Heimplätze sind schwer zu bekommen. Foto: pixabay Foto: Schwarzwälder Bote

Pflege: Für sterbenskranke Mutter monatelang keinen Pflegeheimplatz gefunden / Kritik am Gesetzgeber

Zwischen der Krebs-Diagnose im Oberndorfer Krankenhaus im Februar 2018 und dem Tod von Heike Wöhrs Mutter lagen sieben Monate – Monate, in denen die Tochter fast verzweifelt ist. Einen Platz in einem Pflegeheim oder Hospiz zu bekommen, war schier unmöglich.

Oberndorf/Fluorn-Winzeln/Schenkenzell. Heike Wöhr lebt in Fluorn-Winzeln, ihre Eltern in Schenkenzell. Als der 53-Jährigen mitgeteilt wird, dass ihre Mutter nur noch palliativ geholfen werden kann, ist ihr schnell klar: Über kurz oder lang muss die Mama in ein Pflegeheim. Der Vater, selbst in vorgerückten Alter, war mit der Situation zu Hause immer mehr überfordert. Kam die Sozialstation anfangs noch einmal am Tag, musste der Rhythmus schnell auf vier Mal täglich erweitert werden. Heike Wöhr ist selbst berufstätig und hat Familie, ihre Schwester lebt weiter entfernt. Die beiden Töchter hätte der Mama gerne in einem Hospiz ein menschenwürdiges Sterben ermöglicht.

Vom Pflegestützpunkt bekam Wöhr eine Broschüre mit Pflegeeinrichtungen in der Umgebung in die Hand gedrückt. Die hat sie in einer Nachtaktion durchgeackert und 40 "Bewerbungen" geschrieben. Ergebnis: Eine Zusage, allerdings erst in zwei Monaten. Inzwischen wurde die Mutter immer schwächer, die Betreuung zu Hause immer intensiver. Eine Demenzerkrankung kam hinzu.

Obwohl der Winzlerin, die als Sozialpädagogin arbeitet, Bürokratie nicht fremd ist, war sie mit dem Ausfüllen der vielen Formulare manches Mal überfordert. "Was sollen denn da Menschen machen, die so etwas sonst gar nie tun müssen?", fragt sie sich. Unzählige Telefonate habe sie geführt, der Urlaub ging für Organisation und Betreuung drauf. Zum Glück, so sagt sie, habe sie einen verständnisvollen Arbeitgeber.

Hinzu kommt, dass Schenkenzell im Zwickel zwischen drei Landkreisen liegt. Als sie einmal über die Notfallnummer einen Krankenwagen für ihre Mutter rufen wollte, musste sie zunächst einmal selbst abklären, welche Leitstelle denn zuständig sei, berichtet sie.

Heike Wöhr möchte den Institutionen vor Ort keine Vorwürfe machen. Die täten ja meist, was sie könnten. Die Entscheidungen, die von der Politik gefällt werden, kritisiert sie aber sehr wohl.

2019 endete die Übergangsfrist der Landesheimbauverordnung Baden-Württemberg. Der Inhalt dieses Gesetzes sei die veränderte Vorgabe der Beschaffenheit von Heimen der Alten- und Behindertenhilfe und der Gewährung von Einzelzimmern – unabhängig davon, ob die Mitbewohner in den Heimen das wünschten oder nicht. Die Konsequenz dieser Veränderung sei 2018 gewesen, dass viele kleine Alten- und Pflegeheime schließen mussten, da Bauveränderungen aus existenziellen Gründen nicht möglich gewesen seien.

Eigentlich, so Wöhr, sei dieses Gesetz auf Wunsch nach Privatsphäre im Heim und einem Einzelzimmer zeitgemäß und gerechtfertigt. Was sie aber in diesem Zusammenhang gewundert habe, sei, dass der Gesetzgeber eine Veränderung sehr lange im Vorfeld beschließe, aber für den eigentlichen Zeitraum – wie schon so oft – nicht vorbereitet sei. "Seither gibt es noch weniger Pflegeplätze, vor allem im ländlichen Raum, und die verantwortlichen Personen in den kleinen Landkreisen wie Rottweil haben aus meiner Sicht bisher keine großen Überlegungen dazu nachhaltig angesprochen." Angehörige müssten weite Fahrten zu ihren pflegebedürftigen nahen Verwandten absolvieren, im Notfall seien zeitnah keine Kurzzeitpflegeplätze vorhanden.

Es könne außerdem nicht sein, dass im kompletten Landkreis Rottweil kein einziger Standort für ein Hospizpflegeplatz vorhanden sei, die nächsten Einrichtungen seien in Spaichingen oder in Offenburg – und komplett ausgebucht.

Auch der Schwiegervater von Heike Wöhr erkrankte schwer. Wäre er nicht vorher gestorben, wäre er in drei verschiedenen Pflegeeinrichtungen untergebracht worden, bis er einen endgültigen Platz erhalten hätte.

Heike Wöhrs Mutter ist im September gestorben – knapp drei Wochen, nachdem sie in ein Pflegeheim in Offenburg aufgenommen worden war.