Die Straße, in der die Frau seinerzeit entführt wurde. Foto: Decker

55-Jähriger hat Frau im Januar 2003 entführt und mit zahlreichen Messerstichen getötet.

Freiburg - Mit dem Bart und dem wehenden grauen Haar sieht er ein wenig aus, wie alternder Hippie-Rockstar aus den Siebzigern. Und er hat ja auch ein paar Charakterzüge in dieser Richtung vorzuweisen: Der Angeklagte im Prozess um die Ermordung der damals 57 Jahre alten Reinigungsfachkraft Heidrun Pursche im Januar 2003 ist ein nach eigenen Worten eher ein Einzelgänger. Einer, der schon als Jugendlicher gern allein im Wald war, um dem Frust und der Gewalt seines zynischen, versoffenen Vaters zu entfliehen. Bäume habe er umarmt, um sich zu beruhigen, so der Angeklagte. Getrunken habe er später dann auch. Aber nicht so exzessiv wie der Vater. Und gekifft habe er. Vor allem nach der Tat, die er zwar gestanden hat, die er aber nicht in Mordabsicht begangen haben will, auch wenn er einräumt: „Gefühlt habe ich 100 mal zugestochen“. Aus einem unfassbar banalen Grund übrigens: Die Dienstpläne, die das Opfer als Vorgesetzte für die Lebensgefährtin des Angeklagten schrieb, gefielen dem Paar nicht.

Für den Prozess gegen den geschiedenen 55 Jahre alten Messebauer Thomas W. aus Buggingen im Markgräflerland sind insgesamt sechs Verhandlungstage vorgesehen. Das Urteil soll im März ergehen. An der Täterschaft des Mannes besteht kein Zweifel. W., der seit seiner Jugend psychische Probleme hatte, sich zeitweise selbst verletzt hat und Tagebücher mit seinem eigenen Blut geschrieben hat, hat zu Beginn des Verfahrens jedoch eine Mordabsicht verneint: Er habe die aus Karlsruhe stammende Heidrun Pursche lediglich entführt, um sie „zur Rede zu stellen“. Mit dem 40 cm langen Messer habe er ihr nur drohen wollen. Sein Ziel sei gewesen, die Frau „zum Einlenken“ im Streit um die Arbeitsabläufe seiner Lebensgefährtin zu bringen. Heidrun Pursche sei nach seiner unglücklichen Kindheit und der gescheiterten ersten Ehe „wieder jemand“ gewesen, der ihm „das Leben kaputtmachen“ will, so Thomas W.

Aber sein Plan habe nicht funktioniert: Im Gegenteil, Heidrun Pursche habe ihn verhöhnt und ihm mit rechtlichen Konsequenzen für sein Handeln gedroht, anstatt ihr angebliches Fehlverhalten gegenüber seiner Freundin einzuräumen. „Da hab ich zugestochen“, so Thomas W. „Weil ich wollte, dass Ruhe ist. Erst als sie dann da lag und ich das ganz Blut sah, wurde mir klar, was ich getan hab.“ Eine Version einer spontan begangenen Tat also, mit der das Gericht unter Vorsitz von Richterin Eva Kleine-Cosack und Staatsanwalt Thomas Orschitt, für den W. sich des erpresserischen Menschenraubs mit Todesfolge und des Mordes schuldig gemacht hat, am Dienstag zu Prozessbeginn offenbar einige Mühe hatte, weil sie nicht so recht zum Ablauf der Tat am 7. Januar 2003 zu passen scheint: An diesem Tag, seinem 39. Geburtstag übrigens, passte der Kampfsportler W. Heidrun Pursche am frühen Morgen auf dem Weg zu ihrem Arbeitsplatz in Bad Krozingen ab, schlug mehrfach auf die Frau ein und entführe sie in ihrem eigenen Auto nach Ehrenstetten an den Waldrand. Dort bedrohte er die Frau und forderte sie auf, sich auszuziehen, um sie offenbar zu erniedrigen und, wie er sagt, „zum Einlenken“ in dem angeblich seit zwei Jahren schwelenden Konflikt zu bringen. Das Opfer habe sich zwar trotz des bitterkalten Wintermorgens ausgezogen („Ich weiß nicht, vielleicht wollte sie mich ja verführen.“), ihn aber gleichzeitig verhöhnt und ausgelacht, so W. Da habe er eben diese riesige Wut bekommen und zugestochen.

Nach der Tat versteckte W. die Leiche und ein paar Zweigen und hob mit der EC Karte seines Opfers Geld ab, bevor er das Auto von Heidrun Pursche auf einem Autobahnparkplatz an der A 5 abstellte und sich von seiner Lebensgefährtin abholen ließ. Der Frau gegenüber, mit der er sich kurz darauf verlobte, offenbarte Thomas W. sich noch am Tag des Verbrechens. Mehr als 15 Jahre lebte das Paar danach unbehelligt weiter: Trotz einer Großfahndung mit mehreren Massengentests blieb der Verdächtige damals unentdeckt. Erst im September 2018, mehr als 15 Jahre nach der Tat, ging er den Ermittlern nach einem Hinweis aus seinem familiären Umfeld ins Netz und legte umgehend ein Geständnis ab.