Er ist gerade zum zweiten Mal Vater geworden und mit seiner Familie aus dem Schwäbischen nach Freiburg-Littenweiler gezogen. Foto: Eckert

Freiburgs hat neuen Oberbürgermeister. Viel Respekt vor dem Amt und neuen Aufgaben.

Freiburg - Er ist gerade zum zweiten Mal Vater geworden und mit seiner Familie aus dem Schwäbischen nach Freiburg-Littenweiler gezogen. Nun ist Martin Horn, (33, parteilos), der im Mai mit einem haushohen Sieg den Chefsessel im Freiburger Rathaus erobert hat, für sein neues Amt startklar: Dass er am Montag aufgrund einer Klage gegen die Wahl zunächst nur als Amtsverweser ohne Stimmrecht im Stadtrat loslegen kann, nimmt er mit Humor.

Herr Horn, wie sind die Wochen seit dem Wahlsieg für Sie verlaufen?

Ich habe in einem Spagat zwischen Elternzeit und inhaltlicher Vorbereitung auf meine Aufgabe als Oberbürgermeister gelebt. Mir ist bewusst, dass ich abhängig bin von der Verwaltung, und ich werbe sehr dafür, dass mein Amtsantritt auch als Chance für einen Neubeginn im Rathaus gesehen wird. Gleichzeitig will ich an das Geleistete anknüpfen: die Verwaltung macht eine tolle Arbeit. Mir ist die Wertschätzung für mein neues Amt und für die Arbeit meines Vorgängers Dieter Salomon grundlegend wichtig.

Sie haben einen Wahlkampf geführt, der sehr auf Emotionen abzielte.

Das war eher eine Entwicklung. Ich bin nicht wie ein Politiker gestartet und habe gesagt: So werden wir jetzt die Emotionen bündeln. Ich bin vielmehr mit einer inhaltlichen Agenda gestartet. Der Wunsch nach Veränderung ist mir regelrecht entgegengesprungen. Dass die Debatte sich im Internet dann teilweise unter der Gürtellinie bewegt hat, ist etwas, woran ich mich nicht persönlich beteiligt habe: Ich habe mich vornherein verwehrt gegen jegliches "Salomon-Bashing".

Sie haben aber ein Bild Salomons als Alleinherrscher entworfen, das beim Wähler gezündet hat.

Mir ist durchaus klar, dass ein OB in Baden-Württemberg trotz aller Machtfülle alleine nichts bewegen kann. Gleichzeitig war es ein Schlüssel zu meinem Erfolg, dass ich einen Politikstil angeboten habe, der stärker auf Austausch abzielt. Weniger Monolog, mehr Dialog, das hat die Menschen überzeugt. Ich hätte aber keine Chance gehabt, wenn ich nicht auch inhaltlich überzeugt hätte.

Damit könnte Ihnen nun ein klassisches Grünen-Dilemma drohen: eine "Politik des Gehört-werdens" ist kein Garant dafür, dass jeder erhört wird.

Sie werden da Erwartungen enttäuschen, oder?

Mir ist das bewusst. Das ist zwangsläufig so, auch weil Prozesse in der Kommunalpolitik beispielsweise sehr lange dauern. Ich habe auch kein städtisches Sparschwein unterm Kopfkissen, mit dem man alle Wünsche erfüllen könnte. Ich freue mich trotzdem auf meine Aufgabe: Ich bin der jüngste OB einer Großstadt in Deutschland und stecke voller Elan. Ich wurde ja dafür gewählt, dass ich neue Impulse einbringe.

Was haben Sie vor?

Da wird es um Digitalisierung gehen, um soziale Gerechtigkeit, bezahlbaren Wohnraum, eine punktuelle Modernisierung der Verwaltung. Ich kann nicht über Nacht die Mieten senken, aber ich will Weichen stellen, mit denen wir Erfolge sehen werden.

Wie? Die Flächen sind knapp, die Baukosten hoch, und man kann nicht mehr mit Zinszuschüssen Geld sparen, weil das Geld praktisch nichts kostet.

Der Fokus beim Bauen muss dennoch stärker auf bezahlbarem Wohnraum liegen. Durch eine entsprechende Liegenschafts- und Flächenpolitik können wir da etwas erreichen. Indem wir beispielsweise der Stadtbau vergünstigte Grundstücke zur Verfügung stellen. Die Stadt darf aber auch ihren Charme nicht verlieren: Es gilt auch, den Bestand zu wahren. Ich will keine neuen Stadtteile, die mühelos in jede andere Stadt passen würden. Da haben wir überall Steuerungspotenziale. Ich will auch möglichst bald eine Expertenkonferenz nach Freiburg holen, um Expertise von außen für die Stadtentwicklung zu bekommen.

