreterin, Rechtsanwältin Karin Seeger, auf ein neutrales zweites Glaubwürdigkeitsgutachten. Richter Wolfgang Heuer, der den Antrag in schriftlicher Form vorliegen hatte, lehnte ein neuerliches Gutachten ab. Heuer zu dem Antrag: "Das Glaubwürdigkeitsgutachten ist ein zusätzliches Hilfsmittel, aber nicht ausschlaggebend für das Urteil. Es bestehen keine Zweifel an der Befähigung der Gutachterin der Uni Tübingen."

Frau Falschaussage vorgeworfen

Staatsanwalt Frank Grundke nahm vor Beginn der Plädoyers die Berufung der Staatsanwaltschaft zurück. Es folgte das Plädoyer von Verteidiger Michael Doll. Für ihn waren die Aussagen der Zeugin widersprüchlich. Er warf der Frau eine Falschaussage vor, nachdem sie schon vor der ersten Verhandlung Akteneinsicht gehabt habe und ihre Aussage mit Markierungen versehen hatte. Er unterstellte ihr Rachegedanken, da sie von den Männern enttäuscht gewesen sei. Der Verteidiger sprach von einer psychischen Beeinträchtigung der Frau durch Negativerfahrungen im Alter von 13 bis 15 Jahren. Seine Forderung: Freispruch und Aufhebung des Urteils aus erster Instanz.

Dem Antrag Freispruch stimmte Staatsanwalt Grundke zu. Allerdings aus anderen Gründen. Er unterstrich, dass es keine Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Frau gebe. Doch diese Aussage alleine reiche nicht aus. Sie könne mit keinerlei Beweisen gestützt werden. Grundke warf der Polizei in der Beweissicherung gravierende Fehler vor.

Das Urteil von Richter Heuer und seinen Schöffen lautete Freispruch. Die Begründung: Es gibt keine objektiven Beweise – ein Versagen der Ermittlungsbehörde, das nicht nachvollziehbar sei und  sich zugunsten des Angeklagten auswirke. Ein weiterer Grund für das Urteil war die bei der ersten Verhandlung dem Gericht nicht bekannte Akteneinsicht, die der Frau gewährt worden war, die daraufhin ihre Aussage vor Gericht mit der vor der Polizei abgleichen konnte.

Dazu kam die Feststellung, dass sie schon früh wusste, dass der Angeklagte eine feste Freundin hatte und deshalb der Verdacht eines Racheakts. Es hatte zweimal vorher einvernehmlichen Sex gegeben. Doch das Gericht nahm an, dass sie mehr wollte als nur Sex. Heuer: "Ich kann niemanden wegen schäbigen Verhaltens verurteilen." Auch könne ihre Erinnerung an ihre Kindheit mit Ekelerfahrungen aufgekommen sein. "Es gibt keinen Zweifel an der Aussage des Opfers, und es gab mehr als nur den Austausch von Zärtlichkeiten. Doch Spuren von Gewalt wurden weder vorgetragen noch gesichert", so Heuer.