Der Angeklagte Norbert T. auf dem Weg ins Gericht. Er muss sich wegen des Todes des kleinen Alessios verantworten. Foto: Seeger

Staatsanwalt rückt von Tötungsvorsatz ab. Verteidigung: genug gestraft. Urteil soll am 14. Oktober verkündet werden.

Freiburg - Im Januar wurde der dreijährige Alessio totgeprügelt. Jetzt muss sich der Stiefvater vor Gericht verantworten. Ihm droht eine mehrjährige Haftstrafe. Das Urteil soll am 14. Oktober ergehen.

Der 33 Jahre alte Landwirt Norbert T. habe sich der Körperverletzung mit Todesfolge und schwerer Misshandlung schuldig gemacht, sagte Staatsanwalt Klaus Hoffmann in seinem Plädoyer am Dienstag vor dem Landgericht Freiburg. Er forderte acht Jahre und drei Monate Haft für den Angeklagten.

T. hat eingeräumt, seinen Stiefsohn Alessio mit mehreren Schlägen in den Bauch so schwer verletzt zu haben, dass das Kind an den Folgen starb. Auch einen Fall von Misshandlung im Sommer 2013 hat der Mann zugegeben. Weitere Vorwürfe, die auch die Misshandlung seiner kleinen Tochter Emilia umfassten, hat er zurückgewiesen.

Die Misshandlungsvorwürfe gegenüber dem kleinen Mädchen sah der Staatsanwalt als ebenso wenig erwiesen an wie den zunächst angenommenen Tötungsvorsatz des Angeklagten und die meisten anderen Misshandlungsvorwürfe, die gegen Norbert T. im Raum standen. Diese hatte vor allem seine psychisch schwer kranke Lebensgefährtin Anthea N. aufgebracht. In ihrer nichtöffentlichen Aussage vor Gericht war sie aber teilweise wieder von den Anschuldigungen abgerückt. Die Frau sei "eine denkbar problematische Zeugin" gewesen, so Hoffmann. Mit der Erziehung ihrer Kinder sei sie überfordert gewesen.

Bei der Höhe des geforderten Strafmaßes sprechen laut Hoffmann einerseits die Brutalität und die Zahl der Schläge sowie die Schutzlosigkeit des unschuldigen Opfers gegen den Angeklagten.

Jugendamt steht in der Kritik

Strafmildernd für den Angeklagten seien sein Geständnis, seine Reue und die hohe psychische Belastung zu werten, der Norbert T. zur Tatzeit ausgesetzt gewesen sei: die Arbeit auf dem großen Bauernhof, die schwierige Beziehung zu seiner Partnerin und die Fürsorge für die beiden kleinen Kinder. Außerdem habe der Mann keine Vorstrafen.

Zu einer gänzlich anderen Wertung der Tat kam Nebenklagevertreterin Katja Ravat: Aus ihrer Sicht hat Alessios Mutter, deren Interessen sie vertritt, zwar zur Situation beigetragen, die letztlich zum Tode des Jungen führte. Anthea N. habe aber immer wieder Hinweise auf die Misshandlungen Alessios gegeben, wenngleich sie diese aus Sehnsucht nach einer harmonischen Familie auch immer wieder beschönigt habe. Tragisch sei, dass dasselbe Jugendamt, unter dessen Augen Anthea N. als Jugendliche vom eigenen Vater schwer sexuell missbraucht worden sei, nun wieder mit der Betreuung der jungen Frau und ihrer Familie befasst gewesen sei und möglicherweise, so Ravat, "naiv und unprofessionell" mit dem Fall umgegangen sei.

Die Freiburger Staatsanwaltschaft habe zudem die Ermittlungen gegen den Angeklagten im vergangenen Jahr zu schnell eingestellt. Es liege nahe, dass Norbert T. wiederholt seinen Frust an Alessio ausgelassen habe, während das familiäre Umfeld weggeschaut habe. "Der Angeklagte hat hier keinen reinen Tisch gemacht, er hat etwas zu verbergen", so die Anwältin, die kein zeitlich umrissenes Strafmaß für Norbert T. forderte.

Für Unruhe im Gerichtssaal sorgten die Ausführungen von Verteidigerin Eva Kanngießer, die ein Strafmaß von vier Jahren für "mehr als genug" hält: Eigentlich, so die Anwältin, müsse man den Angeklagten nicht mehr bestrafen. Er sei durch die Tat, die er nicht gewollt habe, und deren Folgen in jeder Hinsicht genug gestraft: Finanziell ruiniert und seelisch am Ende sei er selbstmordgefährdet.

Anwältin erhält Drohungen

Auf seinen Hof könne er zudem nie mehr zurück: "Ich habe mehr als eine Drohung erhalten von Leuten, die den Hof anzünden wollen, sollte mein Mandant je wieder zurückkehren", so Kanngießer. "Der Angeklagte war Täter und Opfer zugleich", so die Anwältin, die von "einer klassischen Tragödie" sprach und auch Partei für das Jugendamt ergriff: "Aus Sicht der Behörde hatte Alessios Mutter beim Angeklagten zum ersten Mal im Leben Halt gefunden. Das war eine Verbesserung der Situation."