Ein im Raum Freiburg aufgedeckter Fall von Kindesmissbrauch schlägt hohe Wellen. Foto: Pedersen

Junge seit Jahren in Beobachtung vom Jugendamt. Polizeipsychologe äußert sich zum Täterprofil.

Freiburg/Sigmaringen - Was bewegt eine Mutter dazu, ihrem Kind so etwas anzutun? Das fragen sich wohl Millionen Menschen in Deutschland, nachdem am Donnerstag die schrecklichen Geschehnisse rund um die Zerschlagung eines Pädophilen-Rings im Freiburger Umkreis ans Licht kamen.

Eine 47-Jährige aus dem Raum Freiburg soll gemeinsam mit ihrem zehn Jahre jüngeren Lebensgefährten – vermutlich über mehrere Jahre hinweg – ihren heute neunjährigen Sohn sexuell missbraucht und im Internet anderen Männern für sexuelle Handlungen angeboten haben. Dafür habe sie laut der Staatsanwaltschaft Freiburg jeweils mehrere Tausend Euro kassiert. Bei der Kommunikation mit den tatverdächtigen Männern habe auch das Darknet – ein verborgener Teil des Internets – eine Rolle gespielt.

Acht Verdächtige in U-Haft

Mitte September wurden die Ermittler durch einen anonymen Hinweis auf den Fall aufmerksam. Kurz darauf kam es zu ersten Verhaftungen. Mittlerweile befinden sich acht Tatverdächtige in Untersuchungshaft. Das Landeskriminalamt (LKA) spricht vom schwerwiegendsten Fall des sexuellen Missbrauchs von Kindern, den es jemals bearbeitet hat.

Die wütenden und schockierten Kommentare zu dem Fall in den sozialen Netzwerken lassen nicht lange auf sich warten. "Ich bin sprachlos" oder "Einfach nur ekelhaft", lassen die Nutzer unter dem Beitrag auf Facebook ihrer Empörung freien Lauf. "Wie kann man als Mutter so grausam sein...jede Mutter sollte ihr  Kind mehr lieben wie das eigene Leben", äußert sich eine Nutzerin. Andere User finden drastische Worte und wünschen den Tatverdächtigen und insbesondere der Mutter des Opfers  buchstäblich  die Pest an den Hals. Neben Beschimpfungen und Drohungen finden sich aber auch einfühlsame Worte über das Schicksal des kleinen Jungen.  "Ich hoffe, dass das Kind wenigstens ab jetzt ein normales und schönes Leben führen kann und das Erlebte so gut es nur geht verarbeiten kann", ist dort zu lesen.

Doch wie soll das gehen nach all dem, was dem Neunjährigen widerfahren ist? "Das wird eine schwierige Aufgabe – was da nach der Therapie übrig bleibt an Trauma kann man nur  beurteilen, wenn man sich länger mit dem Jungen beschäftigt", sagt Polizeipsychologe Adolf Gallwitz. Er erklärt, dass es zu einem Teil auch auf die Persönlichkeit des Kindes ankommt, wie es mit den Geschehnissen umgeht. Denn jeder Mensch habe eine unterschiedlich starke Resilienz  – also eine seelische Widerstandskraft in der Krise.  Aber  auch die Details der Taten spielen natürlich eine große Rolle. "Man muss beispielsweise erst einschätzen, wie hilflos er gegenüber der Mutter war, was genau gemacht wurde und so weiter." Fest steht: Der Junge, der sich seit den Festnahmen in staatlicher Obhut befindet, hat einen langen Weg vor sich.

Mutter erwarten bis zu 15 Jahre Haft

Der Weg der Mutter hingegen endet voraussichtlich vorerst im Gefängnis. Bis zu 15 Jahre Haft könnten sie für die "sexuellen Handlungen an einer Person unter 14 Jahren"  erwarten.

Noch mehr Brisanz gewinnt der Fall durch eine Mitteilung des Landratsamts Hochschwarzwald-Breisgau. Laut dieser wurde der  Neunjährige  schon als kleiner Junge vom Jugendamt betreut. Als die Polizei dem Jugendamt im vergangenen März von einer möglichen sexuellen Gefährdung des Kindes berichtet habe, sei es aus seiner Familie genommen worden, sagte der Sprecher des Landratsamtes, Matthias Fetterer, am Freitag. Das zuständige Familiengericht habe den Schüler aber wieder nach Hause geschickt – warum, wisse er nicht.

Doch so schockierend diese Taten der eigenen Mutter auch sein mögen – für Gallwitz ist es "nichts extrem Besonderes", dass so etwas passiert. Unter Frauen sei der Prozentsatz derer mit pädophilen Neigungen zwar deutlich geringer als bei Männern, jedoch gebe es eine große Dunkelziffer. "Kinder als Sexobjekte sind begehrt und teuer", zieht der Polizeipsychologe sein bitteres Fazit. Zweiteres ist nach Meinung  von Gallwitz bei dem Fall in der Freiburger Gegend ebenfalls ausschlaggebend gewesen. "Da kann man als Eltern eine Menge Geld verdienen – das spielt neben der Sexualität auch eine große Rolle." Diese Faktoren in Kombination mit dem Einfluss des  Lebensgefährten der Mutter  könne Entwicklungen solcher Perversionen begünstigen, erklärt Gallwitz. "Man möchte dem anderen ja gefallen." Auch wenn im Falle des Neunjährigen alle Tatverdächtigen in Untersuchungshaft sitzen, werde untersucht, ob es noch weitere Taten gebe.

Der Lebensgefährte der Mutter saß bereits einmal wegen sexuellen Missbrauchs im Gefängnis. Er hätte also  nicht in die Wohnung der Frau einziehen dürfen. Was ihn offenbar nicht daran hinderte, es trotzdem zu tun. Er wurde deshalb angeklagt. Allerdings wurde das Amtsgerichtsurteil nicht rechtskräftig. Der Mann legte Berufung ein.  Bei der Kommunikation mit den anderen tatverdächtigen Männern – einer von ihnen war ebenfalls schon wegen schweren sexuellen Missbrauchs inhaftiert – habe auch das Darknet, ein verborgener Teil des Internets, eine Rolle gespielt.

Nicht im Zusammenhang mit dem Freiburger Fall, aber ebenfalls im Bereich des sexuellen Missbrauchs an Kindern ist den Ermittlern des LKA ebenfalls ein Erfolg gelungen: Sie sind offenbar dem Betreiber eines Internetforums zur Kinderpornografie auf die Spur gekommen.

Wie die Behörde  mitteilte, hatte es bereits im Sommer einen anonymen Hinweis auf das Forum im  Darknet  gegeben. Die Ermittlungen hätten schließlich zu einem Verdächtigen aus dem Kreis Sigmaringen geführt. Weitere Details  nannten die Beamten jedoch nicht.   

Dem Verdächtigen werde vorgeworfen, das Forum zum Download kinderpornografischer Dateien betrieben zu haben. Die Polizei habe die Seite inzwischen vom Netz genommen.