Oberbürgermeister Martin Horn freut sich über das "klare Votum für Freiburgs Urbanität". Foto: Salzer-Deckert

Klare Verhältnisse und hohe Wahlbeteiligung: Neuer Stadtteil soll 15.000 Menschen Quartier bieten.

Freiburg - Die Freiburger wollen keine Mauer um ihr Idyll bauen und haben am Sonntag in einem Bürgerentscheid mit einem klaren Votum für den geplanten neuen Stadtteil Dietenbach gestimmt. Bei einer Wahlbeteiligung von 49,6 Prozent der mehr als 170 000 Stimmberechtigten beantworteten knapp über 60 Prozent die Frage, ob das Areal im Westen der Stadt unbebaut bleiben soll, mit "Nein".

Das bei Bürgerentscheiden in Baden-Württemberg geltende Quorum von 20 Prozent der Wählerstimmen zur Rechtsverbindlichkeit wurde um rund 16 000 Stimmen deutlich übertroffen. Damit ist der Bürgerentscheid über den Bau des Stadtteils bindend. Freilich ist er nicht so ausgegangen, wie sich die Initiatoren – die den neuen Stadtteil aus überwiegend ökologischen Gründen vehement ablehnen – dies gewünscht hätten.

Im neuen Rathausgebäude im Stadtteil Stühlinger zeigte sich am Wahlabend schon anhand des Ansturms interessierter Bürger, wie sehr das Thema die Freiburger bewegt hat. Dicht an dicht drängten sich dort vor allem die Befürworter des neuen Quartiers und begrüßten den sich bereits früh abzeichnenden eindeutigen Ausgang der Abstimmung mit Applaus.

Oberbürgermeister Horn fällt ein Stein Herzen

Auch Oberbürgermeister Martin Horn und Baubürgermeister Martin Haag (beide parteilos) zeigten sich erleichtert über den Ausgang: Der Bürgerentscheid habe ein "klares Votum für Freiburgs Urbanität" und bezahlbaren Wohnraum in der Stadt gebracht. Ihm sei ein großer Stein vom Herzen gefallen, sagte der OB, der die engagierte Bürgerbeteiligung bei dem Thema ausdrücklich begrüßte: "Demokratie lebt vom Mitmachen!". Mit den Kritikern des neuen Stadtteils wolle er nun den Dialog suchen; ebenso will er "Brücken bauen" zu den Landwirten, die gegen den Stadtteil mobil gemacht hatten.

Haag betonte, dass die Pläne für das Areal maßgeblich noch von Alt-OB Dieter Salomon (Grüne) geprägt wurden: Dem nahezu einstimmigen Gemeinderatsbeschluss im Sommer 2018 für den Bau des Stadtteils war ein fünf Jahre langer Planungsprozess vorausgegangen. "Wir bekommen einen ökologischen, innovativen Stadtteil", freut sich Haag. "Jetzt geht’s richtig los!"

Glückwünsche kamen auch von der baden-württembergischen Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (Balingen). Die CDU-Politikerin sicherte der Stadt ihre Unterstützung für die weiteren Schritte zu – etwa durch den Kommunalfonds "Wohnraumoffensive BW". Erklärtes Ziel sei es, die Kommunen auf vielfältige Weise darin zu unterstützen, die Bevölkerung mit bezahlbarem Wohnraum zu versorgen.

Der Stadtteil Dietenbach soll auf einer Bruttofläche von 110 Hektar dafür sorgen, dass der überteuerte Wohnungsmarkt in Freiburg in den kommenden Jahren eine Entspannung erfahren kann. Zuletzt war dies der Stadt mit den Quartieren Vauban und Rieselfeld seit den 90er-Jahren zumindest phasenweise gelungen. Klimaneutral, barrierefrei und trotzdem mit bezahlbaren Mieten gilt das Projekt als überaus ambitioniert.

Eines der Argumente der Gegner war, dass diese Zusagen und Pläne der Stadt unrealistisch seien. Ein anderes lautete, dass der hohe Wohnraumbedarf in Freiburg auch durch eine Innenverdichtung gedeckt werden könne. Zudem sei längst nicht sicher sei, dass die Stadt künftig wie prognostiziert wachsen werde.

Martin Linser, einer der betroffenen Landwirte, die nun für den Stadtteil Pachtflächen verlieren, bewertete den verlorenen Wahlausgang dennoch als nicht schlecht: Es sei immerhin gelungen, in der Bevölkerung Sensibilität für das Thema Flächenverbrauch zu schaffen. Vor wenigen Jahren wäre dies noch unvorstellbar gewesen, meint Linser. Freilich bleibt er seiner Linie künftig treu: Wenn man das Weltklima retten wolle, müsse man vor Ort anfangen und vor allen Dingen den fortschreitenden Flächenfraß verhindern.