Wird beim Wolf ein anderer Maßstab angelegt als beim Hund? Ja, meint der Nabu-Chef. Foto: Thissen

Nabu-Chef bemängelt Messen mit zweierlei Maß. Wolfrisse machen mehr Schlagzeilen.

Freiburg - Es war ein aufsehenerregender Fall: Bei Mössingen (Kreis Tübingen) hat ein Tier Ende April acht Schafe direkt getötet und weitere 14 so schwer verletzt, dass sie eingeschläfert werden mussten. Seit kurzer Zeit steht nun fest: Es war ein Hund und kein Wolf, der die Tiere getötet hat.

Während über den Wolf und dessen Angriffe auf Nutztiere akribisch Buch geführt wird, schon wegen der Entschädigung, gibt es keine Statistik, wie häufig Hunde Nutz- oder Wildtiere reißen. Das liegt vor allem daran, dass Schäfer sich wegen eines Schadens direkt an den Hundehalter wenden müssen; eine politische Ebene wie beim Wolf ist also zunächst nicht einbezogen.

Felix Böcker von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt in Freiburg (FVA) glaubt aber schon: "Mit hoher Wahrscheinlichkeit liegt die Zahl der Hunderisse deutlich über der von Wolfsrissen." Die FVA untersucht Risse, wenn es den Verdacht gibt, dass ein Wolf beteiligt gewesen sein könnte. In den vergangenen vier Jahren sind der FVA 14 Wolfsverdachtsfälle mit 54 gerissenen Nutztieren (inklusive dem Mössinger Fall) gemeldet worden, bei denen später ein Hund als Verursacher nachgewiesen wurde. Dem stehen acht Fälle gegenüber, in denen 60 Nutztiere einem Wolf zum Opfer fielen.

Dazu gehört auch der Vorfall in Bad Wildbad im Mai 2018 mit 44 getöteten Schafen. Bei eindeutig von Hunden gerissenen Tieren wird die FVA aber nicht aktiv; die realen Zahlen liegen deshalb höher. Verwunderlich ist das schon deshalb nicht, da es derzeit höchstens zwei Wölfe im Südwesten gibt, aber laut dem Zoologischen Fachverband 1,1 Millionen Hunde.

Johannes Enssle, der Chef des Nabu im Land, ist trotzdem der Ansicht, dass in dieser Sache mit zweierlei Maß gemessen werde. Über die Medien werde jeder Wolfsriss verbreitet; Hunderisse erregten nur lokale Aufmerksamkeit. So entstehe der falsche Eindruck, dass der Wolf ein größeres Problem darstelle als der Hund.

Für Alfons Gimber, den Vorsitzenden des Schafzuchtverbandes, stellt sich die Lage anders dar. Dass Hunde in eine Herde einbrechen, komme in einem Schäferleben ein oder zwei Mal vor. Bei Wölfen müsse man ständig mit einem Angriff rechnen.

Bundesweite Zahlen zeigen: 2017 haben Wölfe bei 500 Angriffen rund 1700 Nutztiere getötet. Attacken auf Menschen sind vom Wolf nicht bekannt. Dagegen kam es 2018 allein im Land zu 1397 Angriffen von Hunden.