Manche Pflöcke sind schon eingeschlagen: Der Schulbericht der Verwaltung hat gezeigt, dass die Stadt in den kommenden Jahren 400 Millionen in die Schulsanierung stecken muss.

Das sind notwendige Investitionen, wir haben da immer noch einen großen Bedarf in der Stadt. Ich setze auf eine mittelfristige Planung: Wir können nicht alles gleichzeitig machen. Gleichzeitig fehlt es den Schulen an Perspektive, sie wissen nicht, wann sie saniert werden. Ich werbe dafür, hier einen Plan aufzustellen, der den Schulen Sicherheit gibt, wann sie mit ihren Sanierungen dran sind. Das würde viel Last wegnehmen.

Wie sehen Sie die Zusammenarbeit zwischen der Stadt und der Uni, die ja auch der wichtigste Arbeitgeber in Freiburg ist.

Die Uni ist enorm wichtig als Arbeitgeber, aber auch als Attraktivator für die Stadt. Sie spielt eine zentrale Rolle als Ideengeber, da freue ich mich auf intensive Gespräche. Ich wünsche mir auch, die Uni noch stärker als wirtschaftlichen Impulsgeber zu verstehen, gerade auch für Gründer.

Über den Bebauungsplanentwurf für das neue Stadion des SC Freiburg wird im Stadtrat am 24. Juli abgestimmt. Sie können nicht mit abstimmen, ist das nicht auch eine Gnade?

Das könnte man allerdings meinen! Im Ernst: Wir brauchen die neue Spielstätte für den SC Freiburg. Ich sehe eine breite Zustimmung für die Planungen für den Standort am Wolfsbuck. Ich mache mir aber keine Illusionen darüber, dass es dagegen auch Klagen geben wird. Ich bin durch und durch Demokrat: Ich werde den neuen Standort mittragen und befürworten und vor Gericht auch dafür kämpfen, dass die Beschlüsse des Gemeinderats hierzu auch durchgesetzt werden. Ich hätte mich aber über eine größere Lösung gefreut, die auch die Folgenutzung des alten Stadions, den Bau einer neuen Eishalle und die Wohnbebauung am Standort der alten Eishalle mit im Blick hat. So haben wir nur eines der vier Probleme gelöst, leider.

Sie übernehmen das Rathaus zu einem Zeitpunkt, an dem die Steuereinnahmen sprudeln. Haben Sie einen "Plan B" für schwere Zeiten?

Wir müssen den Wirtschaftsstandort weiter stärken. Ich glaube, ich war der einzige Kandidat, der im Wahlkampf das Wort Wirtschaftsförderung überhaupt erwähnt hat. Und wir müssen mit Bedacht haushalten, das Bewusstsein dafür haben wir: Ich glaube nicht, dass wir noch ein Jahrzehnt globalen Wachstums sehen werden, ich kann das aber auch nicht beeinflussen.

Ihre gebrochene Nase ist wieder verheilt, nachdem sie am Wahlabend ein psychisch verwirrter Mann niedergeschlagen hat?

Ja, es ist mittlerweile alles gut verheilt. Ich habe eine neue Brille. Und die zwei verletzten Zähne sind soweit auch repariert. Es war im Rückblick eine intensive Zeit, der Wahlkampf hat am Ende in beide Richtungen polarisiert. Ich sage mal, dass das Establishment in der Stadt nicht mit dem Wahlausgang gerechnet hat. Aber das alles hatte ja nichts mit der Attacke auf mich zu tun: Es war total abstrus, der Mann hat völlig unvermittelt zugeschlagen. Er stand auf der Wahlparty plötzlich vor mir und hat mir eine reingesemmelt. Ich hatte den Mann nie vorher gesehen, er hat keinerlei persönlichen Bezug zu mir. Das fand ich schon wieder irgendwie beruhigend an der ganzen Sache: Dass es nichts mit dem Wahlkampf zu tun hatte. Mir war persönlich sehr wichtig, dass der gute Ruf Freiburgs durch die Attacke auf mich nicht überregional leidet.    Die Fragen stellte Ralf