Am zweiten Verhandlungstag sagte unter anderem der Sexualtherapeut des vorbestraften Kinderschänders aus. Foto: Deckert

Mehrfach vorbestrafter Kinderschänder sagt ohne erkennbare Emotion aus. Miserables Zeugnis für Überwachungsprogramm.

Freiburg - Der zweite Verhandlungstag im ersten Staufener Missbrauchsprozess wurde am Mittwoch in weiten Teilen zum Schutz der Persönlichkeitsrechte des angeklagten Gelegenheitsarbeiters Markus K. (41) aus Kappel-Grafenhausen in der Ortenau vom Landgericht Freiburg hinter verschlossenen Türen verhandelt. Unter anderem wurden der Sexualtherapeut des vorbestraften Kinderschänders und ein psychiatrischer Sachverständiger angehört.

Doch auch die öffentlich verhandelten Teile des Prozesstages boten tiefe und vor allem verstörende Einblicke in die Hölle, die der mittlerweile neun Jahre alte Junge aus Staufen/Breisgau-Hochschwarzwald erleben und erleiden musste, dessen Peiniger sich nun nach und nach vor Gericht verantworten müssen.

Erstes Urteil am Donnerstag erwartet

Im Fall des ersten Angeklagten Markus K. wird bereits am Donnerstag mit einem Urteil gerechnet. Es wird erwartet, dass gegen den Mann eine lange Haft und eine anschließende Sicherheitsverwahrung ausgesprochen werden.

Der erste Zeuge, den das Gericht unter Vorsitz von Richter Stefan Bürgelin gestern anhörte, war ein pensionierter Polizist aus der Ortenau, der im Rahmen des sogenannten K.U.R.S. Programms (Konzeption zum Umgang mit rückfallgefährdeten Sexualstraftätern) des Landes mit K. nach dessen erster Haftentlassung in Kontakt war. Das Programm soll entlassene Sexualstraftäter an neuerlichen Vergehen hindern.

Doch der 62-jährige Pensionär stellte K.U.R.S. ein verheerendes Zeugnis aus: Die Rückfallzahlen seien selbst bei Entlassenen mit elektronischer Fußfessel viel zu hoch, und der psychotherapeutische Betreuungsansatz sei für die eingesetzten Polizisten nicht leistbar. Außerdem habe man zu wenig Personal und kaum eine Handhabe gegen die K.U.R.S.-Teilnehmer: So konnte Markus K. ungestört mit dem PC seiner Mutter ins Internet. "Dagegen konnten wir nichts tun."

Mutter hat Sohn immer in Schutz genommen

Die Mutter aber habe K. immer in Schutz genommen und behauptet, dass sie schon im Blick habe, welche Seiten er aufsucht. Hatte sie aber nicht: Bei seiner Festnahme vor einem halben Jahr war Markus K. im Besitz Hunderter Kinderpornos, und er hat sich online als jugendlicher ausgegeben, um im Netz mit Kindern Kontakte zu knüpfen.

"Ich hatte immer ein schlechtes Gefühl bei ihm", so der Zeuge. Markus K. habe der Polizei erkennbar genau das erzählt, was sie offenbar hören wollte. Parallel dazu machte er sich in mindestens einem Fall an einen 13 Jahre alten Jungen in einem Supermarkt heran. Dessen Stiefmutter berichtete vor Gericht sichtlich emotional angegriffen, dass ihr Stiefsohn damals in Tränen ausgebrochen sei wegen des Vorfalls beim Einkaufen. "Der Mann stand an der Kühltheke direkt neben uns, und ich habe nicht einmal etwas davon bemerkt", so die Zeugin. Bis heute habe sie mit der Sache zu kämpfen.

Danach wurde Christian L. (39) in den Zeugenstand gerufen: Der Hauptverdächtige im Staufener Missbrauchsfall hat nicht nur eingeräumt, den Sohn seiner Lebenspartnerin in 50, 60 oder mehr Fällen ("Ich hab nicht mitgezählt.") seit Ende 2015 zeitweise nahezu wöchentlich vergewaltigt zu haben. Er hat auch den Verkauf der erzwungenen sexuellen Dienstleistungen des Kindes im Internet organisiert, wo er sich unter dem Tarnnamen "Geiler Daddy" aufhielt.

Ebenfalls Anklage gegen 33-Jährigen aus Spanien

Gegen einen der Tatverdächtigen, einen 33 Jahre alten Mann aus Spanien, der derzeit in Konstanz in U-Haft sitzt, hat die Staatsanwaltschaft Freiburg mit Mitteilung vom Mittwoch zwischenzeitlich ebenfalls Anklage erhoben. Ihm werden schwerer sexueller Missbrauch von Kindern, schwere Vergewaltigung, schwere Zwangsprostitution sowie Verbreitung, Besitz und Erwerb kinderpornografischer Schriften zur Last gelegt. Er soll den mittlerweile neun Jahre alten Buben zwischen Sommer 2016 und Sommer 2017 mindestens 15 Mal missbraucht haben und dafür je Fall zwischen 3000 und 10.000 Euro bezahlt haben, so Christian L.

"Der Junge hat jeweils auch 100 Euro von dem Spanier bekommen", berichtet der mehrfach vorbestrafte Kinderschänder L., der seine Aussage vollkommen entspannt und ohne irgendeine erkennbare Emotion vorträgt, gerade als wäre er ein kleiner Gauner, der von seine Geschäften mit geklauten Autoradios berichtet. Warum er nun als Belastungszeuge auftrete, will Richter Bürgelin von L. wissen. Dieser betont, ihm sei klar, er habe "Scheiße gebaut". Und nun wolle er eben aussagen, damit auch die anderen Täter "aus dem Verkehr gezogen werden und dahin kommen, wo ich schon bin."

Mutter des Kindes erregte sich an den Bildern

L. bestätigte in grausamen Details, was Markus K. unter Ausschluss der Öffentlichkeit und gegenüber dem psychologischen Sachverständigen Hartmut Pleines bereits eingeräumt hatte: Dass K. den Jungen bei zwei Gelegenheiten im Sommer 2017 missbraucht und vergewaltigt hatte, dass auch L. an den Taten beteiligt war, und dass man Videos von den Taten erstellt habe, die in einem Fall anschließend von der Mutter des Jungen angeschaut wurden, weil sich die Frau daran sexuell erregt habe. Die 47-jährige Frau wird sich im Juni zusammen mit Christian L. vor Gericht verantworten müssen.