EU-Komission: Fuchtel freut sich über Coup – Esken über Frau im Amt / Theurer: Nötige Zähigkeit fürs Amt

Bei der Kandidatur über Bande gehen die Ansichten auseinander. Dennoch überwiegt bei den Bundestagsabgeordneten aus der Region Freude und Zuversicht darüber, dass Ursula von der Leyen zur Präsidentin der EU-Kommission gewählt wurde.

Region. "Seit Walter Hallstein ist von der Leyen die erste Deutsche an der Spitze der Kommission. Sie hat bei der Reform der NATO großes Ansehen bei den NATO-Partnern erworben", findet Micheal Theurer (FDP). Der Bundestagsabgeordnete und ehemalige EU-Abgeordnete sieht deshalb "die Chance", dass sie Mittel- und Osteuropäer integrieren könne. Die "nötige Zähigkeit" für diese Herkulesaufgabe habe sie als Verteidigungsministerin unter Beweis gestellt. "Trotz der berechtigten Kritik am Zustandekommen ihrer Kandidatur werden wir Frau von der Leyen an ihren Taten messen", so der FDP-Politiker. Sie habe sich "als glühende Europäerin" vorgestellt und große Fortschritte in vielen Positionen versprochen, die den Liberalen wichtig seien. Dazu zähle das Initiativrecht für das Europäische Parlament, ein wirksamer Schutz der Außengrenzen, eine effizientere Zusammenarbeit in Verteidigungsfragen oder die Entlastung von kleinen und mittleren Unternehmen von unnötiger Bürokratie. "Ebenfalls nehmen wir Frau von der Leyen beim Wort, wenn es um die faire Besteuerung von multinationalen Unternehmen in Europa geht", so Theurer. "Jetzt beginnt die Arbeit. Wir wünschen Frau von der Leyen eine glückliche Hand und werden im EU-Parlament konstruktiv an einem besseren, bürgernahen, schlagkräftigen und geeinten Europa mitarbeiten", so Theurer.

"Jetzt ist Frau von der Leyen gewählt, und ich freue mich, dass wir eine deutsche Kommissionspräsidentin haben", erklärt die Bundestagsabgeordnete Saskia Esken (SPD). Sie sei nach von der Leyens "sehr weitreichenden Einlassungen für ein soziales und ökologisches, klimaschützendes Europa positiv gespannt auf ihre Arbeit". Die SPD habe die Berufung von der Leyens kritisiert, weil die Wähler "zu Recht" einen der Spitzenkandidaten als Kommissionspräsidenten erwarten und nicht eine Person, die bei der Europawahl gar nicht zur Wahl stand. "O.k., auch der Bundeskanzler muss kein Bundestagsmandat haben", so Esken. Aber es "würde doch auch als schräg empfunden", wenn eine Partei nach der Bundestagswahl einen Quereinsteiger als Regierungschef präsentieren würde.

Erwartungsgemäß positiv schätzt der CDU-Bundestagsabgeordnete und Parlamentarische Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel die Wahl seiner Parteikollegin ein: "Die Wahl von Ursula von der Leyen ist ein großer Gewinn für Europa, für Deutschland und für die Verantwortung von Frauen in der ersten Reihe der Politik." Die überraschende Nominierung der bisherigen Verteidigungsministerin sei zugleich "eine strategische Leistung erster Klasse unserer Bundeskanzlerin" sowie des EVP-Spitzenkandidaten und Fraktionsvorsitzenden Manfred Weber (CSU) gewesen. Mit "parteipolitischer Taktiererei" wäre eine Lösung "von vorn herein vermasselt" worden. "Und das wäre auch nicht besser geworden, wenn da monatelang weiter rumlaviert worden wäre", glaubt Fuchtel, Mitglied der Bundesregierung. Europa sei "ein quälender Prozess vor der gesamten Weltöffentlichkeit" erspart geblieben, den Europa angesichts der internationalen Lage "schon gar nicht" gebraucht hätte. Die SPD hätte in seinen Augen zeigen können, wie wichtig es ihr sei, "dass eine Frau und dazuhin aus Deutschland dieses herausragende Amt übernimmt". Das sei nicht selbstverständlich gewesen. Was ihn an von der Leyens Rede am meisten beeindruckt habe: "In der Stunde, in der es um jede Stimme ging, die klare Haltung zur Wertegemeinschaft Europa und die messerscharfe Distanzierung gegenüber Rechten und Populisten jeder Art." Er habe Ursula von der Leyen vier Jahre lang als Parlamentarischer Staatssekretär täglich erlebt und gesehen, "wie führungsstark, effektiv und zugleich auch dialogfähig ihr Arbeits- und Politikstil" sei. Das stimme ihn "sehr optimistisch", dass Europa mit ihr "eine hervorragende Kommissionspräsidentin haben wird".

"Ich finde es klasse. Sie hat die Voraussetzungen dafür, unter anderem, weil sie mehrere Sprachen beherrscht. Ich finde es schade, dass sie so wenig Stimmen bekommen hat. Aber gewählt ist gewählt." Rita Rothfuß, 65, Freudenstadt

"Sie wird genau dieselben Fehler machen wie in ihrer Amtszeit als Verteidigungsministerin. Es wird sich nichts verändern, alles bleibt chaotisch." Rainer Klumpp, 63, Baiersbronn

"Meiner Ansicht nach ist das super. Ich denke, sie wird besser sein als zu ihrer Zeit als Verteidigungsministerin. Sie kann die Fronten zusammenschließen. Ein weiterer positiver Fakt ist, dass sie eine Frau ist." Regina Mornhinweg, 60, Loßburg

"Von der Leyen wurde ohne demokratischen Hintergrund gewählt. Das ist nicht in Ordnung. Das ist eine Mauschelei. Selbst als Verteidigungsministerin war sie nicht gut." Rainer Veitinger, 53, Stuttgart