Maria Jehl. Foto: Schwark Foto: Schwarzwälder-Bote

Nachruf: Musiklehrerin und Dirigentin Maria Jehl ist tot / Starke Persönlichkeit

Freudenstadt. Ein Leben, das erfüllt war von und mit Musik, ging friedlich zu Ende: Im Alter von 95 Jahren ist Maria Jehl am 20. Juni in Freudenstadt verstorben.

In Freudenstadt und darüber hinaus in der gesamten Region war Jehl, geborene Haug, als Musiklehrerin und Dirigentin eine bekannte Persönlichkeit, ganze Generationen haben bei ihr Akkordeonspielen gelernt. Denn Maria Haug, die bereits im Alter von sechs Jahren das Akkordeonspielen erlernt und nach einer Ausbildung als Bürokauffrau in Trossingen Musik studiert hatte, war die erste Dirigentin des am 13. November 1949 im Gasthaus Glocke wieder gegründeten Harmonika-Club BZ Freudenstadt. BZ stand dabei für den "Nachbarschaftsverein Beißzange", der nach der kleinen Straße Beißzange hinter der Stadtkirche benannt wurde.

Kaum mehr vorstellbar sind die Bedingungen, unter denen Maria Haug in den Nachkriegsjahren Musikunterricht erteilte. Mit einem alten geborgten Fahrrad, ihre Handharmonika auf den Gepäckträger geschnallt, fuhr Fräulein Haug bei Wind und Wetter zu ihren Musikschülern im ganzen Kreis. Bei Regen oder Schnee spannte sie kurzerhand eine Plastikplane über ihr Instrument.

Zudem mussten der Musikunterricht und die Orchesterproben in Freudenstadt viele Jahre lang in einer zugigen Holzbaracke in der Rappenstraße gegeben werden. Weil es im Winter im alten Schuppen erbärmlich kalt war, musste jeder Akkordeonschüler zum Unterricht ein Brikett mitbringen.

Bis heute legendär ist sowohl der Unterrichtsstil als auch die Anforderungen, die Jehl zeitlebens an ihre Schüler stellte. Noch heute berichten ehemalige Musikschüler – die meisten sind inzwischen selbst im Pensionsalter – von der konsequenten und unnachgiebigen Erziehungshaltung ihrer Lehrerin, die etwaigen Versuche, sich von einer Probe abzumelden, mit der Begründung "Wenn ich da bin, dann kannst du auch da sein" abschmetterte. Legendär sind auch ihre strengen, aber höchst erfolgreichen Methoden, die Übungsfortschritte ihrer Schüler zu dokumentieren. Ausnahmslos jeder, selbst ein über 60-jähriger Handharmonikaschüler, musste bei ihr ein Hausaufgabenheft führen.

"Nochmals üben"

Gefürchtet waren dabei ihre Einträge wie "Nochmals üben". Strenge Maßstäbe legte sie aber auch sich selbst gegenüber an: "Eine Angina ist doch kein Grund, die Probe zu versäumen", entgegnete sie einmal ihren fürsorglichen Musikschülern, die ihre fiebernde Lehrerin ins Bett schicken wollten.

Unter ihrer Leitung entwickelte sich das Akkordeon-Orchester zu einer wichtigen kulturellen Freudenstädter Einrichtung. Heimatabende im Kurhaus, Konzerte, Jahresfeiern, Vorspiele im Krankenhaus und Wertungsspiele (bei denen das Akkordeon-Orchester regelmäßig Bestnoten erreichte) wurden unter ihrer Regie veranstaltet. Für die Jahresfeiern übte sie mit ihren Schülern auch die Theaterstücke. Dass sie die Kostüme dafür selbst nähte, war für Maria Jehl nicht weiter erwähnenswert, trotz aller familiärer Pflichten, denn Familie Jehl hatte inzwischen zwei Kinder. Unvergessen bleibt auch ihr unermüdlicher Einsatz für die deutsch-deutsche und die deutsch-französische Freundschaft. So trug sie durch die Organisation vieler gemeinsamer Konzerte zur Völkerverständigung bei.

Nach ihrer Zeit als Dirigentin und Musiklehrerin, Jehl unterrichtete bis zum 88. Lebensjahr, unternahm sie noch mehrere große Reisen, unter anderem nach China und Russland. Ein schwerer Schlag war für sie der Tod ihres Ehemanns 2008, mit dem sie über 50 Jahre verheiratet war.