Eine elektronische Fußfessel: Das Durchschneiden löst Alarm aus. Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Ein am Montagmittag beim rheinland-pfälzischen Germersheim entflohener Häftling der Justizvollzugsanstalt Bruchsal hat sich seiner elektronischen Fußfessel entledigt. Wie ist so etwas möglich?

Ein zu lebenslanger Haft verurteilter Mörder ist am vergangenen Montag bei einem begleiteten Ausflug an einen Baggersee bei Germersheim (Rheinland-Pfalz) geflohen. Die Polizei fahndet bislang erfolglos nach Aleksandr Perepelenko. Der heute 43-jährige hatte 2011 einen Mann aus Pforzheim nach Gotha gelockt, sein Opfer gefesselt und geschlagen. Danach fuhr er gemeinsam mit einer Komplizin in die Südpfalz. Dort erwürgte er den Mann. Dessen Leiche versteckte das Duo bei Lauterbourg im Elsass. Seine Haftstrafe verbüßte Perepelenko in der Justizvollzugsanstalt Bruchsal. Am Montagmittag gelang es ihm die Flucht. Die von ihm getragene elektronische Fußfessel wurde kurze Zeit später im Stadtgebiet von Germersheim gefunden.

Wie kann eine Fußfessel entfernt werden?

In Deutschland werden elektronische Fußfesseln mehrerer Hersteller verwendet. Sie alle eint, dass ein Navigationsgerät mit Hilfe von Bändern am Fuß eines Häftlings oder von der Polizei als Gefährder eingestuften Menschen befestigt wird. Diese Bänder können durchtrennt werden. Je nach Hersteller reichen dafür scharfe Messer, Seiten- oder Bolzenschneider. Werden die Befestigungsbänder durchtrennt, löst das einen Alarm aus. Im aktuellen Fall dürfte dies dem Mörder Perepelenko gleichgültig gewesen sein, weil er nicht mehr über das im Navigationsgerät befindliche GPS geortet werden wollte.

Welche Schlussfolgerungen lässt das im Fall des geflohenen Mörders zu?

Nur zwei Schlussfolgerungen zu: Entweder wurde Perepelenko vor dem Ausflug an den Baggersee durch die ihn begleitenden Justizbeamten nicht gründlich durchsucht. Das ist unwahrscheinlich, weil die Wachtmeister sich selbst vor möglichen Angriffen schützen, je gründlicher sie durchsuchen. Oder Perepelenko hatte einen Fluchthelfer, den er nach Germersheim bestellt hat. Das ist die plausiblere und wahrscheinlichere Schlussfolgerung aus der bislang gelungenen Flucht des Mörders.

Wo geht der Alarm ein?

Geht dem Akku einer Fußfessel der Strom aus, wird sie vom Körper entfernt oder sendet sie kein GPS-Signal mehr, löst dies einen Alarm aus. Der geht bei der 2012 geschaffenen „Gemeinsamen elektronischen Überwachungsstelle der Länder“ (GÜL) im Hochsicherheitstrakt der Justizvollzugsanstalt im südhessischen Weiterstadt ein. Dort werden alle Menschen zentral überwacht, die in Deutschland eine Fußfessel tragen. Durch auf digitalen Landkarten leuchtenden Markierungen wird rund um die Uhr angezeigt, wo genau sich eine Fußfessel aktuell befindet. Wird ein Alarm ausgelöst, rufen die Beamten der GÜL sofort die Trägerin oder den Träger der Fessel an, um zu klären, aus welchem Grund ein Alarm ausgelöst wurde. Wird dieser Anruf nicht unmittelbar entgegengenommen, wird eine Fahndung ausgelöst.

Gibt es sichere Fußfesseln?

In der Schweiz wurde 2019 eine technologisch ausgeklügelte Fußfessel vorgestellt, die mit zwei SIM-Karten ausgestattet ist. Die Fessel ist so sowohl über GPS wie auch über Radiofrequenz zu lokalisieren. Sie besteht aus Kunststoff und Titan gefertigt; dadurch ist der Ring schwerer zu durchtrennen. Zudem wird der Akku der Fußfessel kabellos aufgeladen.

Kommt ein zu lebenslanger Haft Verurteilter nicht automatisch nach 15 Jahren auf freien Fuß?

In der Bevölkerung hält sich hartnäckig das Gerücht, ein zu lebenslangem Freiheitsentzug verurteilter Straftäter komme nach 15 Jahren wieder auf freien Fuß. Das ist falsch. Nach frühestens 15 Jahren können Richter darüber entscheiden, ob die Strafe zur Bewährung ausgesetzt wird. Voraussetzung dafür ist, dass das verurteilende Gericht keine besondere Schwere der Schuld feststellte, wie etwa bei der NSU-Terroristin Beate Zschäpe. Zudem muss ein Sachverständiger den Richtern in einem Gutachten bestätigen, dass davon auszugehen ist, dass der Verurteilte in Freiheit keine weiteren Straftaten mehr begehen wird. Beendet werden kann eine lebenslange verhängte Haft auch dadurch, dass der Inhaftierte haftunfähig wird, beispielsweise durch sein sehr hohes Alter oder aus gesundheitlichen Gründen. Zudem können der Bundespräsident oder – wenn das Urteil durch ein Land- oder Amtsgericht verhängt wurde – die Ministerpräsidenten einen Straftäter begnadigen.